Mehrwertsteuer Compliance: So gestalten Unternehmen einen professionellen Aussenauftritt

Für die Zuordnung von Leistungen im Bereich der Mehrwertsteuer Compliance ist entscheidend, wen ein unabhängiger Dritter als Leistungserbringer erkennt. Unklare Situationen schaffen Steuerrisiken. Gerade mit stärkerer Präsenz von Vermittlungsplattformen und Partnerschaften ist die richtige Ausgestaltung zentral.

10.12.2024 Von: Stefan Züst
Mehrwertsteuer Compliance

Mehrwertsteuer Compliance: Allgemeines zur Zuordnung von Leistungen 

Gemäss Art. 20 MWSTG gilt eine Leistung als von derjenigen Person erbracht, die nach aussen als Leistungserbringerin auftritt. Handelt eine Person auf Namen und Rechnung einer anderen Person, so gilt die Leistung nur dann als durch die vertretene Person erbracht, wenn die Vertreterin (a) nachweisen kann, dass sie als Vertreterin handelt und die vertretene Person eindeutig identifizieren kann sowie (b) das Bestehen eines Stellvertretungsverhältnisses dem Leistungsempfangenden ausdrücklich bekannt gibt oder sich dieses aus den Umständen ergibt. 

Es ist somit bei der direkten oder indirekten Stellvertretung jeweils zu prüfen, ob tatsächlich nur eine Leistung zwischen zwei Parteien vorliegt oder mehrere Leistungen in einem Dreiparteienverhältnis, und ob zusätzlich auch noch eine Vermittlungsleistung zu berücksichtigen ist. Sind an einem Leistungsverhältnis mehr als zwei Rechtssubjekte beteiligt, können Aussen- und Innenverhältnis auseinanderfallen; es gilt deshalb anhand der konkreten Umstände zu prüfen, wem die Leistung zuzurechnen ist. 

In der Lehre und Rechtsprechung hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass für die Beurteilung der Qualifikation des Erbringers einer Leistung mehrwertsteuerlich vor allem massgebend ist, wie ein aussenstehender unabhängiger Dritter den Aussenauftritt des Leistungserbringers würdigt. Mit anderen Worten ist also entscheidend, wen ein unabhängiger Dritter als Erbringer einer Leistung betrachtet. Hierbei ist jeweils eine Würdigung der Gesamtumstände vorzunehmen, wobei auch andere Indizien ins Feld geführt werden können. Der Aussenauftritt ist jedoch ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich durch Rechtsprechung und langjährige Praxis gefestigt hat. Probleme im Bereich der Zuordnung von Leistungen entstehen oft dort, wo mehr als zwei Parteien involviert sind, die Leistungen an Laufkundschaft erbracht werden und wo keine detaillierten schriftlichen Abmachungen bestehen. Betreffend den Aussenauftritt und den tatsächlichen Leistungserbringer gilt es in der Praxis Klarheit zu schaffen. 

Mehrwertsteuer Compliance: Detaillierte Ausführungen zur Stellvertretung 

Bei der Stellvertretung ist zwischen der direkten und der indirekten Stellvertretung zu unterscheiden. Bei einer direkten Stellvertretung handelt der Vertreter in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Im Falle einer direkten Stellvertretung wird die Leistung nicht dem Vertreter, sondern dem Vertretenen zugeordnet, der die Leistung versteuert; der Vertreter hat nur eine allfällige Provision mit der Mehrwertsteuer abzurechnen. Gemäss Verwaltungspraxis sind hierzu eine offizielle Bevollmächtigung des Vertreters und wie erwähnt eine Bekanntgabe des Stellvertretungsverhältnisses an den Leistungsempfänger notwendig. Zudem muss der Vertretene nachweisen können, dass er nur als Vertreter handelt. Gerade wenn sich die direkte Stellvertretung aus den Umständen ergeben soll, ist der Aussenauftritt massgebend. Als klare Beispiele für eine direkte Stellvertretung gelten beispielsweise der Verkauf eines Tickets für eine Veranstaltung durch eine Vorverkaufsstelle oder der Verkauf von Lotteriescheinen oder Telefonkarten durch Kioske oder andere Verkaufsstellen. 

Bei einer indirekten Stellvertretung handelt der Vertreter in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung. In diesem Fall wird die Leistung dem Vertreter zugerechnet, und es werden mehrwertsteuerlich zwei Leistungen angenommen, die erste zwischen dem Leistungserbringer und dem Vertreter und die zweite Leistung zwischen dem Vertreter und dem Leistungsempfänger. Als häufiges Beispiel für einer solche Leistung kann das Kommissionsgeschäft genannt werden.

Mehrwertsteuer Compliance: Problemfeld Aussenauftritt 

Sofern nur zwei Parteien in eine Transaktion involviert sind und unstrittig nur eine steuerpflichtige Person als Leistungserbringer infrage kommt, ist die Frage des Aussenauftrtitts meist einfach zu beantworten. 

Komplizierter wird es, wenn mehrere Leistungserbringer infrage kommen. Dies ist häufig der Fall, wenn an einer Geschäftsadresse mehrere potenzielle Leistungserbringer ihren Geschäftssitz haben, so beispielsweise bei Praxisgesellschaften mehrerer Ärzte oder (Physio-)Therapeuten sowie von Bürogemeinschaften von Anwälten oder Beratern, die sich Kosten und Administrationsleistungen teilen, aber in eigenem Namen abrechnen. Das Bundesgericht hat in verschiedenen aktuellen Entscheidungen seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass der Aussenauftritt in der Wahrnehmung eines unabhängigen neutralen Dritten stärker zu gewichten sei als die weiteren Indizien. In einem neueren Entscheid wurden die Leistungen von Therapeuten mehrwertsteuerlich einer Apotheke zugerechnet, auch wenn die Umsätze von den Therapeuten direkt abgerechnet und auch nicht in der Buchhaltung der Apotheke verbucht wurden. Eine weitere Konstellation, die zu Abgrenzungsfragen führen kann, sind Apps zur Bestellung von Mahlzeiten oder für andere Dienstleistungen. Weiter ist auch beispielsweise bei der Bestellung von Taxifahrten zu klären, ob das Taxiunternehmen eine Fahrt selbst durchführt oder diese nur an einen Dritten vermittelt. 

Wird in einem solchen Fall der Umsatz infolge des Aussenauftritts dem Vermittler oder der Unkostengemeinschaft zugerechnet, hat diese den gesamten Umsatz mehrwertsteuerlich abzurechnen. Solche Konstellationen werden oft in MWST-Kontrollen von der ESTV aufgenommen, wobei die Korrekturen in einem solchen Fall meist rückwirkend für die letzten fünf Steuerperioden mit zusätzlichen Verzugszinsen festgesetzt werden. Werden Leistungen an Laufkundschaft erbracht, lässt sich eine falsche Organisation der Prozesse für die Vergangenheit oft nicht mehr korrigieren oder die MWST auf die Endkunden überwälzen. Die finanziellen Auswirkungen einer suboptimalen Ausgestaltung können also erheblich sein!

Mehrwertsteuer Compliance: Lösungsansätze 

Nachfolgend soll aufgezeigt werden, wie Prozesse eingerichtet werden sollen, damit die Zuordnung von Leistungen und auch der Aussenauftritt klar ersichtlich sind. 

Da beim Aussenauftritt wie erwähnt die Sichtweise eines unabhängigen Dritten massgebend ist, reicht es nicht aus, wenn involvierte Parteien wissen, wer beauftragt werden soll. Es gilt klare Verhältnisse zu schaffen. Der unabhängige neutrale Dritter muss ohne Weiteres erkennen, dass eben der einzelne Leistungserbringer und nicht die Praxis- oder Bürogemeinschaft die Gegenpartei ist. Somit ist bei einer Unkostengemeinschaft (z. B. Praxis oder Kanzlei) darauf zu achten, dass die einzelnen Leistungserbringer persönlich in Erscheinung treten. So sollten separate Unternehmensschilder und Briefkastenbeschriftungen sichtbar sein. Auch am Empfang oder in den entsprechenden Räumlichkeiten soll (beispielsweise mittels Hinweisschildern oder Ähnlichem) auf den einzelnen Leistungsempfänger hingewiesen werden. 

In der digitalen Welt von heute hat die Internetpräsenz eine grosse Bedeutung für den Aussenauftritt. Aus mehrwertsteuerlicher Sicht werden separate Homepages der Leistungserbringer empfohlen oder zumindest klare Hinweise, dass die einzelnen Personen und nicht die Gemeinschaft die entsprechende Leistung erbringen. Im weiter oben erwähnten Urteil des Bundesgerichts wurden die Leistungen der Therapeuten auch deshalb der Apotheke zugerechnet, weil die Angebote der Therapeuten als Leistungen der Apotheke angepriesen wurden. Auch in diesem Punkt ist Klarheit essenziell, und es empfiehlt sich, die Werbe- und Aussenauftritte im Zweifelsfall jeweils periodisch auch aus mehrwertsteuerlicher Sicht zu überprüfen. 

Erfolgt ein Bestellvorgang via App oder Telefon, sollte mittels Mitteilung oder Bandansage auf eine allfällige Vermittlung hingewiesen werden. Solche Hinweise sind auch bei der Behandlung von Reklamationen oder Rückfragen und beim Zahlungsprozess wichtig. Erfahrungen aus der Beratungspraxis zeigen deutlich, dass die Prozesse bei der Abwicklung der Geschäfte über eine App jeweils detailliert geprüft und in der Gesamtsicht von den Steuerbehörden gewürdigt werden. Pop-up-Fenster mit Bestätigungsfeldern auf Homepages sind zwar lästig, bieten jedoch einen klaren Beweis, dass der Leistungsempfänger informiert wurde, wer der Leistungserbringer ist. 

Natürlich ist auch die Rechnungsstellung (mit klarem Hinweis auf den Leistungserbringer und/oder eine allfällige Vermittlung) von eminenter Bedeutung, gemäss Praxis der ESTV für sich alleine jedoch nicht ausschlaggebend. Daneben sind daher auch die vertragliche Ausgestaltung und die Verbuchung der einzelnen Leistungen wichtige Indizien. 

Wie weiter oben erwähnt, hat die Zuordnung von Leistungen mehrwertsteuerlich unter Würdigung der Gesamtumstände zu erfolgen. Die Zuordnung von Leistungen ist klar geregelt, wenn der Aussenauftritt durch Beurteilung eines unabhängigen Dritten, die Rechnungsstellung, die vertragliche Ausgestaltung, die Verbuchung und allfällige weitere Indizien alle klar und deutlich den gleichen Leistungserbringer zeigen.

Exkurs: Ausnahme Plattformbesteuerung ab 2025 

Mit Inkrafttreten der Revision des MWST-Gesetzes per 1. Januar 2025 werden neue Bestimmungen zur Plattformbesteuerung eingeführt. So enthält das neue MWSTG unter dem Art. 20a MWSTG 2025 eine Ausnahme zur Zuordnung von Leistungen für Plattformen, welche für Lieferungen, nicht jedoch für Dienstleistungen gilt, die über die Plattform abgewickelt werden. Bei solchen Plattformleistungen ist der oben beschriebene Aussenauftritt nicht massgebend. Im Sinne dieser Ausnahme wird die Lieferung, welche über die Plattform erfolgt, dem Betreiber der Plattform zugerechnet, und es werden mehrwertsteuerlich zwei Lieferungen angenommen, die erste zwischen dem Verkäufer und der Plattform und die zweite zwischen der Plattform und dem Käufer. Erbringt die Plattform jedoch ausschliesslich Werbeleistungen, stellt Platz für Anzeigen zur Verfügung, erzielt keinen mit dem Geschäft zusammenhängenden Umsatz, wickelt lediglich Zahlungen ab und ist weder mittelbar noch unmittelbar am Bestellvorgang beteiligt, liegt keine Plattformleistung, sondern eine normale Leistung vor. 

Klassische Auktionsplattformen oder Börsen für Kleinanzeigen haben also auch in Zukunft nur die Provision mehrwertsteuerlich abzurechnen, da für sie auch weiterhin die ordentlichen Zuordnungsregeln gelten. 

Fazit und Handlungsempfehlung 

In einer Konstellation mit mehreren möglichen Leistungserbringern ist betreffend Zuordnung von Leistungen eine Würdigung der Gesamtumstände vorzunehmen. Der Aussenauftritt eines unabhängigen Dritten gilt jedoch als wichtigstes Indiz. Hier gilt es, mittels klarer Regelungen und sichtbarer Hinweise Klarheit zu schaffen, wer mehrwertsteuerlich als Erbringer einer Leistung gilt. Neben der Rechnungsstellung sind separate Internet- und Werbeauftritte sowie separate Firmenschilder wichtig. Die finanziellen Auswirkungen einer falschen Ausgestaltung können erheblich sein. Eine detaillierte proaktive Einzelfallprüfung mit einem Experten scheint uns unerlässlich.

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