Leasingverträge: Bilanzierung nach OR

Die Motivation, Leasinggeschäfte in der Funktion eines Leasingnehmers zu tätigen, kann unter anderem finanzwirtschaftlich begründet werden. Der vorliegende Beitrag illustriert grundsätzlich, wie Leasingverträge gemäss Schweizer Obligationenrecht zu bilanzieren sind.

13.07.2022 Von: Prof. Dr. Marco Passardi
Leasingverträge

Leasingbilanzierung im OR

Das OR kennt keine spezifischen Bestimmungen, welche ausschliesslich die Behandlung von Leasingverträgen regeln. Art. 959 OR umschreibt in allgemeiner Art und Weise, welche Posten als Aktiven und welche als Verbindlichkeiten zu erfassen sind. Sofern die entsprechenden Merkmale der nachfolgend aufgeführten Definition insgesamt erfüllt sind, gilt, unter Beachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes respktive der unternehmensspezifischen Aktivierungsuntergrenze, eine Bilanzierungspflicht für diese Aktiven.

Die Beurteilungsgrundlage, ob das Nutzungsrecht an einem Leasinggut ein Aktivum im Sinne der erwähnten Bestimmung ist, ist Art. 959 Abs. 2 OR. Diese Bestimmung formuliert eine Aktivierungspflicht für Vermögenswerte, wenn

  • aufgrund vergangener Ereignisse
  • über sie verfügt werden kann,
  • ein Mittelzufluss wahrscheinlich ist und
  • ihr Wert verlässlich geschätzt werden kann.

Andernfalls müssen diese Beträge über die Erfolgsrechnung als Aufwand erfasst werden und unterliegen einem Bilanzierungsverbot.

Die aus einem Leasingverhältnis resultierenden Verpflichtungen stellen aus bilanzieller Sicht, sofern es zur Aktivierung eines Leasingguts kommt, Fremdkapital dar. Nach Art. 959 Abs. 5 OR müssen Verbindlichkeiten dann passiviert werden, wenn sie

  • durch vergangene Ereignisse verursacht wurden,
  • ein Mittelabfluss in der Zukunft wahrscheinlich ist und
  • die damit verbundene Höhe zuverlässig geschätzt werden kann.

Zur Auslegung dieser nicht auf Leasing speziell fokussierten Ausführungen kann in der Praxis unter anderem das «Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung» (HWP) von EXPERTsuisse (ehemals Schweizer Treuhandkammer) verwendet werden. Dieses stellt sich auf den Standpunkt, dass eine Aktivierung von Leasinggütern keine auf Art. 959 Abs. 2 OR gestützte Pflicht ist, sondern ein Wahlrecht darstellt.

Andere Autoren sprechen sich, im Gegensatz dazu, dafür aus, dass Leasingverträge grundsätzlich immer zu bilanzieren seien und kein Wahlrecht besteht. Wiederum andere Autoren übernehmen (indirekt) die Differenzierung des IAS 17 respektive Swiss GAAP FER 13, indem sie die OR-Bestimmungen so auslegen, dass Financial-Leasing-Verträge einer Bilanzierungspflicht unterliegen, während Operating Leasing nicht bilanzierungsfähig sei.

Sofern es zu einer Erfassung des Leasingvertrags kommt, sind sowohl die Vermögenswerte (Leasingaktiven) als auch die Leasingverbindlichkeiten zu erfassen; eine nur aktiv- respektive passivseitige Bilanzierung ist nicht möglich.

Im obligationenrechtlichen Anhang ist zudem gemäss Art. 959c Abs. 2 Ziff. 6 OR die (nicht diskontierte) Summe der ausstehenden Leasingverbindlichkeiten offenzulegen. Davon abgewichen werden kann dann, wenn das Leasingverhältnis aktiv- und passivseitig bilanziert ist. Auf eine Offenlegung kann in diesem Fall verzichtet werden, auch wenn die Bilanz die diskontierten Leasingverbindlichkeiten abbildet und somit nicht exakt der für nicht bilanzierte Leasingverträge massgeblichen Grösse folgt.

Über die Punkte der Leasingbilanzierung nach IFRS 16 informiert Sie der Beitrag Leasingbilanzierung.

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