Digitale Ablage: Chancen und Herausforderungen der digitalen Archivierung

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Die digitale Ablage
Ab 1976 enthielt das OR erste Bestimmungen, dass Buchhaltungsunterlagen nicht nur auf Papier aufbewahrt werden können, sondern auch auf Bild- und Datenträgern. Die damals modernen Speichermedien waren Magnetbänder und Mikrofilme.
Wegen der technischen Weiterentwicklung wurde per 1. Juni 2002 eine weitere Änderung des Gesetzes notwendig, um auch die neu hinzugekommenen Speichermedien wie z. B. eine CD-ROM zu benutzen. Die neu geschaffene Geschäftsbücherverordnung (Ge- BüV) enthielt dazu u. a. Details zu technischen Anforderungen einer Ablage. Seither verlangt
- Art. 9 GeBüV bei digital abgelegten Daten z. B. einen Zeitstempel und eine digitale Signatur,
- Art. 3 GeBüV, dass keine Änderungen an Daten vorgenommen werden können, ohne dass sich dies feststellen lässt,
- Art. 8 GeBüV, dass Zugriffe und Zutritte aufzuzeichnen sind (dies gilt auch für ein Archiv in Papierform!).
Zulässige Ablageart gemäss GeBüV
Betrachtet man den Art. 9 GeBüV im Detail, so lässt diese Bestimmung die Aufbewahrung auf unveränderbare und auf veränderbare Informationsträger zu.
Als unveränderbare Informationsträger werden als Beispiele Papier, Bildträger und unveränderbare Datenträger genannt. Papier dürfte für ein KU oder KMU der am einfachsten zu nutzende Informationsträger sein. Bereits bei einem unveränderbaren Datenträger wie z. B. einer CD (eine CD-RW wäre veränderbar) stellte sich jedoch die Frage, wie lange diese lesbar bleibt. Je nach Unternehmen müssen Daten länger als die allgemein genannten zehn Jahre aufbewahrt werden. Bei optierten Liegenschaften verlangt die MWST eine Aufbewahrung während 20 Jahren (plus fünf Jahre Verjährungsfrist). Will man eine Margenbesteuerung geltend machen, so ist die Aufbewahrungsdauer unbefristet, d.h. bis man den Beleg irgendwann einmal braucht.
Bei der Aufbewahrung auf Papier benötigt es einen vor schädlichen Einwirkungen und vor Einblick durch Unberechtigte geschützten Ort, um die sich anhäufenden Papiermengen geordnet auf viele Jahre hinaus aufzubewahren. Bei z. B. Thermoquittungen stellt sich die Herausforderung, dass das Papier auch in vielen Jahren noch lesbar sein muss. Aus Kostensicht ist zu beachten, dass Archivraum nicht gratis ist. Auf veränderbaren Informationsträgern darf aufbewahrt werden, wenn durch z. B. Signaturverfahren und Zeitstempel die Integrität der gespeicherten Informationen und der Zeitpunkt der Speicherung unverfälschbar nachweisbar sind.
Digitale Ablage: Vor- und Nachteile
Vorteil der digitalen Ablage: Es braucht bedeutend weniger Archivraum, zudem kann mittels Log-Protokoll problemlos nachvollzogen werden, wer auf ein File zugegriffen hat.
Nachteil: die Kosten für eine gesetzeskonforme digitale Ablage. Eine digitale Signatur benötigt einen entsprechenden Vertrag mit einem Dienstleister, damit auch noch in ferner Zukunft jederzeit die Originalqualität eines Files bestätigt werden kann. Zudem benötigt es eine Infrastruktur, mit und in der die laufend anfallenden Belege in korrekter Form gespeichert werden. Statt Kosten für den Archivraum fallen nun Kosten für die Signatur und Kosten für einen sicheren digitalen Speicherort an. Bei kleineren Unternehmen werden zusätzliche Kosten für die IT-Unterstützung anfallen, damit die Anforderungen der GeBüV erfüllt werden.
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Aufbewahrungspflicht bei digitalen Buchungsbelegen
Buchungsbelege müssen gemäss Art. 958f OR während zehn Jahren aufbewahrt werden. Die Frist beginnt jeweils mit dem Ende des Geschäftsjahres. Für Geschäftsbericht und Revisionsbericht braucht es je ein unterschriebenes, physisches Original.
Geschäftsbücher und Belege können elektronisch archiviert werden – unter der Bedingung, dass sie mit den tatsächlichen Geschäftsvorfällen übereinstimmen und jederzeit lesbar gemacht werden können. Für die digitale Ablage gelten zusätzliche Vorgaben gemäss GeBüV.
Unveränderbare Datenträger wie eine schreibgeschützte CD oder DVD sind zulässig, solange klar erkennbar ist, ob Daten verändert oder gelöscht wurden. Wichtig ist: Die Unterlagen müssen bei Bedarf innert nützlicher Frist prüfbar sein – inklusive der nötigen Hard- und Software.
Nicht jedes Dateiformat eignet sich gleich gut für die Langzeitarchivierung. Formate wie PDF/A sind dafür standardisiert und werden von den meisten Buchhaltungsprogrammen unterstützt.
Wer veränderbare Datenträger oder Cloud-Speicher nutzt, muss zusätzliche Massnahmen treffen. Dazu gehören digitale Signaturen, Zeitstempel sowie nachvollziehbare Protokolle über Zugriffe und Änderungen. Ohne solche Nachweise gilt die Integrität der Daten im Zweifel als nicht gesichert. Für diese Anforderungen gibt es spezialisierte Softwarelösungen.
Elektronische Signaturen in der digitalen Ablage
Die Nutzung elektronischer Signaturen bei der Übermittlung und Archivierung digitaler Belege richtet sich nach Artikel 122 MWSTV und Artikel 957a OR.
Die rechtliche Grundlage liefert das Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES). Eine qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem anerkannten Zertifikat basiert, ist einer handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt (Art. 14 Abs. 2bis OR). Für die Mehrwertsteuer verlangt die ESTV jedoch keine qualifizierte elektronische Signatur gemäss ZertES. Auch eine einfache elektronische Signatur durch eine natürliche Person ist nicht zwingend.
Für den Nachweis der Echtheit (Authentizität) und Unverändertheit (Integrität) eines Dokuments eignen sich auch fortgeschrittene Signaturen oder elektronische Siegel gemäss Artikel 2 Buchstaben c und d ZertES.
Signaturprüfung
Bei digitaler Verarbeitung ist eine automatisierte, systematische Prüfung empfehlenswert. In allen anderen Fällen reicht eine situationsbezogene Prüfung, sofern sie im nötigen Umfang erfolgt und dokumentiert ist.
Der Stichprobenumfang sollte so gewählt werden, dass systematische Fehler erkannt werden können – es braucht aber keine grosse Anzahl gleichartiger Fälle. Entscheidende Faktoren für die Festlegung sind:
- Art der Lieferantenbeziehung
- Übermittlungsweg
- Gültigkeit und Zulässigkeit des verwendeten Zertifikats
Die Signaturprüfung ist eine Momentaufnahme. Sie sollte nicht nur beim Eingang der Daten erfolgen, sondern auch bei der Archivierung, bei einer Migration auf andere Speichermedien oder bei regelmässiger Prüfung der Lesbarkeit – und das bis zum Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist. Der gewählte Stichprobenumfang sollte dokumentiert sein.
Dateiformate – was sich eignet
Empfohlen sind Formate mit strukturierten, maschinenlesbaren Inhalten. Sie ermöglichen eine effiziente, automatisierte Verarbeitung auf Empfängerseite.
Andere Formate sind zulässig, wenn:
- sie sich korrekt aus der Finanzbuchhaltung auswerten lassen, und
- sichergestellt ist, dass sie keine dynamischen Inhalte enthalten.
Elektronische Rechnungsstellung
Beim Ausstellen von Rechnungen sind bestimmte gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Eine korrekt ausgestellte Kreditoren- bzw. Aufwandsrechnung, die den Anforderungen der Mehrwertsteuer entspricht, ist in der Regel Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Deshalb sollte man vom Lieferanten immer eine vollständige, formgerechte Rechnung verlangen.
Eine Rechnung muss grundsätzlich folgende Angaben enthalten:
- Name und Adresse des Lieferanten sowie seine MWST-Nummer (seit 2014: UID mit Zusatz "MWST"),
- Name und Adresse des Empfängers (bei Quittungen ab CHF 400),
- Datum der Lieferung oder Leistung (falls nicht gleich wie das Rechnungsdatum),
- genaue Beschreibung der Lieferung oder Dienstleistung,
- Preis der Leistung bzw. Lieferung,
- ausgewiesener MWST-Satz und MWST-Betrag (sofern nicht im Preis enthalten),
- Signatur (Details siehe unten).
Digitale Signatur: Keine Pflicht, aber hilfreich
Für Unternehmen ist es zentral, die Echtheit und Unverändertheit von Rechnungen nachweisen zu können – unabhängig davon, ob diese auf Papier oder elektronisch vorliegen. Bei elektronischen Rechnungen lässt sich dies am zuverlässigsten mit einer digitalen Signatur belegen. Diese schützt vor späteren, nicht erkennbaren Änderungen.
Fehlt die digitale Signatur, ist die Echtheit der Rechnung nicht automatisch gewährleistet. Trotzdem kann der Vorsteuerabzug möglich sein – sofern andere Belege (z. B. Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Zahlungsnachweise) den Vorgang ausreichend dokumentieren. Ob diese Nachweise genügen, muss im Einzelfall beurteilt werden.
Wichtig ist, dass die Buchhaltung den Anforderungen nach Art. 957a OR sowie den Vorgaben der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) entspricht. Dann sind die steuerrelevanten Sachverhalte in der Regel ausreichend belegt.
IKS als Nachweisinstrument
Ein internes Kontrollsystem (IKS) kann ebenfalls als Nachweis dienen – vorausgesetzt, es ist so aufgebaut, dass die Verbindung zwischen elektronischer Rechnung und tatsächlicher Leistung lückenlos nachvollziehbar ist. Das IKS muss sicherstellen, dass sowohl die Herkunft als auch der Inhalt des Belegs verlässlich sind. Ob das System diese Anforderungen erfüllt, ist ebenfalls fallweise zu prüfen. Nicht jedes IKS erfüllt diese Bedingungen automatisch, die Qualität und Konzeption sind entscheidend.
Neue Herausforderung: Aufbewahrung von Unterlagen zur nichtfinanziellen Berichterstattung
Ein Bericht über nichtfinanzielle Belange gibt Rechenschaft über Umweltbelange, über Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption. Art. 964c, 964h und 964l OR verweisen mit Bezug auf die Aufbewahrung auf die Aufbewahrungspflicht für Buchhaltungsunterlagen. Diese nichtfinanzielle Berichterstattung betrifft zwar auf den ersten Blick nur grössere Unternehmen, aber bei der Dokumentation einer Lieferkette werden auch kleinere Zulieferanten Daten an ihren grossen Kunden übermitteln müssen.
Diese Grossunternehmen müssen die entsprechenden Berichte aufbewahren, sowie auch die Belege, die Grundlage zu diesen Berichten sind. Denkbar sind z. B.
- Satellitenfotos, um den Zustand eines Gebiets im Umkreis einer Mine aufzuzeigen,
- Drohnenaufnahmen, um eine Abholzung und Wiederaufforstung zu belegen,
- Zertifikate, welche bestätigen, dass keine Kinderarbeit involviert ist (wobei diese je nach Korruptionsindex des jeweiligen Landes allein noch nicht aussagekräftig sein könnten),
- Bestätigungen von zertifizierten Händlern bei möglichen Konfliktmineralien,
- etc.
HINWEIS: Es geht somit nicht mehr nur um die Ablage von Buchungsbelegen. Die Anforderungen daran, was aufbewahrt wird und wie dessen Originalqualität bestätigt werden kann, geht weit darüber hinaus (RAW-Format bei Fotos, weil ein JPG bereits manipuliert sein könnte?).
Digitale Ablage: Ein Fazit
Die digitale Ablage stellt Unternehmen vor diverse Entscheidungen: Welche Dokumente dürfen oder müssen digital aufbewahrt werden? Welche technischen und organisatorischen Anforderungen gelten? Und wie lassen sich Nachvollziehbarkeit und Integrität rechtssicher gewährleisten – insbesondere bei veränderbaren Datenträgern? Für die Praxis bedeutet das, dass Prozesse sauber dokumentiert werden müssen, Zugriffskontrollen eingeführt und gegebenenfalls Signatur- oder Zeitstempelverfahren eingesetzt werden müssen. Die gesetzlichen Vorgaben lassen dabei bewusst Spielraum – dieser sollte jedoch mit Sorgfalt genutzt werden, um spätere Konflikte mit Steuer- oder Revisionsbehörden zu vermeiden.