Unternehmerische Tätigkeit: Vielfältiger Spielraum bei der Definition
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Zentrale Stellung des Unternehmensbegriffs
Der Begriff «Unternehmen» nimmt im schweizerischen Mehrwertsteuersystem eine zentrale Stellung ein. Er bildet die grundsätzliche Tatbestandsvoraussetzung für die Definition der Steuerpflicht (Art. 10 Abs. 1 MWSTG) und die damit zusammenhängende Geltendmachung des Vorsteuerabzugs (Art. 28 Abs. 1 MWSTG). Oberstes Ziel war es, den unternehmerischen Bereich frei von jeglicher steuerlicher Belastung zu halten, mit Ausnahme derjenigen Fälle, in welchen eine solche Belastung ausdrücklich vom Gesetz angeordnet wird. Die «Taxe occulte» soll auf die Steuerausnahmen und die Subventionen beschränkt sein.
Erstaunlicherweise wurde der Unternehmensbegriff nicht in den Definitionsartikel (Art. 3 MWSTG) aufgenommen. Die erforderlichen Elemente für die Qualifizierung als Unternehmen wurden zwar im Gesetz definiert, doch ist diese Definition sehr offen gehalten, und eine eindeutige Umschreibung fehlt.
Dadurch entsteht ein grosser Spielraum für Interpretationen.
Die Elemente des Unternehmensbegriffs
Der Begriff des «Unternehmens» erfüllt im Mehrwertsteuerrecht vor allem zwei Funktionen: die Abgrenzung der unternehmerischen Tätigkeit von der nicht unternehmerischen Tätigkeit und die Zuordnung der unternehmerischen Tätigkeit zur steuerpflichtigen Person. Es sollte nicht vergessen werden, dass der Belastungsgrund der Mehrwertsteuer in der Verwendung von Einkommen zu konsumtiven Zwecken liegt.
Das Ziel der Besteuerung ist demnach der inländische Konsum von Gegenständen und Dienstleistungen. Dies wird als Besteuerungszweck in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 MWSTG ausdrücklich genannt: «Die Steuer bezweckt die Besteuerung des nicht unternehmerischen Endverbrauchs im Inland.» Daraus lässt sich ableiten, dass der unternehmerische Bereich, der grundsätzlich von der MWST entlastet wird, strikt zu trennen ist vom nicht unternehmerischen Bereich, in welchem die MWST anfällt. Ausserdem muss die MWST in Bezug auf die Unternehmen möglichst neutral sein.
Nach der herkömmlichen Begriffsumschreibung gilt als Unternehmen die gesamte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers. Des Weiteren muss es sich um eine selbstständige Tätigkeit, welche auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen ausgerichtet ist, handeln. Zudem ist ein Auftritt im eigenen Namen gegen aussen erforderlich. Generell stellt sich die Frage, was mit all diesen Ausdrücken überhaupt bezweckt werden soll. Insbesondere sind die Elemente «gewerblich» oder «beruflich» bzw. «nachhaltig» dehnbare Begriffe.
Zur Anknüpfung der verfahrensrechtlichen Rechte und Pflichten muss das Unternehmen (d.h. die wirtschaftliche Erscheinungsform) einer «rechtlich greifbaren» Einheit zugeordnet werden. Dazu dient der Begriff des Unternehmensträgers; auf die Verwendung des Begriffs «Unternehmer» wurde in der Schweiz bewusst verzichtet. Der Begriff «Unternehmensträger» umschreibt die rechtliche Erscheinungsform, welche im Gesetz mit «wer» angedeutet wird. Sicherlich handelt als Unternehmensträger, wer selbstständig mit einer Einkunftsquelle planmässig zur Erzielung von Einnahmen aus Leistungen gegen aussen am Markt in Erscheinung tritt (Massgeblichkeit des Aussenverhältnisses). Grundsätzlich sollte das Unternehmen das gesamte unternehmerische Handeln eines Unternehmers (Träger) erfassen. Allerdings erweist sich dies in der Praxis als gar nicht so einfach. Dadurch bestehen auch unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf das unternehmerische Handeln.
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Wie bereits oben erwähnt, wird in Art. 10 Abs. 1 MWSTG der Unternehmensbegriff nur sehr rudimentär umschrieben, indem dieser durch vier Elemente gekennzeichnet wird.
Bemerkungen zu diesen vier massgebenden Elementen:
- Nachhaltigkeit/Einnahmeerzielungsabsicht
Von welchen Kriterien reden wir überhaupt bei der Nachhaltigkeit? Führen wir uns zuerst vor Augen, was der Begriff nachhaltig aussagt. Nachhaltig ist eine mehrfache, auf Wiederholung und Dauer angelegte Tätigkeit von einer gewissen Intensität. Im Sinne einer geschäftsmässigen Tätigkeit ist sie auf den Erwerb von Einnahmen ausgerichtet. Dabei ist aufgrund von verschiedenen Beweisanzeichen zu beurteilen, ob nachhaltiges Tun, Dulden oder Unterlassen vorliegt. Mehr lässt sich dem Wort nicht entnehmen, und so müssen wir uns fragen, ob eine zu starke Gewichtung dieses Begriffs zu einer rechtlichen Erkenntnisgewinnung auch wirklich genügend beitragen kann. Betrachten wir dies wiederum an Beispielen. Ein Münzensammler, der ständig Münzen tauscht, oder jemand, der über Jahre das Spielzeug seiner Kinder auf dem Flohmarkt verkauft, ist jeweils nachhaltig tätig. Trotzdem wird er dadurch nicht zum Unternehmer, wegen fehlender beruflicher Tätigkeit.
Befassen wir uns doch noch ein wenig intensiver mit dem Begriff Nachhaltigkeit, welcher für manchen Steuerpflichtigen schwierig zu verstehen ist. Grundsätzlich sollten Umsätze von Privatpersonen, welche mehr oder weniger zufällig erzielt wurden, auf keinen Fall besteuert werden. Denkbar wäre z.B. eine Privatperson, welche zwei Oldtimerfahrzeuge im Abstand von sechs Monaten verkauft. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass solche Verkäufe zu langwierigen Diskussionen führen. Nur falls eine Tätigkeit intensiv, dauerhaft und regelmässig ausgeübt wird, ist von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen.
- Berufliche oder gewerbliche Tätigkeit
Wichtig ist es auch, den Begriffen berufliche oder gewerbliche Tätigkeit das notwendige Gewicht beizumessen. Es besteht ansonsten die Gefahr, vermehrt auf den Begriff der Nachhaltigkeit abzustellen und die Elemente der beruflichen und gewerblichen Tätigkeit beiseitezuschieben.
Was bedeuten nun aber die Begriffe berufliche und gewerbliche Tätigkeit? Das prägende Merkmal dieser Begriffe ist die wirtschaftliche, d.h. eine geschäftliche (geschäftsmässige) Betätigung, die sich im Allgemeinen durch Planmässigkeit auszeichnet. Verkauft jemand nun regelmässig Gegenstände seines Haushalts bzw. sobald sich dazu eine Gelegenheit bietet, ist dies keine geschäftsmässige Tätigkeit.
Wahrscheinlich findet ein solcher Verkauf nur statt, weil aufgrund von persönlichen Bedürfnissen beispielweise der Wunsch aufkommt, eine neue Einrichtung zu kaufen. Auch misst sich eine berufl iche oder gewerbliche Tätigkeit an ihrem Umfang und ihrer Intensität. Die Höhe der Einnahmen sollte grundsätzlich keine Rolle spielen. Dieses Merkmal könnte höchstens zur Hilfe herbeigezogen werden, falls Zweifel an der Intensität oder am Umfang der Tätigkeit bestehen. Ein wesentliches Merkmal einer gewerblichen Tätigkeit ist es, dass die Tätigkeit den Rahmen einer Vermögensverwaltung überschreitet. Wichtige Indizien sind auch das Entgeltrisiko sowie die Unternehmerinitiative.
- Selbstständigkeit
Das Element der Selbstständigkeit ist nur für natürliche Personen massgebend. Dabei sollte das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit grundsätzlich das Mass der persönlichen und wirtschaftlichen Selbstständigkeit bei der Ausführung der Arbeit sein sowie das Tragen des Unternehmerrisikos. Grundsätzlich ist ein Steuerpflichtiger selbstständig, wenn er nicht Arbeitnehmer ist, d.h. wenn er nicht einem Unternehmen so eingegliedert ist, dass er den Weisungen des Unternehmers folgen muss und von diesem entlöhnt wird. Es sollte sich um eine zeitlich ungebundene Selbstorganisation handeln. - Auftritt nach aussen im eigenen Namen
Ein weiterer ganz wichtiger Aspekt ist es, mit Angeboten an Dritteim Wirtschaftsleben im eigenen Namen in Erscheinung zu treten. Allerdings darf dieses Element ebenfalls nicht zu eng ausgelegt werden. Erinnern wir uns doch an das Besteuerungsziel, welches die Besteuerung des Verbrauchs bezweckt, deshalb sollte es keine Rolle spielen, ob die Leistungen mehreren Interessenten angeboten oder von vornherein nur gegenüber einem Abnehmer erbracht werden.
Unternehmen und Vorsteuerabzug
Für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts wird die subjektive Steuerpflicht vorausgesetzt. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die subjektive Steuerpflicht eine Vorfrage ist und nicht mit derjenigen der Abzugsfähigkeit der Vorsteuern vermischt werden darf. Zudem muss die effektive oder fiktive Vorsteuerbelastung auch bezahlt werden, es muss eine Verwendung für die unternehmerische Tätigkeit stattfinden und es darf keinen Ausschlussgrund geben. Sind all diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, kann der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Mit dieser Konzeption der MWST sollen die Unternehmer den Anspruch erhalten, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit entrichtete MWST als Vorsteuer abziehen zu können. Dieser Grundsatz wird nur durch zwei im Gesetz vorgesehene Ausnahmen durchbrochen. Die beiden Ausnahmen sind die Verweigerung des Vorsteuerabzugs aufgrund einer von der Steuer ausgenommenen Tätigkeit und die Vorsteuerabzugskürzung beim Empfang von Subventionen. Dies bedeutet nach wie vor eine Einschränkung des gesetzlichen Anspruchs auf den Vorsteuerabzug.
Allerdings hat der Gesetzgeber diese Konstellation ganz bewusst bestimmt, damit Spenden – im Gegensatz zu den Subventionen – nicht mehr zu einer Vorsteuerkürzung führen. Dadurch wurde das Ziel verfolgt, die Schattensteuern (taxe occulte) bei spendenfinanzierten Unternehmen zu beseitigen.
Problematik der Abgrenzungsbereiche
In der Praxis treten unterschiedliche Abgrenzungsbereiche (z.B. hoheitliche Tätigkeit, private Tätigkeit, gemeinnützige Tätigkeit, ausgenommene Leistungen, Nichtentgelte usw.) oftmals nicht alleine, sondern in Kombination mit anderen auf. Bei bestimmten Unternehmensträgern kann eine private oder eine nicht gewinnstrebige Tätigkeit vorliegen, die nicht dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist. Dies kann zu Problemen bei den Abgrenzungen führen. Dies haben diverse NPOs zu spüren bekommen. Dabei ist es bereits zu einigen Rechtsmittelverfahren gekommen. Auch kam es dadurch zu einer Praxisanpassung, und auch das MWSTG wurde im Rahmen der Teilrevision (Art. 10 MWSTG) neu formuliert.
Fazit unternehmerische Tätigkeit
Beim Thema «unternehmerisch» sind bereits verschiedene Urteile gefällt worden. Insbesondere sind dabei die Tätigkeitsbereiche umstritten, die nicht ausdrücklich einer anderen steuerbaren Tätigkeit dienen, aber trotzdem nicht kostendeckend betrieben werden. Obwohl in Art. 10 MWSTG eine Anpassung stattgefunden hat, bleibt zu befürchten, dass es trotzdem zu weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen wird.