Revisionspflicht: Ordentliche oder eingeschränkte Revision

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Revisionspfllicht
Per 1. Januar 2008 ist das neue Revisionsrecht in der Schweiz in Kraft getreten. Dabei sind mehrere neue Vorschriften ins Obligationenrecht neu eingeführt worden. Eine Risikobeurteilung wurde neu im Obligationenrecht gesetzlich verankert. Dazu kam die Überprüfung des IKS, welches für alle ordentlich revidierten Unternehmen obligatorisch wurde.
Vor allem für KMU stellten die neuen gesetzlichen Vorschriften eine Schwierigkeit dar. Es sind meistens KMU, die aufgrund ihrer Grösse nur mit beschränkten Ressourcen wirtschaften können. Für solche Unternehmen stellen neue Regelungen und Vorschriften eine weitere Belastung dar. Die Schweizer Gesetze erlauben den KMU eine individuelle Gestaltung und Organisation ihrer Unternehmen. Aufgrund dieser Vielfalt haben die Unternehmen unterschiedlich auf die neuen gesetzlichen Regelungen reagiert. Einige Unternehmen begannen bereits kurz nach der Gesetzeseinführung mit der Umsetzung der neuen Anforderungen, andere wiederum haben ein Jahr danach noch nicht reagiert.
Dabei war es nach bisherigem Recht vor allem bei kleineren Gesellschaften üblich, dass die Jahresrechnung ausschliesslich ergebnisorientiert geprüft wurde. Der Revisor war nicht verpflichtet, in seinem Revisionsbericht eine Aussage über die Existenz des IKS zu machen (Pfaff & Ruud, 2008, S. 27).
Abgrenzung von eingeschränkter und ordentlicher Revision
Überblick über die gesetzlichen Regelungen der Revisionspflicht
Ob eine Gesellschaft der ordentlichen Revision unterliegt oder nicht, wird im OR Artikel 727 bestimmt. Erfüllt eine Gesellschaft hiernach eine der folgenden Ziffern, unterliegt sie der ordentlichen Revision:
- OR Art. 727 Abs. 1 Ziffer 1: Publikumsgesellschaften, die entweder an der Börse kotiert sind (lit. a), Anleihensobligationen ausstehend haben (lit. b) oder 20 Prozent der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer Gesellschaft beitragen nach lit. a oder b (lit. c).
- OR Art. 727 Abs. 1 Ziffer 2: Gesellschaften, die zwei der folgenden Grössen zwei Geschäftsjahre in Folge überschreiten: Bilanzsumme von 10 Millionen Franken, Umsatzerlös von 20 Millionen Franken, 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.
- OR Art. 727 Abs. 1 Ziffer 3: Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind.
Unterliegt eine Gesellschaft nicht der ordentlichen Revision, muss eine ordentliche Revision auch dann vorgenommen werden, wenn Aktionäre, die 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, dies verlangen (OR Art. 727 Abs. 2). Daneben besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass die Statuten oder die Generalversammlung beschliessen, dass die Jahresrechnung ordentlich geprüft werden soll (OR Art. 727 Abs. 3, online).
Sind die Voraussetzungen für eine ordentliche Revision nicht gegeben, unterliegt die Gesellschaft automatisch der eingeschränkten Revision (OR Art. 727a Abs. 1). Auf diese kann allerdings dann verzichtet werden, wenn die Gesellschaft nicht mehr als 10 Vollzeitmitarbeiter beschäftigt und alle Aktionäre zustimmen (OR Art. 727a Abs. 2).
Mit dem neuen Revisionsrecht ist auch die Revisionspflicht ins OR übernommen worden, im Anhang der Jahresrechnung Angaben über die Durchführung einer Risikobeurteilung zu machen (OR Art. 663b Ziffer 12). Bei der Risikobeurteilung ist es irrelevant, welcher Revisionspflicht das Unternehmen unterliegt.
Die folgende Tabelle stellt die wichtigsten Unterschieden zwischen der ordentlichen und der eingeschränkten Revision übersichtlich dar:
Kriterium Revisionspflicht | Ordentliche Revision | Eingeschränkte Revision |
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Fachliche Anforderungen an Prüfer |
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Unabhängigkeit des Prüfers |
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Umfang der Prüfung |
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Durchführung der Prüfung |
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Berichterstattung an Leitungsorgan |
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Berichterstattung an Generalversammlung |
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Anzeigepflichten |
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Wie die aufgeführte Tabelle erkennen lässt, sind die Angaben in der Zeile Durchführung der Prüfung nicht mehr ganz aktuell. Bei der ordentlichen Revision kommt zu den üblichen Prüfungsstandards noch der Schweizer Prüfungsstandard 890 hinzu, welcher die Prüfung der Existenz des internen Kontrollsystems abdeckt. Bei der eingeschränkten Revision kommt der Prüfungsstandard zur eingeschränkten Revision zur Anwendung.
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Ordentliche Revision
Die folgenden Gesetzesregelungen des Obligationenrechts dienen als Grundlage für die Ordentliche Revision:
Fachliche Anforderung an Prüfer: | OR Art. 727b Abs. 1 |
Unabhängigkeit der Revisionsstelle: | OR Art. 728 |
Umfang der Prüfung: | OR Art. 728a (Prüfung IKS Abs. 1 Ziffer 3) bzw. PS 890 |
Durchführung der Prüfung: | Nicht im OR geregelt →Prüfungsstandards der Treuhandkammer |
Berichterstattung an Leitungsorgan: | OR Art. 728b Abs. 1 |
Berichterstattung an Generalversammlung: | OR Art. 728b Abs. 2 |
Anzeigepflichten: | OR Art. 728c |
Prüfungsstandard 890
Der Prüfungsstandard 890 ist immer dann anzuwenden, wenn die Existenz des IKS gemäss OR Art. 728a Abs. 1 Ziffer 3 zu prüfen ist.
Das interne Kontrollsystem, im Sinne des Prüfungsstandard 890, bezieht sich lediglich auf die Kontrollziele hinsichtlich der ordnungsmässigen Buchführung und der finanziellen Berichterstattung. Operative Kontrollziele sind dagegen nicht Gegenstand des PS (Ernst & Young (b), 2008, S. 2).
Der Prüfungsstandard 890 besteht aus zwei Hauptteilen, dem Kapitel A “Allgemeine Erläuterungen” und dem Kapitel B “Prüfung der Existenz” des IKS (PS 890, S.1). Es soll an dieser Stelle zuerst auf das Kapitel A eingegangen werden.
Der Prüfungsstandard nennt die Kontrollkomponenten, aus welchen in der Praxis das IKS besteht. Es sind die im COSO-Rahmenwerk genannten fünf Komponenten: Kontrollumfeld, Risikobeurteilungsprozess des Unternehmens, rechnungslegungsrelevante Informationssysteme und Kommunikation, Kontrollumfeld sowie Überwachung (Ernst & Young (b), 2008, S. 2).
Unter Dokumentation im Sinne des Prüfungsstandard wird zweierlei verstanden. Zum einen die Dokumentation der Ausgestaltung des IKS und zum andern die Dokumentation der Umsetzung des IKS (PS 890, S. 4, online). Es genügt also nicht, lediglich die Risiken und Kontrollmassnahmen zu beschreiben. Die definierten Kontrollen müssen ebenfalls dokumentiert werden (Ernst & Young (b), 2008, S .2).
Weiter grenzt der Prüfungsstandard 890 die Berücksichtigung des IKS im Rahmen der Abschlussprüfung und die Prüfung der Existenz des IKS genau voneinander ab (Ernst & Young (b), 2008, S. 2). Das IKS wird im Rahmen der Abschlussprüfung nach OR Art. 728 Abs. 2 (online) wie folgt geprüft: Der Abschlussprüfer legt bei der Festlegung des Umfangs und der Methoden der Prüfung Bereiche der Jahresrechnung fest, welche mittels ergebnisorientierten Prüfungshandlungen überprüft werden sollen (Ernst & Young (b), 2008, S.2). Bei der Prüfung der Existenz des IKS nach OR Art. 728a Abs. 1 Ziffer 3 (online) wird dagegen nur geprüft, ob das vom VR ausgestaltete IKS für die finanzielle Berichterstattung existiert (Ernst & Young (b), 2008, S. 2).
Die Prüfung der Existenz des IKS umfasst unter anderem Punkte wie die Planung der Prüfung, Festlegung des Prüfungsumfangs und Prüfungsverfahren.
Eingeschränkte Revision
Die folgenden Gesetzesregelungen dienen als Grundlage für die eingeschränkte Revision:
Fachliche Anforderung an Prüfer: | OR Art. 727c |
Unabhängigkeit der Revisionsstelle: | OR Art. 729 |
Umfang der Prüfung: | OR Art. 729a bzw. Prüfungsstandard zur eingeschränkten Revision |
Durchführung der Prüfung: | Prüfungsstandard zur eingeschränkten Revision |
Berichterstattung an Leitungsorgan: | Kein formeller Bericht notwendig |
Berichterstattung an Generalversammlung: | OR Art. 728b Abs. 1 |
Anzeigepflichten: | OR Art. 729c |
Wahlrechte der eingeschränkten Revision
Gesellschaften, die der eingeschränkten Revision unterliegen, sind meistens KMU. Ihre Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Der Gesetzgeber bietet diesen Gesellschaften deshalb bestimmte Wahlrechte an, um auf diese Bedürfnisse besser eingehen zu können (Bläsi, 2008, S. 2).
Diese Abbildung zeigt die verschiedenen Wahlrechte (auch “opting”-Verfahren genannt) im Überblick.
Opting out:
Hat ein Unternehmen nicht mehr als 10 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt, kann mit der Zustimmung sämtlicher Aktionäre auf die Durchführung einer eingeschränkten Revision verzichtet werden (OR Art. 727a Abs. 2).
Opting down:
Wenn ein Unternehmen die Voraussetzungen für ein opting out erfüllt, kann sie anstatt des gänzlichen Verzichts auf eine Revision lediglich eine Abschwächung der gesetzlichen Bestimmungen vornehmen. Das opting down kann dann als Alternative zum opting out in Anbetracht gezogen werden. Denkbar wäre ein opting down, wenn der Revisor zwar die fachlichen Voraussetzungen für eine eingeschränkte Revision erfüllt, aber jene der Unabhängigkeit nicht (Bläsi, 2008, S. 2).
Opting in:
Aktionäre, die ursprünglich auf eine eingeschränkte Revision verzichtet haben, haben das Recht, bis spätestens zehn Tage vor der Generalversammlung eine eingeschränkte Revision zu verlangen (OR Art. 727a Abs. 4).
Gesellschaften, die auf eine Revision verzichtet haben, können aufgrund von Fremdkapitalbeschaffung faktisch zu einer Prüfung gezwungen werden. Es kommt dabei zu einer Art opting in durch Gläubiger (Ernst & Young, 2005).
Opting up:
Eine ordentliche Revision kann bei Bedarf auch freiwillig vorgenommen werden. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
- Aktionäre, die 10 Prozent des Aktienkapitals vertreten, verlangen eine ordentliche Revision (OR Art. 727 Abs. 2).
- Die Statuten des Unternehmens sehen vor, oder die Generalversammlung beschliesst, dass die Jahresrechnung ordentlich geprüft werden muss (OR Art. 727 Abs. 3).
Prüfungsstandard zur eingeschränkten Revision
Für die eingeschränkte Revision wurde ein eigener Prüfungsstandard erstellt. Zweck dieses Standards ist einerseits die Erstellung von Grundsätzen, andererseits soll er Erläuterungen zu den Berufspflichten des Revisors bei einer eingeschränkten Revision bieten. Dazu kommen Form- und Inhaltsvorschriften der Berichte, die der Revisor in Verbindung mit der eingeschränkten Revision erstellen muss (Standard für eingeschränkte Revision, S. 2).
Der Standard ist in folgende Kapitel gegliedert: Wesen der eingeschränkten Revision, Prüfungsansatz, Risikobeurteilung, Prüfungsplan, Wesentlichkeit, Prüfungshandlungen, Dokumentation der Prüfungen, Berichterstattung und Überschuldung (Standard für eingeschränkte Revision, S. 2-61).
Im internationalen Vergleich ist der Standard zur eingeschränkten Revision eher als Schweizer Besonderheit zu interpretieren, da die international üblichen Prüfungsstandards im Rahmen der eingeschränkten Revision nicht zur Anwendung kommen, um hierdurch vor allem den KMU eine angemessene Lösung zu bieten. So ist der Umfang und die Tiefe der Prüfungshandlungen ebenso wie die Prüfsicherheit insgesamt geringer als bei der ordentlichen Revision. Entsprechend kann eine eingeschränkte Revision auch nur zu einer limitierten Urteilssicherheit beim Prüfer führen.
Im Vergleich ist der Umfang der eingeschränkten Revision so zu bemessen, dass eine Zusicherung dahingehend vom Prüfer gegeben werden kann, dass keine wesentlichen Fehlaussagen in der Jahresrechnung enthalten sind
Im Einzelnen wird daher auf folgende Prüfungen verzichtet (Standard für eingeschränkte Revision, S. 11) :
- Prüfung des internen Kontrollsystems (IKS)
- Inventurbeobachtung und Drittbeständigungen
- Aufdeckung von deliktischen Handlungen und anderen Gesetzesverstössen (ausser den Bestimmungen zur Rechnungslegung).
Fazit
Die eingeschränkte und ordentliche Revision unterscheiden sich deutlich voneinander, was vor allem aus Sicht der jeweils geltenden Prüfungsstandards erkennbar wird. Mit dem Standard zur eingeschränkten Revision sollte aber vor allem den Anforderungen und Risiken von KMU begegnet werden, sodass eine Überregulierung im Rahmen der Prüfung der Jahresrechnung vermieden werden sollte.
Dieses Ziel hat der Gesetzgeber sicher erreicht, allerdings ist fraglich, ob die vielfach zitierte kritische Grundhaltung des Prüfers im Rahmen einer eingeschränkten Revision weit gehend fehlende, aber wichtige Prüfungshandlungen ersetzen kann. Dies wird die Praxis erst noch zu zeigen haben.