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Rückstellungen: Handelsrechtliche Vorschriften und die steuerrechtlichen Möglichkeiten

Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist die Grundlage für die Rechenschaftsablage gegenüber den Eigentümern. Dieser Abschluss stellt in der Schweiz gleichzeitig auch die Grundlage für die Steuerermittlung dar (sogenannte duale Verwendung der Jahresrechnung). Aus diesem Grunde ist bei der Abschlusserstellung die Beachtung der handelsrechtlichen, aber auch der steuerlichen Anforderungen wichtig.

13.11.2023 Von: Hanspeter Baumann, Lukas Kretz
Rückstellungen

Einleitung

Am 1.1.2013 setzte der Bundesrat das neue Rechnungslegungsrecht (nRLR) in Kraft. Ursprünglich wurde mit der Revision des nRLR angestrebt, einen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu ermöglichen, eine Rechnungslegung nach «true and fair view». Der Gesetzgeber hingegen hielt an der eidgenössischen Tradition, den Unternehmungen weiterhin die Bildung von stillen Reserven zu ermöglichen, fest.

Das nRLR ist bis zu einem gewissen Grad widersprüchlich. Einerseits wird die Ermöglichung eins «zuverlässigen Urteils» über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verlangt (Art. 958 Abs. 1 OR). Andererseits ist das Vorsichtsprinzip weiterhin der wichtigste Grundsatz bei der Rechnungslegung und stille Reserven sind de facto in fast unbeschränkter Höhe möglich.

Unternehmen können stille Reserven auf der Aktivseite bilden (z.B. Delkredere, Warendrittel, nichtbetriebsnotwendige Abschreibungen). Auf der Passivseite können stille Reserven vor allem im Rahmen von Rückstellungen gebildet werden.

Mittels Steueroptimierung wird die Erhaltung der erarbeiteten Mittel für betriebliche Zwecke angestrebt. Insbesondere bei der operativen Steuerplanung ist die Bildung von stillen Reserven ein zentrales Thema. Diese dienen im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Steuerung des ausgewiesenen und somit zu versteuernden Unternehmungsergebnisses.

Um die steuerrechtlichen Möglichkeiten zu verstehen, ist das Verständnis der handelsrechtlichen Grundlagen Voraussetzung. Zuerst sind immer die handelsrechtlichen Erfordernisse zu erfüllen und erst dann kommt die Steueroptimierung. Aus diesem Grunde befassen wir uns zuerst mit den Vorschriften des nRLR zu den Rückstellungen und anschliessend mit dem Steuerrecht und dem Verhältnis zwischen Handels- und Steuerrecht.

Begriffsdefinitionen

Umgangssprachlich wird die Bezeichnung «Rückstellungen» für diverse Sachverhalte verwendet, welche jedoch keine Rückstellungen im Sinne der nachstehenden Definition sind. Aus diesem Grunde sind die unterschiedlichen Begriffe verständlich zu definieren. Dazu kommt, dass im Steuerrecht «Rückstellungen» existieren, welche in dieser Höhe keine handelsrechtliche Verbindlichkeit darstellen.

Überblick

Kreditoren bzw. Verpflichtungen aus Lieferungen und Leistungen liegen vor, wenn zum Abschlusstag eine Rechnung bei der bilanzierenden Unternehmung vorliegt. In diesem Falle ist der Betrag genau bekannt.

Passive Rechnungsabgrenzungen müssen verbucht werden, wenn ein Betrag geschuldet ist, aber noch keine Rechnung vorliegt. In der Regel kann die Verpflichtung mehr oder weniger präzise beziffert werden.

Rückstellungen sind Passivierungen für Verbindlichkeiten, die mit einer Ungewissheit hinsichtlich des Betrags und/oder des Zeitpunkts ihrer Fälligkeit belastet sind. Es ist ungewiss, ob eine Forderung gegenüber der bilanzierenden Unternehmung erhoben wird. Beispiel dafür sind Verpflichtungen aus Gewährleistung. Es ist zum Abschlusszeitpunkt nicht bekannt, ob ein Garantiefall eintritt und was der Schaden kosten wird.

Es gibt aber noch weitere Begriffe, welche zu definieren sind. Wertberichtigungen und Rückstellungen sind klar zu unterscheiden. Umgangssprachlich werden beispielsweise absehbare Verluste aus Debitoren als «Delkredere-Rückstellungen» bezeichnet. Das Delkredere stellt aber im Gegensatz zu den Rückstellungen ein «Minusaktiv-Konto» und kein Fremdkapital dar.

Wertberichtigungen sind Wertkorrekturen, welche sich auf Vermögenseinbussen bei Aktivpositionen beziehen, und keine Rückstellungen für Verbindlichkeiten. Neben dem Delkredere sind Wertberichtigungen für Beteiligungen, für WIR-Guthaben oder für Darlehen zu erwähnen. Die Wertberichtigungen sind nicht Gegenstand dieses Artikels.

Passive Rechnungsabgrenzungen sind demgegenüber zeitliche und sachliche Abgrenzungen von Aufwandpositionen, welche dazu dienen, den korrekten Periodenerfolg auszuweisen. Eine Rechnung liegt noch nicht vor, jedoch ist die Höhe der Verpflichtung ohne weiteres abschätzbar und die Verpflichtung ist im Normalfall unbestritten. Beispiele dafür sind die Rechnung der Revisionsstelle, Steuern und zu bezahlende Provisionen. Oder aber es wurden z.B. Einzahlungen bereits vereinnahmt, die dazugehörende Leistung wurde jedoch noch nicht erbracht (z.B. erhaltene Vorauszahlung von Mieten, welche dem neuen Jahr gutzuschreiben sind).

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Unterscheidung von Rückstellungen und passiven Rechnungsabgrenzungen nicht immer eindeutig ist und die Übergänge fliessend sind. Dazu kommt, dass umgangssprachlich oft von Rückstellungen gesprochen wird, auch wenn es sich im Wesen um zeitliche oder sachliche Abgrenzungen handelt.

Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, die Position «Passive Rechnungsabgrenzungen und kurzfristige Rückstellungen» einzuführen, wie es im Handbuch der Wirtschaftsprüfung (HWP)1) oder im KMU-Kontenrahmen2) vorgeschlagen wird.

Passive Rechnungsabgrenzungen und kurzfristige Rückstellungen sind Verbindlichkeiten, welche voraussichtlich innerhalb eines Jahres ab Bilanzstichtag oder während eines normalen Geschäftszyklus zur Zahlung fällig werden. Es handelt sich somit um kurzfristiges Fremdkapital. Rückstellungen für Positionen, welche voraussichtlich erst nach einem Jahr zu einem Mittelabfluss führen, stellen dagegen langfristiges Fremdkapitaldar (Art. 959 Abs. 6 OR).

Das Vierstufensystem für Verbindlichkeiten

Ein gutes Modell, um das Wesen der Verbindlichkeiten zu verstehen, ist das Vierstufensystem der Verbindlichkeiten nach Peter Böckli3):

  1. Kein Vermerk in der Jahresrechnung: Die Existenz einer Verpflichtung ist zwar möglich, aber es besteht nur eine entfernte Möglichkeit und ein Mittelabfluss ist äusserst unwahrscheinlich. In diesem Falle ist weder eine Verbuchung in der Jahresrechnung noch ein Hinweis im Anhang erforderlich.
  2. Vermerk als Eventualverbindlichkeit im Anhang: Ein künftiger Mittelabfluss ist durchaus möglich, aber entweder unwahrscheinlich oder – obgleich wahrscheinlich – nicht genügend verlässlich abschätzbar. Es liegt eine Eventualverbindlichkeit vor. Eventualverbindlichkeiten sind im Anhang offenzulegen. Eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen und eine Angabe über den Grad der Ungewissheit hinsichtlich des Betrages und des Zeitpunktes des möglichen Geldabflusses würde dem Gebot der Klarheit entsprechen; Art. 959c Abs. 2 Ziff. 10 OR verlangt jedoch keine Offenlegung dieser Sachverhalte.
  3. Erfassung als Rückstellung: Falls der Mittelabfluss wahrscheinlich ist und verlässlich genug geschätzt werden kann, ist eine Rückstellung in die Bilanz einzustellen.
  4. Erfassung als Schuld: Falls eine Schuld besteht, ist diese zum Nennwert zu verbuchen (Art. 960e Abs. 1 OR).

Nicht jede potenzielle Verbindlichkeit ist somit bilanzierungspflichtig. Falls nur eine entfernte Möglichkeit besteht, einen Schaden zu erleiden, ist keine Verbuchung erforderlich. Falls ein Mittelabfluss unwahrscheinlich ist, ist eine Eventualverbindlichkeit im Anhang auszuweisen.

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