Mahnwesen: Erfolgsmessung bei Mahnwesen und Inkasso
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Einleitung
Ein effektives Mahnwesen minimiert das Risiko von Zahlungsausfällen und verbessert die Cashflow-Planung, womit es einen wichtigen Beitrag für die Liquiditätsentwicklung leistet. In diesem Beitrag werden vor allem die Aufgaben und Prozesse des Mahnwesens und Inkassos sowie relevante Kennzahlen zur Messung ihrer Effektivität und Effizienz erläutert.
Das Mahnwesen aus der Prozessperspektive
Der Begriff Mahnwesen bezeichnet alle Aktivitäten, die darauf abzielen, säumige Zahlungen einzutreiben. Eine Zahlung ist säumig bzw. überfällig, wenn sie trotz Fälligkeit zum vereinbarten Termin bzw. innerhalb der angegebenen Zahlungsfrist nicht geleistet wurde.
Ob, wann und wie in solchen Fällen Unternehmen im Rahmen ihres Mahnwesens reagieren, bestimmt jedes Unternehmen selbst. Abläufe und Vorgänge sind deshalb regelmässig unternehmensindividuell gestaltet im Hinblick auf die Anzahl und den Inhalt der Mahnschreiben, die Fristen und Terminierung der Mahnläufe oder auch die Zuständigkeit und Organisation des Mahnwesens.
Der eigentliche Mahnprozess beginnt mit dem Mahnlauf und umfasst folgende Schritte:
Nach einer Kontrolle der offenen Posten wird in der Debitorenbuchhaltung ein sogenannter Mahnlauf mindestens monatlich oder auch in kürzeren Zeiträumen (z.B. wöchentlich oder 14-tägig) gestartet. Dazu wird zunächst eine Liste mit allen Rechnungen erstellt, welche den Fälligkeitszeitpunkt der letzten Zahlungsfrist (dies kann eine Standardfrist oder bereits die neue Frist der Zahlungserinnerung bzw. Mahnung sein) überschritten haben (sog. Mahnvorschlagsliste). Der Mahnlauf ermittelt die offenen Posten und analysiert, mit welcher Stufe die Posten jeweils gemahnt werden müssen. Es wird ein Mahnvorschlag erstellt. Je nach Mahnvorschlag werden dann Mahnschreiben erstellt und im Regelfall entweder per E-Mail verschickt oder zuerst ausgedruckt und danach als Brief verschickt.
Diese Abbildung zeigt die typische Abfolge im Mahnprozess.
Das Ziel des Mahnprozesses ist die Sicherstellung der Einnahme aller Forderungen/Debitoren.
In der Praxis werden dazu bis zu drei Mahnstufen unterschieden:
Erste Mahnung: Nach Ablauf der Zahlungsfrist wird zunächst eine Zahlungserinnerung bzw. eine erste Mahnung verschickt. Dies erfolgt oft durch eine freundliche Erinnerung per E-Mail oder Brief.
Zweite Mahnung: Falls auf die erste Mahnung keine Reaktion erfolgt, wird eine zweite Mahnung mit einer deutlicheren Aufforderung zur Zahlung und gegebenenfalls der Ankündigung von Mahnspesen und/oder Verzugszinsen gesendet.
Dritte Mahnung: Bleibt auch die zweite Mahnung unbeantwortet, folgt bei manchen Unternehmen häufig noch eine dritte und letzte Mahnung, die dann oft bereits mit der Androhung rechtlicher Schritte verbunden ist.
Die heutige Praxis zeigt, dass die Mahnprozesse in den Unternehmen häufig bereits zumindest teilautomatisiert sind, was entweder im Rahmen des jeweils eingesetzten ERP-Systems oder mithilfe einer spezifischen Mahnwesen-Software umgesetzt wird, wobei sich der gesamte Mahnversand nicht nur weitgehend standardisieren und automatisieren, sondern – bei Bedarf – auch individuell gestalten lässt. So können z.B. die erstellten Mahnschreiben mittels Vorschau auch zunächst noch kontrolliert, gefiltert und beispielsweise individuell angepasst sowie freigegeben werden. Damit soll vor allem eine hohe Effizienz und die Vermeidung menschlicher Fehler erreicht werden.
Der Mahnprozess ist regelmässig Teil des IKS eines Unternehmens, wobei das Ziel der Ordnungsmässigkeit des Mahnprozesses im Vordergrund steht. Dazu sind die folgenden Kontrollziele sicherzustellen:
- Es sollte sichergestellt werden, dass fristgerechte Mahnungen erstellt und versendet werden.
- Es sollte ein geordneter, vollständiger und regelmässiger Mahnprozess gewährleistet werden, bei dem keine ungewollte Subjektivität z.B. bei Mahnstopps vorkommt und auch keine Mahnung vergessen wird.
Wird bei einzelnen offenen Posten ein Mahnstopp verfügt, so handelt es sich hierbei zumeist um Konten oder Kunden, die von besonderer Bedeutung für das Unternehmen sind und von der Sachbearbeitung/Debitorenbuchhaltung in Absprache mit den zuständigen Vertriebsstellen detailliert überprüft werden, ob der verfügte Mahnstopp noch berechtigt ist. Für die Überprüfung stehen verschiedene Informationen zur Verfügung wie Protokolle, die Mahnhistorie oder Mahnliste. Nach erfolgter Überprüfung werden alle fälligen, offenen Debitoren in eine finale Mahnliste aufgenommen und anschliessend für die Erstellung und den Versand der Mahnungen berücksichtigt. Nur Debitoren, welche einen «Mahnstopp» haben, fallen nicht in den Mahnlauf.
Betrachtet man die zeitlichen Abstände, nach denen jeweils ein neuer Prozessdurchlauf erfolgt, sind diese höchst individuell. Weit verbreitet ist folgende Einteilung:
Mahnstufe | Versand | |
Nr. | Bezeichnung | |
1 | Zahlungserinnerung | 10 bis 14 Tage nach Fälligkeit |
2 | 1. Mahnung | 20 bis 30 Tage nach Fälligkeit |
3 | 2. Mahnung | 40 bis 50 Tage nach Fälligkeit |
4 | 3. Mahnung (eventuell) | ca. 60 Tage nach Fälligkeit |
Danach erfolgt, etwa 80 Tage nach Fälligkeit, die Weitergabe an ein Inkassounternehmen oder die Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens.
Grundsätzlich gilt, dass der Gläubiger bezüglich der Form der Mahnung völlig frei ist. Eine Mahnung kann schriftlich, mündlich bzw. telefonisch ausgesprochen werden. Und in der Praxis des Mahnwesens erweist sich eine telefonische Mahnung sogar häufig als erfolgsversprechender und effizienter als eine schriftliche. Dennoch hat eine schriftliche Mahnung den Vorteil der eindeutigen Nachweisbarkeit, was im Falle einer gerichtlichen Fortsetzung von Vorteil ist. Zudem ist zu bedenken, dass eine Mahnung erst wirksam wird, wenn sie beim Adressaten eingeht. Bei einem «A-Post»- oder «B-Post»-Schreiben kann nicht nachvollzogen werden, zu welchem Zeitpunkt das Schreiben beim Empfänger eingeht. Der Schuldner könnte schliesslich sogar angeben, er hätte gar kein Mahnschreiben erhalten, weshalb sich in der Praxis empfiehlt, die Mahnung mittels Zustellnachweis zu übersenden (z.B. per Einschreiben).
Das Inkasso aus prozessualer Sicht
Der Begriff Inkasso stammt aus dem Italienischen (incasso) und bezeichnet die Einziehung von offenen Forderungen bei einem Schuldner. Das Inkasso startet regelmässig dann, wenn das Mahnverfahren erfolglos geblieben ist.
Unternehmen nehmen das Inkasso ihrer Forderungen entweder selbst vor oder beauftragen damit einen externen, privaten Dienstleister, der sich auf die Eintreibung von Forderungen spezialisiert hat.
Der Inkassoprozess setzt allerdings zweierlei voraus:
- Die vom Gläubiger beanspruchte Forderung muss berechtigt, d.h. unbestritten sein.
- Der Schuldner muss sich für den Beginn des Inkassoverfahrens zusätzlich mit der überfälligen Forderung im Zahlungsverzug befinden.
Ein Inkasso führt für den Schuldner ergänzend zur Grundforderung regelmässig zu höheren Kosten durch
- einen vom Gläubiger beanspruchten gesetzlich festgelegten Verzugszins,
- Mahnspesen, sofern diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) so aufgeführt sind.
Gemäss Art. 104 OR sind durch den Schuldner grundsätzlich 5 % Verzugszinsen pro Jahr geschuldet, wobei jedoch vertraglich auch ein höherer Zins (in den AGB) vereinbart werden kann. Derartige Verzugszinsen gelten dabei als Entschädigung, die der Schuldner dem Gläubiger für die Kosten zahlen muss, welche dem Gläubiger durch die verspätete Zahlung entstanden sind. Erst im Jahr 2023 ist eine Reform vom Bundesrat abgelehnt worden, die den Verzugszins auf einen variablen Zins umstellen wollte.
Die Berechnung zusätzlicher Mahnspesen bzw. Mahngebühren ist rechtlich nicht geregelt. Sie setzt daher voraus, dass diese von den Vertragsparteien (z.B. in den AGB) explizit vereinbart sind. Mahnspesen bzw. -gebühren beabsichtigen, den Schuldner für einen nachweisbaren finanziellen Verzugsschaden des Gläubigers haftbar zu machen. Dieser ist ohne entsprechende vorgängige Vereinbarung allerdings in der Praxis kaum durchsetzbar, zumal er nicht nur klar zu beziffern und nachvollziehbar darzulegen ist, sondern auch in einem vernünftigen Verhältnis zur Grundforderung stehen muss.
Im Hinblick auf das Inkasso-Verfahren unterscheidet man folgende Arten:
- aussergerichtliches Inkassoverfahren
- Betreibungsverfahren durch das zuständige Betreibungsamt
- Fortsetzungsbegehren oder Rechtsöffnungsbegehren auf Antrag des Gläubigers beim Betreibungsamt zur Betreibung der Forderung im Wege der Pfändungs- oder Konkursandrohung
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Kennzahlen zur Messung der prozessbezogenen Effektivität und Effizienz
Um die Effektivität und Effizienz des Mahnwesens und Inkassos zu bewerten, lassen sich verschiedene Kennzahlen heranziehen. Es ist daher zu empfehlen, dass sich die Geschäftsleitung eines Unternehmens mittels dieser Kennzahlen regelmässig über die Wirksamkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis informiert:
- Debitorenfrist (Days Sales Outstanding – DSO): Diese Kennzahl gibt an, wie viele Tage ein Unternehmen im Durchschnitt benötigt, um seine Forderungen einzuziehen. Ein im Verhältnis zur Standardzahlungsfrist (z.B. 30 Tage) niedriger Wert weist auf ein effizientes, ein hoher Wert dagegen auf ein weniger effizientes Forderungsmanagement hin.
- Mahnquote: der Anteil der versendeten Mahnungen im Verhältnis zur Gesamtzahl der ausgestellten Rechnungen. Eine hohe Mahnquote kann auf Probleme im Zahlungsprozess hinweisen, allerdings kann eine ansteigende Mahnquote auch auf eine sich ändernde Zahlungsmoral zurückzuführen sein.
- Erfolgsquote des Mahnwesens: der Prozentsatz der Forderungen, die nach dem ersten oder zweiten Mahnschreiben beglichen werden. Eine hohe Erfolgsquote deutet auf ein wirksames Mahnverfahren hin.
- Inkassoerfolgsquote: Der Anteil der Forderungen, die durch das Inkassoverfahren erfolgreich eingetrieben werden. Diese Kennzahl gibt Auskunft über die Effektivität der Inkassostrategien.
- Kosten pro eingetriebener Forderung: die durchschnittlichen Kosten, die für das Einziehen einer Forderung anfallen. Niedrigere Kosten pro eingetriebener Forderung sind ein Zeichen für ein effizientes Mahnwesen und Inkasso. Dabei ist die Kostenermittlung im Falle eines beauftragten externen Inkasso-Dienstleisters regelmässig einfach, vor allem wenn Letztere für ihre Dienstleistung nicht dem Gläubiger, sondern nur dem säumigen Schuldner in Höhe der angefallenen Verzugszinsen und Mahnspesen bzw. -gebühren Rechnung stellen. Unternehmen, die das Inkasso selbst durchführen, müssten ihre Vollkosten entlang des Prozesses zunächst ermitteln, was verursachungsgerecht nur durch eine Prozesskostenrechnung erfolgen kann.
- Verluste durch Forderungsausfälle: der Gesamtbetrag der Forderungen, die trotz Mahn- und Inkassoverfahren uneinbringlich sind. Dieser Wert entspricht den erfolgswirksamen, uneinbringlichen Forderungsverlusten und sollte so niedrig wie möglich ausfallen.
Zusammenfassung
Ein effektives Mahnwesen und Inkasso sind für die finanzielle Gesundheit von Schweizer KMU unerlässlich. Durch klare Prozesse und den Einsatz geeigneter Kennzahlen können Unternehmen ihre Liquidität sichern und Zahlungsausfälle minimieren. Die Automatisierung dieser Prozesse durch spezialisierte Softwarelösungen sowie den zielgerichteten Einsatz von KI kann zusätzlich die Effizienz steigern und administrative Aufwände reduzieren.
Quellenhinweise
Müller, J. (2022). Effektives Forderungsmanagement in KMU. Zürich: Verlag Schweizer Wirtschaft.
Schmidt, H. (2021). Kennzahlen im Mahnwesen: Ein Leitfaden für Praktiker. Basel: Finanzbuch Verlag.
Weiss, T. (2023). Mahnwesen und Inkasso: Strategien für den Mittelstand. Bern: Management Press.