Konkursbetreibung: Einleitungs- und Hauptverfahren
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Grundlagen
Konkursbetreibung
Für die Konkursbetreibung besteht gemäss Art. 39 SchKG die Voraussetzung, dass der Schuldner im Handelsregister eingetragen ist. Ausnahmen werden in Art. 190 SchKG festgelegt: Die Gläubiger können ohne vorhergehende Betreibung die Konkurseröffnung verlangen gegenüber jedem Schuldner, der die Flucht ergriffen hat oder betrügerische Handlungen begeht.
Bei der Konkursbetreibung wird das ganze Vermögen des Schuldners beschlagnahmt und verwertet, auch wenn nur ein Gläubiger die Betreibung eingeleitet hat und sogar dann, wenn es nur um einen kleinen Betrag geht. Dabei findet eine Auseinandersetzung mit allen Gläubigern statt. Deswegen spricht man auch von Generalexekution.
Wechselbetreibung
Die Wechselbetreibung ist eine Unterart der Konkursbetreibung für Forderungen, die durch Wechsel und Check begründet werden. Sie unterscheidet sich von der normalen Konkursbetreibung vor allem durch kürzere Fristen und dadurch, dass ein Rechtsvorschlag unverzüglich dem Richter vorgelegt wird1).
Betreibung auf Pfändung
Die Betreibung auf Pfändung wird bei Schuldnern angewendet, für die nicht die Konkurs- oder eine andere Betreibungsart notwendig ist. Das sind vor allem Privatpersonen. Es wird nur so viel vom schuldnerischen Vermögen gepfändet wie zur Deckung der Forderungen notwendig ist. Deswegen stellt die Pfändung eine Einzelexekution dar.
Betreibung auf Pfandverwertung
Die Betreibung auf Pfandverwertung findet dann statt, wenn eine Forderung durch Faust- oder Grundpfand gesichert ist. Im Betreibungsbegehren muss der Pfandgegenstand genannt werden2).
Einleitungsverfahren
Die Betreibung ist zweistufig und gliedert sich in Einleitungsverfahren und Hauptverfahren. Das Einleitungsverfahren ist, abgesehen von Einzelheiten, bei jeder Betreibungsart ähnlich. Das Hauptverfahren verläuft je nach Betreibungsart unterschiedlich.
Der Gläubiger muss zuerst das Betreibungsbegehren stellen. Nach Bundesgerichtsentscheid muss dieses grundsätzlich unterschrieben werden. Die Unterzeichnung nur eines Begleitschreibens genügt, sofern die eingereichten Betreibungsbegehren genügend identifizierbar sind. Die Betreibungskosten trägt der Schuldner. Der Gläubiger ist verpflichtet, diese beim Betreibungsamt vorzuschiessen.
Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften werden an ihrem Firmensitz betrieben, nicht ins Handelsregister eingetragene juristische Personen am Hauptsitz ihrer Verwaltung. Natürliche Personen werden an ihrem Wohnsitz betrieben3). Bei faust- oder grundpfandgesicherten Forderungen findet die Betreibung dort statt, wo sich das Faustpfand bzw. dessen wertvollster Teil oder das Grundstück befindet4).
Konkursandrohung und Konkursbegehren
Die Konkursandrohung setzt eine letzte Frist von 20 Tagen, während denen die Schuld noch bezahlt werden kann. Sind diese abgelaufen, kann der Gläubiger das Konkursbegehren stellen, und zwar ans Konkursgericht. In der Regel ist dieses das Bezirksgericht.
Bei der Wechselbetreibung muss der Schuldner innerhalb von 5 Tagen seine Schuld bezahlen5). Ein Rechtsvorschlag wird unverzüglich dem Gericht vorgelegt6). Wird kein Rechtsvorschlag erhoben oder dieser nicht bewilligt, kann der Gläubiger das Konkursbegehren stellen. Bei der Wechselbetreibung verläuft das Konkursverfahren wie bei der Konkursbetreibung.
Konkurseröffnung
Die Konkurseröffnung bewirkt, dass sämtliche Schulden des Gemeinschuldners fällig werden, mit Ausnahme derjenigen, die durch Grundpfänder gedeckt sind.
Die Gläubiger können zu den Hauptforderungen die Zinsen bis zum Eröffnungstag und die Betreibungskosten geltend machen7). Wenn über mehrere Schuldner einer einzigen Schuld gleichzeitig der Konkurs eröffnet wird, kann ein Gläubiger in jedem Konkurs seine ganze Forderung geltend machen8).
Wenn gegen eine Firma der Konkurs eröffnet wurde, soll man direkt an sie keine fälligen Zahlungen leisten! Eine solche Zahlung wird nämlich nur als Tilgung der Schuld anerkannt, wenn sie oder ein Teil davon in die Konkursmasse gelangt9) . Wenn man allerdings vor der öffentlichen Bekanntmachung zahlt und ohne von der Konkurseröffnung zu wissen, ist man von der Schuldpflicht befreit.
Summarisches Konkursverfahren
Ein summarisches Konkursverfahren10) wird dann durchgeführt, wenn das Vermögen des Schuldners nicht ausreicht, um die Kosten des ordentlichen Konkursverfahrens zu decken oder wenn die Verhältnisse einfach sind. Wenn ein Gläubiger das ordentliche Verfahren wünscht und Vorschuss für die Kosten leistet, wird auch in diesem Fall das ordentliche Konkursverfahren durchgeführt. Das Amt verwertet die Vermögensstücke und verteilt den Erlös ohne Förmlichkeit. Der Schluss des Verfahrens wird öffentlich bekannt gegeben.
Ordentliches Konkursverfahren
Beim ordentlichen Verfahren11) wird die Eröffnung des Konkurses mit dem Namen und dem Wohnort des Schuldners publiziert. Die Gläubiger werden aufgefordert, innerhalb eines Monats ihre Forderungen beim Konkursamt anzumelden und die Beweismittel einzureichen. Auch die Schuldner des Konkursiten müssen sich melden, anderenfalls besteht Strafdrohung. Verspätete Eingaben sind bis zum Schluss des Konkursverfahrens möglich. Der Gläubiger muss aber die Kosten der Verspätung tragen12).
Gläubigerversammlung / Kollokationsplan
Spätestens zehn Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung wird die erste Gläubigerversammlung abgehalten. Diese fasst Beschlüsse über dringliche Fragen. Innerhalb von 60 Tagen nach der Eingabefrist entwirft die Konkursverwaltung den so genannten Kollokationsplan13). Dieser bestimmt die Rangordnung, nach welcher die Gläubiger befriedigt werden. Der Kollokationsplan wird beim Konkursamt zur Einsicht aufgelegt und kann angefochten werden.
Zweite Gläubigerversammlung
Nachdem die Konkursverwaltung die Forderungen geprüft und über deren Anerkennung entschieden hat, wird die zweite Gläubigerversammlung einberufen. Eingeladen werden die Gläubiger, deren Forderungen ganz oder teilweise anerkannt sind. Die Konkursverwaltung erstattet bei der Gläubigerversammlung einen umfassenden Bericht über die Verwaltung und den Stand der Aktiven und Passiven. Die Gläubigerversammlung beschliesst, auf welchem Weg der Konkurs durchgeführt wird14).
Verteilungsliste / Schlussabrechnung
Wenn der Erlös aus der Konkursmasse zur Verfügung steht, erarbeitet die Konkursverwaltung die Verteilungsliste und die Schlussabrechnung15). Diese werden während zehn Tagen beim Konkursamt aufgelegt. Nachher wird der Erlös verteilt. Zuerst werden die Kosten gedeckt, die aus der Durchführung des Konkurses entstehen.
Rangfolge der Gläubiger
Wenn nicht alle Forderungen gedeckt werden, sind pfandgesicherte Forderungen und die Gläubiger der ersten und zweiten Klasse privilegiert. Das heisst, sie werden zuerst voll befriedigt, bevor der Rest der Konkursmasse verteilt wird.
Die pfandgesicherten Forderungen werden nach der Verwertung der Pfänder vorweg bezahlt. Die nicht pfandgesicherten Forderungen sowie der ungedeckte Betrag der pfandgesicherten Forderungen werden in folgender Rangordnung aus dem Erlös der ganzen übrigen Konkursmasse gedeckt:
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Zur ersten Klasse gehören vor allem die Forderungen von Angestellten aus dem Arbeitsverhältnis für die letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie Rückforderungen von Kautionen. Weiter werden Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen, die Ansprüche der Versicherten aus Unfallversicherung sowie aus der nicht obligatorischen beruflichen Vorsorge berücksichtigt. Familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsansprüche, die in den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung entstanden sind, werden ebenfalls privilegiert.
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Zur zweiten Klasse gehören die Forderungen von Personen, deren Vermögen kraft elterlicher Gewalt dem Schuldner anvertraut war, sowie die Beitragsforderungen, die in den Gesetzen über AHV, Invalidenversicherung, Unfallversicherung sowie dem Erwerbsersatzgesetz und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vorgeschrieben sind. Weiter sind die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung und die Beiträge an die Familienausgleichskasse zu berücksichtigen.
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Der dritten Klasse gehören alle übrigen Forderungen an.
Verlustschein
Wenn ungedeckte Forderungen bestehen, erhalten die Gläubiger für diese einen Verlustschein16). Der Verlustschein gilt als Schuldanerkennung.
Schluss des Konkursverfahrens
Am Schluss des Konkursverfahrens, nämlich nach der Verteilung des Erlöses, legt die Konkursverwaltung dem Konkursgericht einen Schlussbericht vor17). Werden nach Schluss des Konkursverfahrens weitere zur Masse gehörende Vermögensstücke entdeckt, so verwertet das Konkursamt diese ohne Förmlichkeit. Der Ertrag wird nach Kollokationsplan verteilt18). Das Konkursverfahren muss innerhalb eines Jahres seit der Konkurseröffnung durchgeführt werden19).
Besonderheiten Betreibung auf Pfändung
Wenn der Schuldner auf Pfändung betrieben wird, kann der Gläubiger 20 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls das Pfändungsbegehren stellen. Das Betreibungsamt hat nach Empfang des Begehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen.
In erster Linie werden das bewegliche Vermögen und die Forderungen gepfändet. Die Verteilung des Erlöses findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind20). Zuerst werden die Kosten der Verwertung und der Verteilung bezahlt. Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses und der Betreibungskosten, ausgerichtet. Können nicht sämtliche Gläubiger befriedigt werden, entwirft das Betreibungsamt wie bei der Betreibung auf Konkurs einen Kollokationsplan21). Für ungedeckt bleibende Forderungen erhalten die Gläubiger einen Verlustschein.
Übersicht: Fristen bei der Betreibung
Bei einer Betreibung ist es wichtig, die Fristen zu beachten. Die im SchKG aufgestellten Fristen können durch Vertrag nicht abgeändert werden. Ein Schuldner kann darauf verzichten, die Nichtbeachtung einer Frist geltend zu machen, wenn diese ausschliesslich in seinem Interesse aufgestellt wurde22).
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Frist zur Bezahlung der Schuld nach Zustellung des Zahlungsbefehls: 20 Tage bei der Betreibung auf Konkurs oder Pfändung.
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Betreibung auf Pfandverwertung: einen Monat bei einem Faustpfand, 6 Monate bei einem Grundpfand.
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Wechselbetreibung: 5 Tage.
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Betreibung auf Pfandverwertung: ein Monat bei Faustpfand, sechs Monate bei Grundpfand.
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Frist zum Einreichen des Rechtsvorschlages:
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10 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls, bei der Wechselbetreibung 5 Tage.
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Frist zur Weiterziehung des Entscheides über den Rechtsvorschlag bei der Wechselbetreibung: 5 Tage.
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Frist zum Einreichen des Fortsetzungsbegehrens: frühestens 20 Tage, höchstens ein Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls.
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Konkursbegehren: 20 Tage bis 15 Monate nach der Zustellung der Konkursandrohung beim Konkursgericht.
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Frist für Beschwerden gegen Anordnungen des Betreibungsamtes: 10 Tage.
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Anmelden der Forderungen beim Konkurs: 1 Monat nach der öffentlichen Bekanntmachung.
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Begehren, um an einer Pfändung teilzunehmen: 30 Tage nach dem Vollzug einer Pfändung.
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Verwertungsbegehren für gepfändete Vermögensstücke oder Faust- und Grundpfänder: einen Monat bis ein Jahr für bewegliche Vermögensstücke und Forderungen; sechs Monate bis zwei Jahre für Liegenschaften.
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Forderungen; sechs Monate bis zwei Jahre für Liegenschaften.
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Beschwerde gegen Beschlüsse der Gläubigerversammlung: fünf Tage.
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Anfechtung des Kollokationsplanes: zwanzig Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung am Konkursort.
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Verjährung des Verlustscheines: 20 Jahre.
Schuldensanierung
Wenn eine Privatperson oder Firma Schulden hat, bestehen auch andere Möglichkeiten als die Betreibung bis zum Konkurs bzw. auf Pfändung.
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Ratenzahlungen: Im Interesse der Beteiligten liegt es, sogleich die Gesamtschuld zu tilgen. Der Schuldner kann mit den Gläubigern regelmässige Ratenzahlungen zur Tilgung der Schuld vereinbaren. Empfohlen werden monatliche Zahlungen, wobei natürlich auch andere Abstände möglich sind. Die Raten legt man proportional zur Höhe der eigentlichen Schuld fest. Dieses Verfahren ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Schuldner genügend Mittel zur Verfügung hat, um die Schulden in absehbarer Zeit (höchstens 3 bis 4 Jahre) zurückzubezahlen.
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Der aussergerichtliche Nachlassvertrag (Teilerlass): Darunter versteht man einen Nachlassvertrag, der ohne die Mitwirkung des Konkursrichters geschlossen wird. Bei diesem Verfahren wird vereinbart, dass die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das Angebot muss für alle Gläubiger im Verhältnis gleich hoch sein und jeder Gläubiger muss sich damit einverstanden erklären. Stimmt einer nicht zu, ist der aussergerichtliche Nachlass normalerweise nicht durchführbar. Der aussergerichtliche Nachlassvertrag hat Chancen auf Erfolg, wenn der Schuldner genügend Mittel beschaffen kann, um die Dividende zu finanzieren. Zu diesem Zweck muss der Schuldner oft ein neues Darlehen aufnehmen und dieses auch bekommen. Bis zu dessen Amortisation sollte er keine neuen Schulden machen.
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Einvernehmliche private Schuldenbereinigung: Diese ist dann zweckmässig, wenn der Schuldner oder die Schuldnerin in der Lage ist, auf Grund der finanziellen Verhältnisse die Schulden zu sanieren. Die einvernehmliche private Schuldenbereinigung kann über das Gericht beantragt werden. Der Schuldner muss sich einen Sachwalter suchen, der die Verhandlungen mit den Gläubigern führt und die Sanierung überwacht. Das Verfahren dient dazu, den Privatkonkurs zu erschweren. Bestehen bei einer Privatperson bereits Einkommenspfändungen, müssen alle Gläubiger freiwillig bereit sein, die Pfändungen zurückzuziehen.
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Der gerichtliche Nachlassvertrag: Dieser wird meistens bei Unternehmen vorgenommen, wenn wenig Aussicht besteht, dass die Gläubiger einem Nachlassvertrag freiwillig zustimmen. Unter behördlicher Mitwirkung kann dann ein gerichtlicher Nachlassvertrag abgeschlossen werden23) . Das Verfahren ist mit Kosten verbunden und benötigt relativ viel Aufwand. Bei nachweislich leichtfertiger oder unredlicher Handlung seitens der verschuldeten Person kann das Gericht den Nachlassvertrag verweigern.
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Der Privatkonkurs: Nach Art. 191 SchKG kann sich eine Person selber als insolvent erklären. Der Privatkonkurs muss beim Konkursrichteramt beantragt werden und es wird ein Vorschuss von rund CHF 5’000 verlangt. Der Richter eröffnet den Konkurs, wenn keine Aussicht auf eine einvernehmliche Schuldenbereinigung nach Art. 333 ff. SchKG besteht. Mit der Konkurseröffnung fallen die bereits vollzogenen Pfändungen (auch Lohnpfändungen) dahin. Die Konkurseröffnung wird im Amtsblatt und/oder im offiziellen Publikationsorgan der Region veröffentlicht. Die Post der überschuldeten Person kann für den Zeitraum von 6–8 Wochen über das Konkursamt geleitet und dort kontrolliert werden. Bank- und Postcheckkonten können gesperrt werden. Die Gläubiger erhalten für die nicht gedeckten Forderungen einen Konkursverlustschein. Die verschuldete Person kann erst wieder betrieben werden, wenn sie zu neuem Vermögen gekommen ist oder über vermögensbildendes Einkommen verfügt (maximal 20 Jahre). Nach der Rechtsprechung gilt neues Vermögen dann als vorhanden, wenn die verschuldete Person allein oder mit dem Ehepartner zusammen ein Einkommen erzielt, das ihr ohne weiteres erlauben würde, solches zu bilden. Der Privatkonkurs erlaubt separate Vereinbarungen mit jedem Schuldner über den Rückkauf des Verlustscheins durch den Schuldner. Die Eintragungen im Konkursregister werden erst gelöscht, wenn der Schuldner sämtliche Verlustscheine zurückgekauft und zur Löschung eingereicht hat.
Notwendiges Einkommen für Schuldentilgung
Für alle Formen der Schuldensanierung benötigt der Schuldner ein regelmässiges, gesichertes Einkommen, das über dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegt. Empfohlen werden monatliche Rückstellungen von 1/12 der laufenden Steuern. Natürlich muss es dem Schuldner möglich sein, eine angemessene Quote der Schulden zu tilgen. Dazu braucht es für Privatpersonen, aber auch für Unternehmen eine hohe Motivation, sich über Monate oder Jahre finanziell sehr einzuschränken und vor allem keine neuen Schulden zu machen. Natürlich sollten die im Rahmen der Schuldensanierung eingegangenen Verpflichtungen fristgerecht erfüllt werden.
Vorteile privater Regelungen gegenüber gerichtlichen Regelungen
Die privaten Regelungen haben gegenüber den gerichtlichen Vorteile. Für die Gläubiger entstehen weniger Kosten (vor allem zur Bezahlung von Behörden), wodurch mehr Erlös zu erwarten ist. Der Schuldner hat den Vorteil, dass private Regelungen nicht veröffentlicht werden und man sie diskret abschliessen kann. Der Privatkonkurs kann allerdings mit Nachteilen für die Karriere verbunden sein und bei Ausländern die Einbürgerung erschweren.
Die einvernehmliche private Schuldenbereinigung
Ein Schuldner, der nicht der Konkursbetreibung unterliegt, kann beim Nachlassrichter die Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung beantragen24) . Das SchKG bestimmt darüber Folgendes: Der Schuldner hat in seinem Gesuch seine Schulden sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Wenn die Schuldenbereinigung mit den Gläubigern nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint und die Kosten des Verfahrens sichergestellt sind, so gewährt der Nachlassrichter dem Schuldner eine Stundung von höchstens drei Monaten und ernennt einen Sachwalter. Auf Antrag des Sachwalters kann die Stundung auf höchstens sechs Monate verlängert werden. Sie kann vorzeitig widerrufen werden, wenn eine einvernehmliche Schuldenbereinigung offensichtlich nicht herbeizuführen ist. Während der Stundung kann der Schuldner nur für periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge betrieben werden. Der Entscheid des Nachlassrichters wird den Gläubigern mitgeteilt.
Der Sachwalter unterstützt den Schuldner beim Erstellen eines Bereinigungsvorschlags. Der Schuldner kann darin seinen Gläubigern insbesondere eine Dividende anbieten oder sie um Stundung der Forderungen oder um andere Zahlungs- oder Zinserleichterungen ersuchen. Der Sachwalter führt mit den Gläubigern Verhandlungen über den Bereinigungsvorschlag des Schuldners. Der Nachlassrichter kann den Sachwalter beauftragen, den Schuldner bei der Erfüllung der Vereinbarung zu überwachen. Wird in der Folge ein Nachlassverfahren durchgeführt, rechnet man die Dauer der Stundung nach den Artikeln 333 ff. SchKG auf die Dauer der Nachlassstundung an.
Zwangsvollstreckung durch nicht zustimmende Gläubiger
Die einvernehmliche private Schuldenbereinigung ist eine aussergerichtliche Vereinbarung. Die nicht zustimmenden Gläubiger können ihre Forderungen mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung geltend machen. Deswegen hat das Obergericht Aargau entschieden, dass die einvernehmliche private Schuldenbereinigung nicht durch den Nachlassrichter genehmigt werden muss.
Das Obergericht begründete das mit folgenden Argumenten:
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Das Wesentliche an der einvernehmlichen Schuldenbereinigung ist, dass es sich bei dieser Vereinbarung um einen aussergerichtlichen Vergleich handelt, dessen Gestaltung einzig in der Übereinkunft zwischen den Parteien liegt. Dabei müssen nicht alle Gläubiger gleich gestellt werden. Im Prinzip ist auch nicht notwendig, dass sämtliche Gläubiger zustimmen. Verbindlich ist die Lösung nur für die akzeptierenden Gläubiger.
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Die nicht zustimmenden Gläubiger können ihre Forderungen mit den Mitteln der Zwangsvollstreckung geltend machen. Deswegen unterliegt die einvernehmliche private Schuldenbereinigung nicht der Genehmigung durch den Nachlassrichter. Dessen Aufgaben sind nur folgende: Er muss die Aussichten bzw. die Aussichtslosigkeit des Gesuches überprüfen. Ist das Gesuch sinnvoll, muss er die Stundung bewilligen. Weiter hat er für die Sicherstellung der Verfahrenskosten zu sorgen und einen Sachwalter zu beauftragen.
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Wenn die Schulden auf Grund des Verfahrens nicht bereinigt werden, kann der Schuldner nach Abschluss der Bemühungen die Durchführung eines Nachlassverfahrens oder die Eröffnung des Konkurses beantragen. Die Gläubiger können ihrerseits die Mittel der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner einsetzen. Es bedarf keiner behördlichen Feststellung der Beendigung des Verfahrens bzw. des Gelingens oder Scheiterns der privaten Schuldenbereinigung.
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Das Obergericht fügte hinzu, dass dem Sachwalter keine Verfügungskompetenz zusteht. Die Aufgaben des Sachwalters sind in Art. 335 SchKG umschrieben (Unterstützung beim Erstellen des Bereinigungsvorschlages, Verhandlungführung, Überwachung der Erfüllung auf Antrag des Nachlassrichters).
Exkurs: EU-Verordnung über Insolvenzverfahren
Im Mai 2000 erliess der Rat der Europäischen Union eine Verordnung über die grenzüberschreitende Wirkung von Insolvenzverfahren in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Diese Verordnung trat am 31. Mai 2002 in Kraft. Seit diesem Datum müssen die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens eines Mitgliedsstaates der europäischen Union in anderen Mitgliedsstaaten anerkannt werden. Dabei ist nur Dänemark ausgenommen, das der Verordnung nicht zugestimmt hatte.
Die Verordnung gilt für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben.
Anwendungsbereich und Zuständigkeit
Von der Verordnung nicht erfasst werden Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten sowie Wertpapierfirmen, die Gelder oder Wertpapiere Dritter anlegen und von Organisationen für gemeinsame Anlagen.
Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des EU-Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des Sitzes nach der Satzung ist.
Die Gerichte eines anderen EU-Mitgliedstaats sind nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung in dem betreffenden Staat hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet des Niederlassungsstaates gelegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Dieses Verfahren gilt als Sekundärinsolvenzverfahren und muss ein Liquidationsverfahren sein, wenn vorher bereits in einem anderen Mitgliedstaat ein Verfahren eröffnet war.
Anwendbares Recht
Für ein Insolvenzverfahren und seine Wirkungen gilt das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird. Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere:
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bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist
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welche Vermögenswerte zur Masse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind
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die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters
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die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung
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wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt
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wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmassnahmen einzelner Gläubiger auswirkt, ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten
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welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen
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die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen
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die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden
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die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich
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die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens
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wer die Kosten des Insolvenzverfahrens, einschliesslich der Auslagen, zu tragen hat
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welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen
Beispielsweise können ausländische Staatsbürger, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, das deutsche Verbraucherinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung durchlaufen. Vor Inkrafttreten der Verordnung eröffnete Verfahren haben grenzüberschreitend keine Wirkung für Gläubiger, die sich im Ausland befinden. Dieser Sachverhalt wird für alle Insolvenzverfahren, die seit dem 31.5.2002 eröffnet wurden, geändert. Für alle ab diesem Zeitpunkt eröffneten Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren über natürliche Personen gilt, dass die Wirkungen, wie etwa die Restschuldbefreiung, dann auch in allen anderen Mitgliedsstaaten der EU anerkannt werden müssen.