Transformation: Die digitale Transformation im Finanzbereich

Die digitale Transformation hat die Geschäftsprozesse in Schweizer Unternehmen in den letzten Jahren tiefgreifend verändert und dabei auch den Finanzbereich nicht unberührt gelassen. Die Finanzverantwortlichen werden in einem zunehmend von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) geprägten Umfeld gefordert, ein technologiegetriebenes Change-Management zur Erhöhung der Effizienz umzusetzen. Dies ist angesichts neuer Möglichkeiten durch KI, durch zunehmende Automatisierung oder durch datenbasierte Planung und Simulation noch nie so einfach gewesen wie heute. Dennoch braucht es für die Transformation des Finanzbereichs in Zukunft mehr als nur technologische Innovationen. In diesem Beitrag wird dargelegt, wie die Digitalisierung den Finanzbereich transformiert, welche Herausforderungen dabei durch die Unternehmen zu bewältigen sind und welche Lösungen zu gewünschten Nutzeffekten führen.

01.04.2025 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Transformation

Die digitale Transformation im Finanzbereich

Die digitale Transformation bezeichnet die Integration und zielgerichtete Nutzung digitaler Technologien im Unternehmen, die zu grundlegenden Veränderungen der Betriebsabläufe und der Wertschöpfung führen.

Verständnis und Bedeutung der digitalen Transformation

Die digitale Transformation bietet im Finanzbereich von Unternehmen zahlreiche Vorteile, die von Effizienzsteigerungen und Kostenreduktionen bis hin zu besseren Entscheidungsgrundlagen und Wettbewerbsvorteilen reichen. Das Verständnis und die Umsetzung der digitalen Transformation sind daher entscheidend für eine zeitgemässe Ausrichtung der Finanzfunktion im Unternehmen.

Im Finanzbereich bedeutet dies konkret, Technologien und Konzepte wie künstliche Intelligenz (KI), Big Data, Analytics, Cloud Computing oder Blockchain einzusetzen, um Prozesse zu automatisieren, datenbasierte Analysen und Entscheidungen zu ermöglichen und Entscheidungseffizienz zu erhöhen.

Treiber der digitalen Transformation

Die digitale Transformation wird durch zentrale Faktoren beeinflusst, die nachfolgend erläutert werden:

  • Technologische Innovationen: Fortschritte in den Bereichen KI, Robotik, maschinelles Lernen und Datenanalyse bieten neue Möglichkeiten für die Analyse, Automatisierung und Optimierung von Finanzprozessen. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Process Mining, weil dieses die Unternehmen dabei unterstützt, ihre Geschäftsprozesse zu analysieren, zu visualisieren und zu optimieren. Es basiert auf der Nutzung von Ereignisdaten (Event Logs), die in den IT-Systemen (z.B. im ERP-System) eines Unternehmens gespeichert sind und Informationen dazu enthalten, wie die Prozesse tatsächlich ablaufen.
  • Kundenerwartungen: Kunden erwarten zunehmend schnelle, personalisierte und nahtlose Dienstleistungen, was Unternehmen dazu zwingt, ihre Finanzprozesse zu digitalisieren. Ein Beispiel hierfür ist das Kreditmanagement im Zusammenhang mit der Bonitätsprüfung am Point of Sale im Handel.
  • Wettbewerbsdruck: Der zunehmende Wettbewerb zwingt Unternehmen, ihre Prozesse schneller und kosteneffizienter zu gestalten, was vor allem mithilfe von moderner Technologie gelingt. Beispiele sind das Mahnwesen und Inkasso, das Spesenmanagement oder andere Prozesse im Backoffice.
  • Regulatorische Anforderungen: Strengere regulatorische Vorgaben und der Bedarf an erhöhter Transparenz und Sicherheit treiben ebenso die Digitalisierung im Finanzbereich der Unternehmen voran. In diesem Zusammenhang ist vor allem die der Blockchain zugrunde liegende Distributed Ledger Technology (DLT) zu nennen. Durch Transparenz, Unveränderlichkeit, kryptografische Sicherheit, Dezentralisierung und Automatisierung können Unternehmen mittels der Blockchain regulatorische Anforderungen effizienter erfüllen und gleichzeitig die Integrität und Sicherheit ihrer Daten gewährleisten.

Herausforderungen der digitalen Transformation im VUCA-Umfeld

Unter dem Kürzel VUCA versteht man vier Herausforderungen, denen die Mehrzahl der Unternehmen durch ständigen, unvorhersehbaren Wandel ausgesetzt ist: Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Diesen Herausforderungen empfiehlt das Modell, mit Vision, Verständnis, Klarheit und Agilität zu begegnen.

Volatilität

Volatilität bezieht sich auf die schnelle und unvorhersehbare Veränderung von Marktbedingungen, Technologien und Kundenanforderungen. Vor allem zwei Faktoren treiben die Volatilität: schnelle technologische Veränderungen und Marktunsicherheiten.

  • Schnelle technologische Veränderungen: Neue Technologien entstehen schnell und verändern die Geschäftslandschaft. Unternehmen müssen ständig innovativ bleiben, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
  • Marktunsicherheiten: Wirtschaftliche Schwankungen und geopolitische Unsicherheiten können die Finanzmärkte beeinflussen und die Stabilität der Finanzabteilungen gefährden.

Unsicherheiten

Unsicherheit beschreibt das Fehlen von Vorhersehbarkeit und das Unwissen über zukünftige Entwicklungen. Beide Faktoren werden hier erklärt:

  • Fehlende klare Zukunftsprognosen: Es ist schwierig, zukünftige technologische Entwicklungen und Markttrends vorherzusagen, was die Planung und Umsetzung der digitalen Transformation erschwert.
  • Sicherheitsbedenken: Die Digitalisierung erhöht das Risiko von Cyberangriffen und Datenlecks, was zu Unsicherheit in Bezug auf den Schutz sensibler Finanzdaten führt.

Komplexität

Komplexität wird durch das Vorliegen einer Vielzahl an Faktoren und den Interdependenzen (Abhängigkeiten) zwischen diesen beschrieben. Komplexität zeigt sich im Finanzbereich beispielsweise durch:

  • Die Integration von Altsystemen: Die Integration neuer Technologien in bestehende IT-Infrastrukturen ist komplex und erfordert sorgfältige Planung und Umsetzung.
  • Regulatorische Anforderungen: Die Einhaltung verschiedener gesetzlicher Vorschriften und Standards in unterschiedlichen Ländern erhöht die Komplexität der digitalen Transformation.

Ambiguität

Ambiguität bedeutet Mehrdeutigkeit und die Schwierigkeit, klare und präzise Informationen zu erhalten. Diese zeigt sich z.B. durch:

  • Unklare Geschäftsmodelle: Die Digitalisierung verändert traditionelle Geschäftsmodelle, und es ist oft unklar, welche neuen Modelle langfristig erfolgreich sein werden.
  • Vielfalt an Technologien: Die Auswahl der richtigen Technologie und deren Implementierung können aufgrund der Vielzahl an verfügbaren Lösungen und deren unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten schwierig sein.

Fallbeispiel: Transformation eines grossen Detailhändlers

Ein führender Schweizer Detailhändler hat eine umfassende digitale Transformationsstrategie entwickelt und umgesetzt. Die wichtigsten Massnahmen umfassen:

  • Implementierung einer cloudbasierten Plattform: Die Migration zu einer cloudbasierten Plattform ermöglichte eine schnellere Skalierbarkeit und den Zugang zu fortschrittlichen Analysetools. Anstatt physische Server hinzuzufügen, kann das Unternehmen virtuelle Maschinen und Speicherressourcen in der Cloud nach Bedarf hoch- oder herunterfahren. Durch das Pay-as-you-go-Modell zahlt der Finanzdienstleister nur für die genutzten Ressourcen.
  • Automatisierung von Backoffice-Prozessen im Finanzbereich: Durch den Einsatz von RPA wurden repetitive Aufgaben innerhalb von nicht wertschöpfungsrelevanten Prozessen automatisiert, was zu einer signifikanten Reduktion der Bearbeitungszeiten und Fehler z.B. im Mahnwesen und Inkasso des Händlers führte.
  • Echtzeit-Datenanalyse: Die Einführung einer Echtzeit-Datenanalyseplattform ermöglichte fundiertere und schnellere Entscheidungen, z.B. durch das Erstellen benutzerfreundlicher Dashboards und Berichte, die auf Echtzeitdaten basieren.
  • Mitarbeiterqualifikation: Ein umfangreiches Schulungsprogramm wurden durchgeführt, um die digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter zu stärken. Zudem wurde ein Change-Management-Programm gestartet, das die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeitenden für die digitale Transformation fördern soll.
  • Integrierte Transformationsstrategie: Eine ganzheitliche und integrierte Transformationsstrategie wurde entwickelt, an der sich alle Teilprojekte gemäss ihren Prioritäten orientieren, und so wird eine koordinierte Strategieumsetzung erreicht.
  • Pilotprojekte: Mit der Durchführung eines ersten Pilotprojekts wurden neue Technologien und Prozesse zunächst im überschaubaren Rahmen getestet und optimiert, bevor in einem anschliessenden Roll-out weitere Einheiten in den Implementierungsprozess integriert wurden.
  • Enge Kooperation mit externen Experten: Die Zusammenarbeit mit Technologieanbietern und externen Beratern sicherte den Zugang zu Erfahrungswissen bei fehlenden internen Ressourcen.

Nutzeffekte bei erfolgreicher Umsetzung der digitalen Transformation

Die folgenden Nutzeffekte konnten durch die (digitale) Transformation des Finanzbereichs erzielt werden:

Effizienzsteigerung

  • Automatisierung von Prozessen: Die Automatisierung repetitiver und manueller Aufgaben kann die Effizienz steigern, Fehler reduzieren und Mitarbeiter für wertschöpfendere Tätigkeiten freisetzen. Digitale Werkzeuge und Technologien wie Robotic Process Automation (RPA) ermöglichen die Automatisierung regelbasierter, repetitiver und zeitaufwendiger Aufgaben. Dies reduziert Fehler, senkt Kosten und erhöht die Effizienz und Produktivität im Finanzbereich.
  • Schnellere Entscheidungsfindung: Durch den Einsatz von Datenanalysen und künstlicher Intelligenz (KI) können Finanzabteilungen schneller und präziser fundierte Entscheidungen treffen. Echtzeit-Datenzugriff und Analysen verbessern die Reaktions- und Anpassungsfähigkeit.
  • Kostenreduktion: Unternehmen sollten ihre bestehenden Finanzprozesse analysieren und optimieren, um ineffiziente Abläufe zu identifizieren und zu verbessern. Durch den Einsatz digitaler Technologien können operative Kosten gesenkt werden, etwa durch reduzierte manuelle Arbeit, geringeren Platzbedarf für physische Archive und effizientere Ressourcennutzung.

Verbesserung der Datenqualität und Datensicherheit

  • Datenintegrität und Genauigkeit: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Datenquellen integriert und konsolidiert sind, um eine umfassende und genaue Datenanalyse zu ermöglichen. Digitale Systeme verbessern die Qualität und Genauigkeit der Daten, indem sie menschliche Fehler minimieren und standardisierte Prozesse implementieren. Zusätzlich ermöglichen sie, Daten in Echtzeit zu analysieren und so schnellere, datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
  • Cybersecurity: Die digitale Transformation beinhaltet auch die Implementierung fortschrittlicher Sicherheitsmaßnahmen, um Finanzdaten zu schützen und den Anforderungen an Datenschutz und Compliance gerecht zu werden.

Verbesserte Transparenz, Kundenorientierung und Kommunikation

  • Transparenz und Nachverfolgbarkeit: Durch digitale Lösungen können Finanztransaktionen und Berichte transparenter gestaltet und leichter nachvollziehbar gemacht werden. Dies stärkt das Vertrauen von Stakeholdern und verbessert die Compliance.
  • Kommunikation: Cloudbasierte Plattformen und kollaborative Tools fördern eine bessere Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb der Finanzabteilung und mit anderen Unternehmensbereichen.
  • Kundenzentrierung: Eine digitale Transformation ermöglicht es, Finanzdienstleistungen besser an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten und personalisierte Dienstleistungen anzubieten, was die Kundenzufriedenheit und -bindung erhöht.

Compliance und regulatorische Anforderungen

  • Erfüllung regulatorischer Anforderungen: Digitale Systeme unterstützen die Einhaltung komplexer regulatorischer Anforderungen durch automatisierte Berichterstattung und Datenverfolgung, was die Gefahr von Compliance-Verstössen mindert.

Erfolgsfaktoren und Lessons Learned

  • Klare Vision und Strategie: Eine erfolgreiche Umsetzung bedingt stets eine klare Vision und Strategie: Finanzverantwortliche sollten eine klare Vision und Strategie für die (digitale) Transformation ihres Bereichs entwickeln, die auf ihren spezifischen Geschäftsanforderungen und Zielen basiert.
  • Managementunterstützung: Die Unterstützung und das Engagement des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sind von kritischer Bedeutung für die Genehmigung der notwendigen Investitionen und die zielorientierte Lenkung und Umsetzung des Transformationsprojekts.
  • Technologische Infrastruktur: Finanzbereiche müssen in moderne und skalierbare IT-Infrastrukturen investieren, die die Integration neuer Technologien ermöglichen. Dies wird zunehmend durch Cloud-Lösungen umgesetzt, mittels derer Flexibilität, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz sowie der Zugang zu fortschrittlichen Technologien wie KI und Big Data erreicht werden.
  • Datensicherheit und Datenschutz: Es ist wichtig, robuste Sicherheitsmassnahmen und Datenschutzrichtlinien zu implementieren, um das Risiko von Cyberangriffen und Datenverlusten zu minimieren. Beispielsweise könnten generative KI-Modelle, insbesondere solche, die in der Cloud gehostet werden oder von Drittanbietern stammen, sensible bzw. vertrauliche Informationen wie Kundennamen, Adressen unbeabsichtigt oder absichtlich preisgeben.
  • Mitarbeiterqualifikation und -engagement: Durch Schulung und Weiterbildung gilt es, die erforderlichen digitalen Kompetenzen zu entwickeln. Zudem ist ein effektives Change-Management entscheidend, um die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeiter für die digitale Transformation und eine Kultur der Zusammenarbeit und Innovation zu fördern. Die Einführung agiler Methoden kann hierbei helfen, schneller auf Veränderungen zu reagieren und die Umsetzung des Transformationsprojekts zu beschleunigen.
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