Schuldbetreibungs- und Konkursrecht: Diese Sanierungsinstrumente gibt es

Ist ein Unternehmen in einer finanziellen Schieflage, stehen aus dem SchKG verschiedene Instrumente zur Verfügung, um aus dieser Situation wegzukommen. Dabei stellt sich zuerst die Frage, ob eine Firma noch sanierungsfähig ist oder nicht. Zudem wird gezeigt, wie Gläubiger ihre offenen Forderungen eintreiben können.

13.09.2024 Von: Michael Krampf
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht

Firma ist nicht sanierungsfähig

Wenn eine «begründete Besorgnis» einer Überschuldung besteht, muss der Verwaltungsrat eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten erstellen und diese von der Revisionsstelle prüfen lassen. Bei festgestellter Überschuldung hat er die Bilanz zu deponieren. Darauf kann er nur verzichten, wenn Rangrücktritte im Umfang der Überschuldung vorliegen (Art. 725 Abs. 2 OR). Ab dem 1. Januar 2023 kann der Verwaltungsrat auf die Deponierung der Bilanz während 90 Tagen verzichten, wenn Aussicht auf Sanierung besteht. Anschliessend eröffnet das Gericht den Konkurs. Bei offensichtlicher Überschuldung ist auch die Revisionsstelle verpflichtet, die Überschuldung beim Gericht anzuzeigen, wenn der Verwaltungsrat untätig bleibt (Art. 728c Abs. 3 und Art. 729c OR). Auch Unternehmen, die keine Revisionsstelle haben (Opting-out), müssen die Zwischenbilanz durch einen zugelassenen Revisor prüfen lassen. Laut einem Urteil des Bundesgerichts kann der Konkursrichter bei offensichtlicher Überschuldung auf das Erfordernis einer Revision der Zwischenbilanz verzichten. Falls sich der Konkursrichter an diese Urteile hält – nicht alle tun dies –, wird er den Konkurs auch ohne revidierte Bilanz eröffnen.

Hinweis
Als Alternative zur Bilanzdeponierung gibt es die Insolvenzerklärung nach Art. 191 SchKG. Voraussetzung dafür ist ein öffentlich beurkundeter Auflösungsbeschluss der Generalversammlung. Zudem muss für die Kosten einer Konkurseröffnung ein Barvorschuss geleistet werden, der je nach Kanton bis zu CHF 6000.– betragen kann (Kanton Zürich: CHF 1800.–) – dies im Gegensatz zur kostenlosen Überschuldungsanzeige.

Firma ist sanierungsfähig

Gerät eine Firma in finanzielle Schwierigkeiten, versucht sie in der Regel zuerst, sich ohne Hilfe eines Gerichts mit den Gläubigern zu einigen. Gelingt ihr das nicht, hat sie zwei vom Gesetz vorgesehene Sanierungsinstrumente: den Konkursaufschub und das SchKG-Nachlassverfahren.

Nachlassverfahren

Ein Nachlassverfahren wird durch ein Gesuch des überschuldeten oder insolventen Unternehmens beim Nachlassgericht eingeleitet (Art. 293 SchKG). Mit dem Gesuch müssen verschiedene Unterlagen (Bilanz, Erfolgsrechnung und Liquiditätsplanung) sowie ein provisorischer Sanierungsplan eingereicht werden. Zudem sind die Kosten für das Gericht und des provisorischen Sachwalters sicherzustellen. Diese belaufen sich auf CHF 30 000.– bis CHF 45 000.–. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bewilligt das Nachlassgericht die provisorische Stundung in aller Regel. Es darf die Stundung nur verweigern, wenn «offensichtlich» keine Aussicht auf Sanierung oder auf Bestätigung eines Nachlassvertrags besteht (Art. 293a Abs. 3 SchKG).

Ein Nachlassverfahren hat – im Vergleich zu einer aussergerichtlichen Sanierung – verschiedene Vorteile. Diese sind z.B.:

  • Die Pflicht des Verwaltungsrats, im Falle einer Überschuldung beim Gericht die Bilanz zu deponieren, entfällt, wenn er ein Gesuch um provisorische Nachlassstundung beim Nachlassgericht eingereicht hat (Art. 293a Abs. 1 SchKG). Das gilt auch für die Revisionsstelle.
  • Es gilt ein umfassendes Betreibungsverbot, also auch für die privilegierten Forderungen (Art. 297 Abs. 1 SchKG). Arreste sind nicht mehr möglich (Art. 297 Abs. 3 SchKG), und Gerichtsprozesse werden sistiert (Art. 297 Abs. 5 SchKG). Für nicht pfandgesicherte Forderungen laufen die Zinsen nicht mehr weiter (Art. 297 Abs. 7 SchKG).
  • Generelle Debitorenzessionen verlieren ihre Wirkung ab erteilter Nachlassstundung für Forderungen, die später entstehen (Art. 297 Abs. 4 SchKG).
  • Dauerschuldverhältnisse wie Miet- oder Leasingverträge (ohne Arbeitsverträge) können mit Zustimmung des Sachwalters sofort aufgelöst werden, wenn sonst die Sanierung scheitern würde. Die Gegenpartei muss entschädigt werden. Falls das Verfahren mit einem Dividendenvergleich abgeschlossen wird, wird die Entschädigung nur entsprechend der im Nachlassvertrag festgelegten Dividende bezahlt (Art. 297a SchKG).
  • Der Verkauf von Anlagevermögen (Maschinen, Liegenschaften) ist später paulianisch nicht anfechtbar, wenn das Nachlassgericht oder ein speziell eingesetzter Gläubigerausschuss den Verkauf genehmigt hat (Art. 285 Abs. 3 SchKG). Dieser Genehmigungsentscheid kann von den Gläubigern nicht angefochten werden – wie das Bundesgericht entschieden hat.
  • Bei einer Betriebsübernahme während der Nachlassstundung muss der Käufer weder alle bestehenden Arbeitsverträge übernehmen, noch haftet er solidarisch
  • mit dem Verkäufer für ausstehende Lohnforderungen (Art. 333b und Art. 333 Abs. 3 OR).
  • Bei einer Massenentlassung muss das Unternehmen keinen Sozialplan aufstellen, wenn das Nachlassverfahren mit einem Nachlassvertrag abgeschlossen wird (Art. 335k OR).
  • Realforderungen können in Geldforderungen umgewandelt werden (Art. 297 Abs. 9 SchKG).
  • Für das Zustandekommen eines Nachlassvertrags braucht es nicht die Zustimmung aller Gläubiger. Es genügt, wenn die Mehrheit der nicht privilegierten Gläubiger der 3. Klasse zustimmen, die mindestens zwei Drittel der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger, die mindestens drei Viertel der Forderungen vertreten (Art. 305 Abs. 1 SchKG).

SchKG-Instrumente für Gläubiger

Weigert sich ein Schuldner zu zahlen, muss ihn der Gläubiger betreiben. Es gibt aber auch den direkten Weg zum Konkursrichter.

Konkurseröffnung mit Betreibungsverfahren

Jemanden zu betreiben, ist einfach. Falls der Schuldner die Betreibung mit Rechtsvorschlag stoppt, muss der Gläubiger diesen in der Rechtsöffnung beseitigen. Nach erfolgtem Fortsetzungsbegehren kann er später beim Gericht die Konkurseröffnung beantragen. Doch das Gericht verlangt einen Kostenvorschuss von – je nach Kanton – mehreren Tausend Franken, sonst eröffnet es den Konkurs nicht. In diesem Stadium des Verfahrens ist oft ungewiss, ob es – falls der Konkurs eröffnet wird – später nicht wieder mangels Aktiven eingestellt wird. Das ist dann der Fall, wenn die vorhandenen Aktiven die Verfahrenskosten nicht decken. Die Gefahr einer Konkurseinstellung ist gross. Laut Statistik trifft sie 60 – 70% der Konkurse.

In einem solchen Fall muss der Gläubiger, der das Konkursbegehren gestellt hat, die Kosten des Verfahrens bis zur Einstellung übernehmen. Diese können mehrere Tausend Franken betragen.

Praxistipp
Es empfiehlt sich, den Kostenvorschuss zu leisten. Dadurch erhöht sich der Druck auf den Schuldner, die offene Rechnung bis zur Verhandlung zu zahlen. Es gibt nämlich Firmen, die beim Gericht nachfragen, ob der Vorschuss geleistet wurde. Andernfalls zahlen sie die betriebene Forderung ohnehin nicht.

Falls der Schuldner trotz Kostenvorschuss nicht zahlt, kann das Konkursbegehren in der Verhandlung vor dem Richter zurückgezogen werden. So muss man nur die Gerichtskosten übernehmen, die wenige Hundert Franken betragen. Der Kostenvorschuss wird dem Gläubiger zurückerstattet.

Konkurseröffnung ohne Betreibungsverfahren

Ein normales Betreibungsverfahren vom Begehren bis zur Konkurseröffnung kann bereits in einfachen Fällen mehrere Monate dauern. Es gibt jedoch den direkten Weg zur Konkurseröffnung. Voraussetzung ist, dass der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat und dass man dies als Gläubiger beweisen kann (Art. 190 SchKG). Nach der Rechtsprechung gilt als Zahlungseinstellung:

  • Mitteilung des Schuldners, er habe die Zahlungen eingestellt
  • Angebot eines aussergerichtlichen Nachlassvertrags
  • Schreiben des Schuldners an alle Gläubiger mit der Bitte um Geduld
  • oder Stundung

Ist eine dieser Voraussetzungen erfüllt, kann der Gläubiger zusätzlich seine Forderung glaubhaft machen, und zahlt er den Kostenvorschuss, wird der Konkurs eröffnet.

Mit diesem Verfahren kann man das Betreibungsverfahren und einen allfälligen Forderungsprozess umgehen. Das spart Zeit, Geld und Nerven. Das eigene Risiko ist gering, im ungünstigsten Fall wird das Konkursbegehren vom Gericht abgelehnt. Dann muss der Gläubiger die Gerichtskosten tragen, die maximal CHF 500.– betragen (Art. 52 lit. a GebV SchKG).

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