Internationales Steuerrecht: Grenzüberschreitende Verhältnisse bei natürlichen Personen

Durch die Zunahme grenzüberschreitender Verhältnisse nimmt die Bedeutung des Internationalen Steuerrechts zu und Fälle von internationaler Doppelbesteuerung werden häufiger. Mit dem immer umfangreicheren zwischenstaatlichen Datenaustausch wird diese noch zunehmen. Doppelbesteuerungsabkommen entschärfen diese Problematik, aber aufgrund unterschiedlicher nationaler Steuersysteme funktioniert dies nicht immer. Indirekte Doppelbesteuerung beispielsweise, wie im nächsten Abschnitt beschrieben, wird damit nicht vermieden.

21.02.2023 Von: Roman Schilling
Internationales Steuerrecht

Liegenschaftenbesitz ausserhalb des Wohnsitzstaates

Ein internationaler Sachverhalt liegt stets vor, wenn eine in einem Staat wohnhafte Person Liegenschaften in einem anderen Staat besitzt. Die Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz (DBA) sehen für diesen Fall vor, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (in der Regel in Art. 6 DBA) bzw. Gewinne aus der Veräusserung von unbeweglichem Vermögen (in der Regel in Art. 13 DBA), in dem Staat besteuert werden dürfen, in welchem die Liegenschaft liegt.

In der Schweiz wird in Art. 4 Abs. 1 lit. c DBG bzw. Art. 4 Abs. 1 StHG unilateral geregelt, dass natürliche Personen ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit beschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie im Kanton Grundstücke besitzen, nutzen, vermitteln oder damit handeln. Erwirbt also eine in einem anderen Staat ansässige Person eine Liegenschaft in der Schweiz, muss sie jährlich eine Steuererklärung einreichen, in welcher sie grundsätzlich das gesamte weltweite Einkommen und Vermögen deklariert. Aufgrund der beschränkten Steuerpflicht werden nur der Eigenmietwert bzw. die Mieteinnahmen aus der Schweizer Liegenschaft nach Abzug der direkten werterhaltenden Unterhaltskosten bzw. der Steuerwert der Liegenschaft besteuert. Das übrige weltweite Einkommen und Vermögen dient der Satzbestimmung (Progressionsvorbehalt). Allfällige Hypotheken und Schuldzinsen werden nicht direkt objektmässig der Liegenschaft zugerechnet, sondern im Verhältnis der Vermögenswerte in In- und Ausland (nach Lage der Aktiven). Verfügt der Hauseigentümer oder die Hauseigentümerin über sehr viel Vermögen im Ausland, fällt der in der Schweiz zulässige Abzug deshalb gering aus.

Erwirbt eine in der Schweiz ansässige Person Liegenschaften im Ausland, so wird sie für diese regelmässig am Ort der Liegenschaft steuerpflichtig. Die meisten Länder kennen keine eigentliche Vermögenssteuer, sondern erheben eine Liegenschaftssteuer. In der Steuererklärung des Wohnsitzkantons ist die Liegenschaft im Ausland trotz dortiger Liegenschaftssteuer zu deklarieren. Handelt es sich um ein Ferienhaus, muss auch ein Eigenmietwert geschätzt und deklariert werden. Die Berücksichtigung des Eigenmiet- bzw. Steuerwertes ist nur für die Bestimmung des massgeblichen Steuersatzes relevant. Weder der Eigenmietwert noch der Steuerwert der ausländischen Liegenschaft werden besteuert. Analog zu einer Schweizer Liegenschaft sind sämtliche werterhaltenden Unterhaltskosten abzugsfähig. Schuldzinsen werden wiederum nach Lage der Aktiven verteilt, sodass ein Teil der ausländischen Hypothek und Schuldzinsen vom in der Schweiz steuerbaren Einkommen und Vermögen in Abzug gebracht werden kann.

In vielen Ländern werden Liegenschaften aus Steuergründen nicht direkt, sondern über eine Gesellschaft gehalten, bspw. in Frankreich über eine Société Civile Immobilière (SCI). In diesen Fällen muss eine in der Schweiz ansässige Person die Beteiligung der SCI als Vermögenwert deklarieren und zahlt darauf die Vermögenssteuer. Wenn es sich um ein Ferienhaus handelt, muss der SCI eine marktgerechte Miete bezahlt werden, andernfalls wird steuerlich eine geldwerte Leistung an den Gesellschafter oder Gesellschafterin unterstellt mit der Folge, dass  dieser Vorteil als Einkommen versteuert werden muss. Von den Mieteinnahmen zahlt die SCI sodann die Unterhalts- und allfällige Renovationskosten. Bei einem Kauf einer Liegenschaft ist aus steuerlicher Sicht somit stets zu klären, ob ein direkter oder ein indirekter Kauf über eine Gesellschaft aus Schweizer Sicht, aber auch aus Sicht des Staates, in welchem die Liegenschaft gelegen ist, sinnvoller erscheint.

 

Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse

Arbeitnehmende in der Schweiz mit ausländischem Wohnsitz unterliegen gemäss internem Recht dem Steuerabzug an der Quelle für ihr in der Schweiz aus unselbständiger Tätigkeit erzieltes Erwerbseinkommen (Art. 91 Abs. 1 DBG bzw. Art. 35 Abs. 1 lit. A StHG). Der Kreis der so quellensteuerpflichtigen Arbeitnehmenden umfasst Kurz- und Wochenaufenthalter/innen und Grenzgänger/innen. Gemäss den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz (DBA), die dem OECD-Musterabkommen nachempfunden wurden, steht der Schweiz als Arbeitsortsstaat generell ein Besteuerungsrecht zu (in der Regel in Art. 15 DBA).

Zuständig für die Quellensteuererhebung ist in der Regel die Steuerbehörde des Sitz-, Verwaltungs- oder Betriebsstättekantons des inländischen Arbeitge­bers. Die Staatsangehörigkeit ist dabei kein Kriterium: Die Quellensteuer wird auch von erwerbstätigen Personen mit Schweizer Bürgerrecht aber Wohnsitz im Ausland erhoben. Diese Quellensteuer setzt einen tatsächlichen Arbeitsort in der Schweiz voraus, d.h. die Arbeitnehmenden müssen auf Schweizer Territorium ihrer Arbeit nachgehen. Sofern die Arbeitnehmenden nicht in der Schweiz physisch tätig sind, sondern bspw. im ausländischen Home-Office, fehlt gemäss internem schweizerischem Recht eine gesetzliche Besteuerungsgrundlage, d.h., das Besteuerungsrecht des vertraglichen Arbeitsortsstaates Schweiz wird quasi aufgehoben. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte die Schweiz mit einigen Staaten Verständigungsvereinbarungen getroffen, wonach die Arbeitstage eines Arbeitnehmenden grundsätzlich weiterhin im Arbeitsortsstaat zu besteuern sind, obschon die Arbeitnehmenden aufgrund von Covid-19 Restriktionen nicht in der Schweiz persönlich tätig waren. Diese Verständigungsvereinbarungen sind zwischenzeitlich ausgelaufen. Die steuerlichen Folgen einer Home-Office Tätigkeit am ausländischen Wohnsitz sollten daher stets rechtzeitig und individuell überprüft werden.

Die Bemessungsgrundlage umfasst alle Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Massgebend ist grundsätzlich deren Bruttobetrag. Es findet die gleiche Tarifstruktur Anwendung wie für in der Schweiz ansässige quellensteuerpflichtige Personen. Aufgrund der Revision der Quellensteuergesetzgebung per 1. Januar 2021 wurde das EU-Konzept der sog. «Quasiansässigkeit» gesetzlich implementiert, d.h., wer ohne steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz einen Grossteil (in der Regel mindestens 90%) seiner weltweiten Einkünfte erwirtschaftet, kann nun eine nachträgliche ordentliche Veranlagung beantragen. Bereits bezahlte Quellensteuern werden zinslos an die Steuerrechnungen gemäss den Veranlagungen im nachträglichen ordentlichen Verfahren angerechnet. Quellensteuerpflichtige Personen mit Ansässigkeit im Ausland können bis 31. März des Folgejahres einen Antrag auf nachträgliche ordentliche Veranlagung stellen.

Die DBA mit den Nachbarstaaten der Schweiz enthalten sodann besondere Regelungen für Grenzgänger/innen. Das schweizerisch-deutsche DBA schreibt beispielsweise vor, dass die Schweiz auf den an deutsche Grenzgängerinnen und Grenzgänger bezahlten Löhnen eine auf 4,5% begrenzte Quellensteuer erheben kann. Fehlt hingegen die Grenzgängereigenschaft, wird das schweizerische Besteuerungsrecht nicht begrenzt.

Innerhalb der Schweiz ist für die Sozialversicherung die Ausgleichskasse am Sitz des Arbeitgebers zuständig. Die Schweiz hat mit einer Vielzahl von Staaten Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Zwischen der Schweiz einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits koordiniert eine EU-Verordnung, welchem Sozialversicherungssystem die betroffenen Arbeitnehmenden unterstellt sind. Grundsätzlich gilt hiernach, dass Arbeitnehmende nur dem Sozialversicherungsrecht eines Staates unterliegen können. Sie sind in der Regel dem Sozialversicherungsregime desjenigen Staates unterstellt, in dem sie ihre Arbeitstätigkeit physisch ausüben. Es gibt jedoch einige Ausnahmen von diesem Grundsatz. So unterliegen beispielsweise Arbeitnehmende, die einen erheblichen Teil (d.h. 25% oder mehr) in ihrem Wohnsitzstaat arbeiten, den Sozialversicherungsgesetzen des Wohnsitzstaates, auch wenn sich der Hauptarbeitsort im anderen Staat befindet. Besondere Vorsicht ist auch geboten, wenn Arbeitnehmende weder Staatsangehörige der Schweiz noch eines Vertragsstaates sind, jedoch sowohl in einem Vertragsstaat als auch in der Schweiz arbeiten: Dieser Arbeitnehmende wären in dieser Konstellation in beiden Ländern zu versichern.

Internationale Pensionskassen

Bei einer internationalen Arbeitnehmerkarriere entstehen eine Vielfalt von Pensionskassenansprüchen und Anrechte auf staatliche Altersrenten. Es gibt wohl  zahlreiche Sozialversicherungsabkommen unter anderem das Abkommen der Schweiz mit der EU, welche die doppelte Unterstellung verhindern. Grenzüberschreitende Kompatibilität wird dadurch aber nicht erreicht und deshalb muss bei den staatlichen Renten in jedem Land ein separater Antrag gestellt werden. Bei Pensionskassenguthaben ist eine sinnvolle Zusammenführung fast unmöglich oder scheitert an der hohen Steuerbelastung. Gemäss OECD Musterabkommen ist mit Ausnahmen von Beamtenrenten grundsätzlich der Wohnort für die Besteuerung der Renten und Kapitalleistungen zuständig; hier gilt es aber abweichende Regelungen bei einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten. Rentenzahlungen werden in der Regel voll oder teilweise als Einkommen besteuert, es gibt aber Länder, die Rentenzahlungen oder Kapitalauszahlungen aus dem Ausland nicht besteuern. Besteht zudem ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz, wird hier keine Quellensteuer abgezogen respektive kann diese zurückgefordert werden. Die Besteuerung von Kapitalleistungen kann privilegiert sein wie in der Schweiz, oder aber als Einkommen (teilweise Freibeträge) steuerbar sein. Dadurch ergeben sich markante Unterschiede in der Besteuerung zwischen den Ländern. Bisher konnte man eine hohe Besteuerung vermeiden in dem man es im neuen Wohnsitzstaat einfach vergass zu deklarieren, das Entdeckungsrisiko war relativ klein und bei Nachfragen konnte man immer noch argumentieren, dass darauf meistens schon schweizerische Quellensteuern bezahlt wurden. Dies sollte aber mit Blick auf die AIA-Karte (nicht erklärbare Zunahme Banksaldo) und vor allem der damit einhergehenden Amtshilfeübereinkommen aber unterlassen werden, weil hier beim sogenannten spontanen Informationsaustausch seit 2018 mit den wichtigsten Ländern eine Übermittlung von Informationen bereits dann erfolgt, wenn der übermittelnde Staat vom Interesse eines anderen Staates an diesen Informationen ausgeht. So kann die Wahl des richtigen Wohnortes also nicht nur klimatisch angenehm sein und den Horizont erweitern. Bei allzu viel Heimweh steht der Rückkehr im Prinzip nichts im Wege, eine gewisse Vorsicht ist aber geboten, da die Steuerbehörde bei zu viel verbleibenden Anknüpfungspunkten und zu kurzer Abwesenheitsdauer insbesondere bei höheren Beträgen eine Steuerumgehung vermuten könnte.

Internationale Doppelbesteuerung

Die Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit den ausländischen Staaten eliminieren die Doppelsteuerung und weisen mit klaren Normen das Einkommen und Vermögen dem einen oder anderen Staat zu. Was klar tönt, kann in der Praxis dennoch zu erheblichen Steuerproblemen führen. Insbesondere dann, wenn beide Staaten der Auffassung sind, dass der Steuerpflichtige den Wohnsitz im jeweiligen Land hat. Bei 30 – 50% Steuern führt dies dann zu einer Steuerbelastung von 60 – 100%. Da der Steuerbezug läuft, kann dies zur Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen führen. Bis dann im sogenannten Verständigungsverfahren zwischen den beiden Staaten eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann, dauert es rasch ein paar Jahre. Zudem kann es sein, dass aufgrund von Verjährung nicht alle Jahre korrigiert werden.

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