Kapitalgewinn: Steuerfreier Kapitalgewinn oder steuerbarer Lohn?

Die Schweizer Steuergesetze statuieren, dass Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen grundsätzlich steuerfrei sind. Diese gesetzliche Bestimmung mag deshalb häufig dazu verleiten, Gewinne, die bei der Veräusserung von Aktien erzielt werden, (vorschnell) als steuerfrei zu betrachten. Das Bundesgericht hat allerdings schon mehrmals betont, dass die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne eine systemwidrige Ausnahme darstellt und Ausnahmen folglich vor dem Hintergrund einer allgemeinen Einkommenssteuer restriktiv zu handhaben sind.

16.07.2024 Von: Andreas Tschannen, Luca Tschannen
Kapitalgewinn

Ausgangslage 

Bei personenbezogenen (nicht kotierten) Gesellschaften3 können sich bei einem Verkauf von Beteiligungspapieren häufig Fragen zur Abgrenzung stellen, ob nun ein steuerfreier Kapitalgewinn realisiert wird oder ob es sich beim Gewinn um steuerbares Einkommen aus (unselbstständiger bzw. selbstständiger) Erwerbstätigkeit oder um einen zu versteuernden Beteiligungsertrag oder gar Zins handelt.4 Diese Abgrenzungsfragen dürften insbesondere deshalb auftreten, weil bei solchen Verhältnissen einerseits der Einfluss der Verkäuferin auf die Preisgestaltung nicht unwesentlich sein kann und andererseits aufgrund der fehlenden Kotierung ein Markt zur Bestimmung des Verkehrswerts der Beteiligungspapiere fehlt. Nachfolgend soll vertiefter auf die Abgrenzung steuerfreier Kapitalgewinn vs. Einkommen aus Erwerbstätigkeit eingegangen werden.

Steuerrechtliche Sicht 

Verkauf Beteiligungspapiere an unbeteiligte Dritte 

Wird ein Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ganz oder teilweise an Dritte verkauft (Share Deal), so realisiert die Verkäuferin in der Regel einen steuerfreien Kapitalgewinn, wenn die Beteiligungspapiere im Privatvermögen gehalten werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist aber, dass das Rechtsgeschäft nach dem Prinzip «Beteiligungspapiere gegen Geld» erfolgt und der Verkauf an keine weiteren Bedingungen geknüpft wird. Solche Bedingungen finden sich jedoch häufig bei einem Verkauf von personenbezogenen Gesellschaften, wonach von der Verkäuferin noch ein bestimmtes Handeln (wie z.B. befristete Weiterarbeit) verlangt wird. 

Es stellt sich aus diesem Grunde die Frage, ob der Kaufpreis ausschliesslich für die Beteiligungspapiere bezahlt wird oder ob ein Teil davon als (steuerbare) Entschädigung für das Verhalten der Verkäuferin betrachtet werden muss. Die Gerichts- und Verwaltungspraxis beurteilt diese Frage aufgrund sämtlicher Umstände eines konkreten Einzelfalls. Im Vordergrund stehen in der Regel die folgenden beiden Beurteilungskriterien: 

Höhe des Verkaufspreises: Liegt dieser deutlich über dem Wert, der sich aus verschiedenen Bewertungsmethoden5 errechnet, oder lässt sich der Verkaufspreis auch anhand einer Bewertung mit EBIT-Multiplikatoren nicht erklären, so kann dies für die Steuerbehörden ein Indiz für steuerbares (Erwerbs-)Einkommen sein. 

Weiterarbeit: Verpflichtet sich die Verkäuferin, weiterhin für die Gesellschaft tätig zu sein, so kann ein im Verkaufspreis «verpackter » Goodwill für dieses künftige Tun (oder auch Unterlassen wie z. B. bei einem Konkurrenzverbot) in steuerbares (Erwerbs-) Einkommen umqualifiziert werden.6 Eine Umqualifikation ist auch möglich, wenn der Kaufpreis unter den verkaufenden Aktionären nicht entsprechend ihrer Beteiligungsquote verteilt wird.7 Weitere Tatbestände für eine Umqualifikation könnten auch sein: Die Gesamtentschädigung für die weiterarbeitende Verkäuferin nimmt trotz gleichbleibender Funktion (deutlich) ab, mit der Weiterbarbeit fallen gewisse Lohnbestandteile weg wie z.B. Boni etc. 

Obige Ausführungen gelten grundsätzlich auch für sogenannte Mitarbeiterbeteiligungen (wie z. B. Aktien, die im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms an Mitarbeitende abgegeben worden sind). Bei diesen ist auf die Besonderheit der Besteuerung eines sogenannten Übergewinns innerhalb der fünfjährigen Haltedauer hinzuweisen. Ein solcher Übergewinn kann insbesondere dann resultieren, wenn unterschiedliche Bewertungsmethoden bei Abgabe und beim Verkauf der Beteiligungen zur Anwendung kommen (z.B.: gewissen Schlüsselmitarbeitenden werden Aktien zum Ertragswert gemäss Bewertung Kreisschreiben Nr. 28 abgegeben; drei Jahre später erfolgt der Verkauf der Aktien an einen Dritten zu einem deutlich höheren Marktwert, der aufgrund einer anderen, dynamischen Bewertungsmethode ermittelt worden ist).8

Rückgabe Beteiligungspapiere an Arbeitgeberin 

Müssen aufgrund einer reglementarischen oder vertraglichen Verpflichtung Mitarbeiteraktien an die Arbeitgeberin zurückgegeben werden, so kann daraus eine im Arbeitsverhältnis begründete Vermögenseinbusse, steuerbares (Erwerbs-)Einkommen, ein steuerfreier Kapitalgewinn oder aber ein steuerlich nicht relevanter Kapitalverlust resultieren. 

Nach der Verwaltungspraxis soll ein steuerfreier Kapitalgewinn nur dann möglich sein, wenn ein allfällig höherer Preis, der von der Arbeitgeberin bezahlt wird, mit dem Formelwert- Zuwachs übereinstimmt. Folgendes Beispiel soll dies veranschaulichen: 

Ein Mitarbeitender kann eine Aktie zum Preis von CHF 5000.– beziehen, was dem Formelwert EBIT × 10 entspricht. Drei Jahre später muss er die Aktie an die Arbeitgeberin zurückgeben, wobei diese dem Mitarbeitenden nun CHF 6000.– bezahlt. Es stellt sich vorliegend die Frage, wie die Differenz von CHF 1000.– (steuerrechtlich) zu behandeln ist: 

  • Entspricht der Rückgabepreis von CHF 6000.– dem Formelwert EBIT × 10, so stellt die Differenz von CHF 1000.– einen steuerfreien Kapitalgewinn dar. 
  • Liegt der Formelwert der Aktie auch bei der Rückgabe immer noch bei CHF 5000.–, so gilt die Differenz von CHF 1000.– als steuerbares (Erwerbs-)Einkommen. 

Dieses Vorgehen kann mitunter zu sonderbaren Ergebnissen führen. Angenommen, bei obigem Beispiel wäre der Formelwert EBIT × 10 einer Aktie bei der Rückgabe CHF 4000.–, so würde – nach Ansicht der Steuerbehörden – eine Differenz von CHF 2000.– (Rückgabepreis von CHF 6000.– ./. Formelwert) als steuerbares (Erwerbs-) Einkommen qualifizieren. Dies unabhängig davon, dass der Mitarbeitende die Aktie zu CHF 5000.– bezog und dadurch «nur» einen Gewinn von CHF 1000.– erzielt. Ob sich dieses Ansinnen der Steuerbehörden unter dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durchsetzen wird, dürfte sich wohl noch zeigen. 

Verkauf Beteiligungspapiere an andere Aktionäre 

Werden Beteiligungspapiere an andere Aktionäre verkauft (z. B. aufgrund eines Aktionärsbindungsvertrags im Rahmen einer Nachfolgeregelung), so ist zu beachten, dass ein solcher Verkauf den gleichen Regeln unterstellt wird wie eine Rückgabe an die Arbeitgeberin (siehe oben). Resultiert folglich aus einem Verkauf von Beteiligungspapieren eine nicht erklärbare Differenz, so kann darin von den Steuerbehörden steuerbares (Erwerbs-) Einkommen erblickt werden. 

Allerdings hat das Zürcher Steuerrekursgericht schon festgehalten, dass von einer Leistung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nur dann gesprochen werden kann, wenn seitens der Vertragsparteien ein entsprechender Vorsatz bestand (in casu erfolgte ein Verkauf von Aktien unter Verwaltungsräten, wobei der Kaufpreis der Beteiligung unter dem effektiven Wert lag). Danach soll eine solche Begünstigungsabsicht vorliegen, wenn ausdrücklich ein Rabatt vereinbart worden ist und zwischen dem objektiven Wert und dem Vertragspreis ein offensichtliches, in die Augen springendes Missverhältnis besteht. Die Praxis nimmt aus Gründen der Rechtssicherheit ein solches offensichtliches Missverhältnis erst dort an, wo die Differenz zwischen Verkehrswert und vereinbartem Kaufpreis mindestens 25% (vom Verkehrswert) ausmacht.9

Sozialversicherungsrechtliche Sicht 

Wird bei obigen Transaktionen auf steuerbares (Erwerbs-)Einkommen geschlossen, so ist es gut möglich, dass die Sozialversicherungsbehörden dieses Einkommen auch als massgebenden Lohn qualifizieren und es folglich der AHV-Pflicht unterstellen. Zwar obliegt es den Ausgleichskassen, selbstständig zu beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn qualifiziert werden muss. Allerdings soll eine unterschiedliche Betrachtungsweise der Steuerbehörden und der AHV-Verwaltung vermieden werden, denn die Parallelität zwischen sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Qualifikation soll nicht leichthin preisgegeben werden.10 

Würdigung 

Der Verkauf von Beteiligungspapieren kann je nach Konstellation unter Umständen ungeahnte Abgabefolgen (Steuern und Sozialversicherungen) nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang ist deshalb der Preisgestaltung sowie den vertraglichen Grundlagen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um die Abgaben zu minimieren. 

 

Fussnoten

1 Art. 7 Abs. 4 lit. b StHG, Art. 16 Abs. 3 DBG. 

2 Vgl. BGE 139 II 363 S. 367 E. 2.2. 

3 Hier ist die Person (Fähigkeiten, Interessen, Kapitalkraft) des Gesellschafters für seine Mitwirkung in der Gesellschaft ausschlaggebend. 

4 Nicht zu vergessen und ebenfalls zu untersuchen wären u.U. die Tatbestände einer indirekten Teilliquidation, einer Transponierung, eines Mantelhandels oder Verkaufs einer Mehrheitsbeteiligung an einer Immobiliengesellschaft. Bei diesen können ebenfalls Steuerfolgen auftreten. 

5 Die Steuerbehörden folgen dem Kreisschreiben Nr. 28 der Schweizerischen Steuerkonferenz (KS 28): Gemäss diesem steht bei operativen Unternehmen der Ertragswert im Vordergrund (sog. Praktikermethode). 

6 Vgl. BGer 2C_618/2014 vom 3. April 2015 oder auch StRG ZH DB.2014.148, ST.2014.184 vom 27. Februar 2015. 

7 Vgl. BGer 2P.69/2005 vom 16. Juni 2005. 

8 Vgl. auch Ziff. 3.4.3 Kreisschreiben Nr. 37, Version 30. Oktober 2020, der Eidg. Steuerverwaltung. 

9 Vgl. StRG ZH 1 DB.2017.174, 1 ST.2017.219 vom 29. Mai 2018. 

10 Vgl. BGE 141 V 634 E 2.5.

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