Rechnungslegungsstandard: Ist die Wahl des richtigen Standards wirklich eine Kostenfrage?

Zwischen IFRS, Swiss GAAP FER und US GAAP stehen Unternehmen vor der Frage, welcher Standard zum Geschäftsmodell passt. Neben den Kosten müssen auch die Erwartungen der Anspruchsgruppen berücksichtigt werden. Dieser Beitrag, welche Aspekte bei der Wahl von einem Rechnungslegungsstandard berücksichtigt werden müssen.

27.03.2025 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Rechnungslegungsstandard

Rechnungslegungsstandard Swiss GAAP FER statt IFRS

Mehrere börsenkotierte Schweizer Unternehmen haben sich in den letzten Jahren für einen Wechsel von IFRS zu Swiss GAAP FER entschieden. Grund dafür war vor allem die hohe Komplexität der internationalen Standards – verbunden mit einem deutlich höheren Aufwand und steigenden Kosten. Der potenzielle Reputationsgewinn durch eine Kotierung im Hauptsegment der SIX Swiss Exchange wog für viele Unternehmen weniger schwer als der operative Nutzen einer schlankeren, praxisnäheren Rechnungslegung. Der damit verbundene Wechsel ins Nebensegment wurde in Kauf genommen.

Wechsel Rechnungslegungsstandard

Einzelne Unternehmen im Hauptsegment der SIX Swiss Exchange haben sich entgegen der bisherigen Vorgabe entschieden, ihre Finanzberichterstattung auf Swiss GAAP FER umzustellen. Dies war insofern bemerkenswert, als die Rechnungslegung nach Swiss GAAP FER ursprünglich nur für das Nebensegment vorgesehen war. Für das Hauptsegment verlangte die SIX bislang die Anwendung von IFRS oder US GAAP. Diese Entwicklung wirft Fragen zur Regulierungspraxis auf und zeigt, dass sich die Anforderungen an Transparenz und Vergleichbarkeit auch mit nationalen Standards erfüllen lassen: 

 IFRSUS GAAPSwiss GAAP FER
Emittenten von Beteiligungsrechten:   
Main Standardxx 
Standard für Investmentgesellschaftenxx 
Standard für Immobiliengesellschaftenx x
Domestic Standardxxx
Emittenten von ausschliesslich Forderungsrechtenxxx

Rechnungslegung reduziert das Problem ungleich verteilter Informationen

Unternehmenspublizität bzw. Rechnungslegungspublizität stellt gemäss Art. 716a Abs. 1 Nr. 6 OR eine unübertragbare und entziehbare Aufgabe des Verwaltungsrats gegenüber den Anspruchsgruppen einer Unternehmung dar. So sollte die Rechnungslegung dazu beitragen, dass die besser informierten Leitungsorgane der Unternehmung vor allem die risikotragenden Eigen- und Fremdkapitalgeber regelmässig mit entscheidungsnützlichen Informationen über den Zustand der Unternehmung versorgen, so dass die existierende asymmetrische Informationsverteilung reduziert wurde. Einen Überblick über die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen an die Rechnungslegungspublizität zeigt die nachfolgende Tabelle 2:  

Gruppen von AbschlussadressatenInteressen an der Rechnungslegung
Investoren
und ihre Berater
- Beurteilung, ob sie kaufen, halten oder veräussern sollen
- Beurteilung der Fähigkeit eines Unternehmens zur Dividendenausschüttung
Arbeitnehmer    - Beurteilung der Fähigkeit eines Unternehmens zur Zahlung von Löhnen und Gehältern sowie von Altersvorsorgeleistungen und zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen
Kreditgeber- Beurteilung, ob ihre Darlehen und die damit verbundenen Zinsen bei Fälligkeit gezahlt werden
Lieferanten
und andere Gläubiger
- Beurteilung, ob die ihnen geschuldeten Beiträge bei Fälligkeit gezahlt werden
- Informationen über die Fortführung eines Unternehmens
Kunden- Informationen über die Fortführung eines Unternehmens
Regierungen
und ihre Institutionen
- Regulierung der Tätigkeiten eines Unternehmens
- Festlegung der Steuerpolitik
- Informationen als Grundlage für Statistiken
Öffentlichkeit- Informationen über die Tendenzen und jüngsten Entwicklungen der Prosperität eines Unternehmens sowie über seine Tätigkeitsbereiche

Quelle: Maier, A: Rahmenkonzept zur Abwägung von Kosten und Nutzen im Standardsetzungsprozess der internationalen Rechnungslegung

Kosten der Rechnungslegung

Durch die Wahl des Rechnungslegungsstandards wird immer auch ein gewisses Ausmass an Komplexität zur Regeleinhaltung abgebildet. Je nach Komplexität des gewählten Rechnungslegungsstandards resultiert für das publizierende Unternehmen direkte (Transaktions-)Kosten, die mit der Informationsbereitstellung und Kommunikation zusammenhängt (Maier):  

  • Kosten zur Erfassung und Aufbereitung von Informationen
  • Prüfungskosten
  • Verbreitungskosten  

Die Messung von Komplexität im Zusammenhang mit der Rechnungslegungspublizität ist allerdings nicht unmittelbar möglich. Als möglicher Indikator kann die Entwicklung des seitenmässigen Umfangs der Geschäftsberichte über die Zeit sein.

Fazit zu Rechnungslegungsstandard

Die Entscheidung für oder gegen einen Rechnungslegungsstandard wird oft mit dem damit verbundenen Aufwand begründet. Besonders ins Gewicht fallen dabei die Transaktionskosten rund um die Informationsaufbereitung.

Alternativ werden die mit der Wahl eines bestimmten Rechnungslegungsstandards verbundenen Kosten auch durch den Umfang und die Komplexität der Rechnungslegungspublizität deutlich. Wählt man den Seitenumfang des Geschäftsberichts als Indikator für Komplexität (und damit verbundene Kosten), so zeigt sich am Beispiel der hier gewählten Unternehmen tatsächlich ein Unterschied zwischen IFRS- und Swiss GAAP FER-Bilanzierern.

 

Referenzen: Kelterborn, K./Bachofen-Keller, S.: Swiss GAAP FER – Ein optimaler Rechnungslegungsstandard: Warum Conzzeta Swiss GAAP FER einsetzt und wie sie die Rechnungslegungsnormen umsetzt; Pfaff, D./Hermann, R.: Beweggründe für den Wechsel von IFRS auf Swiss GAAP FER; SIX: Richtlinie betr. Rechnungslegung, www.six-exchange-regulation.com

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