Rechnungslegungsstandard: Ist die Wahl des richtigen Standards wirklich eine Kostenfrage?

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Rechnungslegungsstandard Swiss GAAP FER statt IFRS
Mehrere börsenkotierte Schweizer Unternehmen haben sich in den letzten Jahren für einen Wechsel von IFRS zu Swiss GAAP FER entschieden. Grund dafür war vor allem die hohe Komplexität der internationalen Standards – verbunden mit einem deutlich höheren Aufwand und steigenden Kosten. Der potenzielle Reputationsgewinn durch eine Kotierung im Hauptsegment der SIX Swiss Exchange wog für viele Unternehmen weniger schwer als der operative Nutzen einer schlankeren, praxisnäheren Rechnungslegung. Der damit verbundene Wechsel ins Nebensegment wurde in Kauf genommen.
Wechsel Rechnungslegungsstandard
Einzelne Unternehmen im Hauptsegment der SIX Swiss Exchange haben sich entgegen der bisherigen Vorgabe entschieden, ihre Finanzberichterstattung auf Swiss GAAP FER umzustellen. Dies war insofern bemerkenswert, als die Rechnungslegung nach Swiss GAAP FER ursprünglich nur für das Nebensegment vorgesehen war. Für das Hauptsegment verlangte die SIX bislang die Anwendung von IFRS oder US GAAP. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Regulierungspraxis auf und zeigt, dass sich die Anforderungen an Transparenz und Vergleichbarkeit auch mit nationalen Standards erfüllen lassen:
IFRS | US GAAP | Swiss GAAP FER | |
---|---|---|---|
Emittenten von Beteiligungsrechten: | |||
Main Standard | x | x | |
Standard für Investmentgesellschaften | x | x | |
Standard für Immobiliengesellschaften | x | x | |
Domestic Standard | x | x | x |
Emittenten von ausschliesslich Forderungsrechten | x | x | x |
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Rechnungslegung reduziert das Problem ungleich verteilter Informationen
Unternehmenspublizität bzw. Rechnungslegungspublizität stellt gemäss Art. 716a Abs. 1 Nr. 6 OR eine unübertragbare und entziehbare Aufgabe des Verwaltungsrats gegenüber den Anspruchsgruppen einer Unternehmung dar. So sollte die Rechnungslegung dazu beitragen, dass die besser informierten Leitungsorgane der Unternehmung vor allem die risikotragenden Eigen- und Fremdkapitalgeber regelmässig mit entscheidungsnützlichen Informationen über den Zustand der Unternehmung versorgen, so dass die existierende asymmetrische Informationsverteilung reduziert wurde. Einen Überblick über die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen an die Rechnungslegungspublizität zeigt die nachfolgende Tabelle 2:
Gruppen von Abschlussadressaten | Interessen an der Rechnungslegung |
---|---|
Investoren und ihre Berater | - Beurteilung, ob sie kaufen, halten oder veräussern sollen - Beurteilung der Fähigkeit eines Unternehmens zur Dividendenausschüttung |
Arbeitnehmer | - Beurteilung der Fähigkeit eines Unternehmens zur Zahlung von Löhnen und Gehältern sowie von Altersvorsorgeleistungen und zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen |
Kreditgeber | - Beurteilung, ob ihre Darlehen und die damit verbundenen Zinsen bei Fälligkeit gezahlt werden |
Lieferanten und andere Gläubiger | - Beurteilung, ob die ihnen geschuldeten Beiträge bei Fälligkeit gezahlt werden - Informationen über die Fortführung eines Unternehmens |
Kunden | - Informationen über die Fortführung eines Unternehmens |
Regierungen und ihre Institutionen | - Regulierung der Tätigkeiten eines Unternehmens - Festlegung der Steuerpolitik - Informationen als Grundlage für Statistiken |
Öffentlichkeit | - Informationen über die Tendenzen und jüngsten Entwicklungen der Prosperität eines Unternehmens sowie über seine Tätigkeitsbereiche |
Quelle: Maier, A: Rahmenkonzept zur Abwägung von Kosten und Nutzen im Standardsetzungsprozess der internationalen Rechnungslegung
Kosten der Rechnungslegung
Durch die Wahl des Rechnungslegungsstandards wird immer auch ein gewisses Ausmass an Komplexität zur Regeleinhaltung abgebildet. Je nach Komplexität des gewählten Rechnungslegungsstandards resultiert für das publizierende Unternehmen direkte (Transaktions-)Kosten, die mit der Informationsbereitstellung und Kommunikation zusammenhängt (Maier):
- Kosten zur Erfassung und Aufbereitung von Informationen
- Prüfungskosten
- Verbreitungskosten
Die Messung von Komplexität im Zusammenhang mit der Rechnungslegungspublizität ist allerdings nicht unmittelbar möglich. Als möglicher Indikator kann die Entwicklung des seitenmässigen Umfangs der Geschäftsberichte über die Zeit sein.
Fazit zu Rechnungslegungsstandard
Die Entscheidung für oder gegen einen Rechnungslegungsstandard wird oft mit dem damit verbundenen Aufwand begründet. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Transaktionskosten rund um die Informationsaufbereitung.
Alternativ werden die mit der Wahl eines bestimmten Rechnungslegungsstandards verbundenen Kosten auch durch den Umfang und die Komplexität der Rechnungslegungspublizität deutlich. Wählt man den Seitenumfang des Geschäftsberichts als Indikator für Komplexität (und damit verbundene Kosten), so zeigt sich am Beispiel der hier gewählten Unternehmen tatsächlich ein Unterschied zwischen IFRS- und Swiss GAAP FER-Bilanzierern.
Referenzen: Kelterborn, K./Bachofen-Keller, S.: Swiss GAAP FER – Ein optimaler Rechnungslegungsstandard: Warum Conzzeta Swiss GAAP FER einsetzt und wie sie die Rechnungslegungsnormen umsetzt; Pfaff, D./Hermann, R.: Beweggründe für den Wechsel von IFRS auf Swiss GAAP FER; SIX: Richtlinie betr. Rechnungslegung, www.six-exchange-regulation.com