Externe Risikoberichterstattung: Aus Sicht der Rechnungslegung

Für die im Mittelpunkt stehende Risikoberichterstattung der Schweizer Unternehmen soll im Folgenden zum einen dargestellt werden, welche Ziele und Anforderungen aus Unternehmenssicht zu beachten sind. Zum anderen wird dargelegt, welche Unterschiede im Hinblick auf die Risikotransparenz entlang der verschiedenen Rechnungslegungsstandards existieren. Darüber hinaus werden die empirischen Ergebnisse einer eigenen Untersuchung über die Risikopublizität der grössten Schweizer Unternehmen vorgestellt, um den aktuellen Entwicklungsstand in diesem Bereich aufzuzeigen. Abschliessend wird der Stand der Risikoberichterstattung aus Sicht der Regulierung diskutiert und ein Ausblick auf die zu erwartende Weiterentwicklung gegeben.

03.01.2023 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Externe Risikoberichterstattung

Einleitung

Die externe Risikoberichterstattung von Schweizer Unternehmen hat in den letzten Jahren einen beachtlichen Bedeutungszuwachs erfahren. Das grundlegende Bedürfnis der verschiedenen Anspruchsgruppen (engl. Stakeholder) von Unternehmen nach risikorelevanten Informationen erhielt durch Ereignisse wie die jüngste Finanzmarktkrise oder den Steuerstreit mit den USA und der EU noch zusätzliche Beachtung, weil sie für einige Unternehmen existenzbedrohende Auswirkungen hatten. Das lange vorherrschende Risikoverständnis, welches vor allem auf die Risiken und Interessen der Anteilseigner (engl. Shareholder) einer Unternehmung fokussierte, gilt in der heutigen Zeit weitgehend als überholt, zumal längst nicht nur die Shareholder, sondern alle Stakeholder gegenüber einer Unternehmung als Risikoträger und Risikoproduzenten auftreten können. Stakeholderorientiertes Risikomanagement stellt somit eine Aufgabe der Unternehmensführung dar, mit der die Erfassung, Beurteilung und Steuerung sämtlicher relevanter Unternehmensrisiken aus Sicht aller Anspruchsgruppen einer Unternehmung erfolgt.

Die externe Risikoberichterstattung ist heute längst zum festen Bestandteil der Rechnungslegung bzw. der Finanzberichterstattung von Schweizer Unternehmen geworden und doch erscheint sie in Abhängigkeit vom jeweiligen Rechnungslegungsstandard höchst unterschiedlich in Bezug auf Inhalte, Form und Umfang. Diese Unterschiede gehen auf die Regulierung der Risikoberichterstattung zurück und erscheinen daher auch auf den ersten Blick nicht überraschend, weil zahlreichen Normen der Unternehmensaufsicht sowie Erwartungen der Stakeholder Rechnung getragen werden muss. So geht es beispielsweise aktuellen und potenziellen Investoren vor allem darum, die Erkenntnisse der Risikoberichterstattung für ihre Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen zu nutzen. Eine Studie von Ernst & Young zeigte in diesem Zusammenhang, dass der Nutzen von Risikomanagement aus Investorensicht vor allem darin gesehen wird, dass grössere finanzielle Stabilität, mehr Sicherheit für Profitabilität und somit insgesamt ein geringeres Investitionsrisiko erreicht wird. Dagegen orientieren sich die Fremdkapitalgeber ebenso wie die Mitarbeitenden von Unternehmen eher am Gläubigerschutz- und dem damit zusammenhängenden Vorsichtsprinzip in der Rechnungslegung, weshalb sie die Risikoberichterstattung als Informationsquelle betreffend bestehender oder potenzieller Gefährdungen der Unternehmensexistenz schätzen.

Sowohl die jeweiligen Standardsetter als auch der Gesetzgeber erachten die Risikoberichterstattung als eine mit der Rechnungslegung der Unternehmen in Zusammenhang stehende Informationspflicht. So hatte beispielsweise die im Schweizer Obligationenrecht geregelte bisherige Rechnungslegung der Unternehmen bereits mit der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (OR) vom 23. Juni 2004 eine explizite Risikoberichterstattung der Unternehmen eingefordert. Mit Art. 663b Ziff. 12 OR wurde auf den 1. Januar 2008 eine neue Bestimmung im Obligationenrecht in Kraft gesetzt, wonach im Anhang der Jahresrechnung Angaben über die Durchführung einer Risikobeurteilung offenzulegen sind. Diese Regelung trifft grössenunabhängig alle Organisationen, für die die aktienrechtlichen Vorschriften zur Rechnungslegung gelten. Sie war für die Schweizer Rechnungslegung ein Novum, da bis dahin die Notwendigkeit einer externen Risikoberichterstattung lediglich von den heutigen anerkannten Standards zur Rechnungslegung bekannt war. Hintergrund dieser Neuregelung der externen Risikoberichterstattung war es gemäss der Botschaft, dass einem Leser der Jahresrechnung die das Unternehmen betreffenden Risiken aus den sich ständig ändernden Bedingungen im technischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Umfeld explizit dargelegt werden sollten. Die damalige Regelung erweiterte damit den Verantwortungsrahmen des Verwaltungsrats, welcher gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziff. 6 OR für die Erstellung eines Geschäftsberichts verantwortlich ist, welcher im Einklang mit den gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen steht.

Seit der auf den 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts in der Schweiz gelten für die externe Risikoberichterstattung wiederum neue Bedingungen, weil nun externen über die Durchführung einer Risikobeurteilung nur noch von grösseren Unternehmen im Lagebericht berichtet werden muss. Diese Regelung steht damit im Einklang mit den Anforderungen des aktuellen Schweizer Rechnungslegungsrechts, welches an die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmen anknüpft und nicht wie in der Vergangenheit an die Rechtsform.

Wenn es ein begründetes Interesse am Risikomanagement und der nach aussen gerichteten Risikoberichterstattung vonseiten der verschiedenen Stakeholder einer Unternehmung gibt, so stellt sich die zentrale Frage, inwieweit diese Interessen durch die bestehenden normativen Regeln und Gesetze berücksichtigt werden und wie die praktische Umsetzung auf Unternehmensseite erfolgte. Die Praxis der externen Risikoberichterstattung ist dahingehend kritisch zu hinterfragen, inwiefern sie die berechtigten Stakeholder-Interessen auch angemessen abbildet.

Grundlagen der Risikoberichterstattung

Relevanz, Ziele und Adressaten

Während sich das Risikomanagement seit Jahren einer hohen Aufmerksamkeit in der Praxis und Wissenschaft erfreut, erhält die externe Risikoberichterstattung vor allem in der Schweiz nur vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Dies verwundert, da einerseits der Risikoberichterstattung aus theoretischer Perspektive sowie aus der Perspektive des Kapitalmarkts sehr wohl eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Andererseits ist unter Bezug auf die vorherrschende Unternehmensgrössenstruktur der Schweiz ein Anteil von ca. 99 % aller Unternehmen der Gruppe der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) zuzurechnen, welche erfahrungsgemäss wenig kapitalmarktorientiert agieren und folglich auch kein hohes Interesse an der Erstellung einer aussagekräftigen Risikoberichterstattung besitzen. Die externe Risikoberichterstattung besitzt somit vor allem Bedeutung für kapitalmarktorientierte Unternehmen, zumal diese den Kapitalmarkterwartungen nach Risikotransparenz entweder aus regulatorischen Gründen nicht ausweichen können oder sich diesen nur mit erheblichen Nachteilen bei der Kapitalbeschaffung entziehen können.

Aus einer kapitalmarktorientierten Perspektive ist es das Ziel der externen Risikoberichterstattung, vor allem den unternehmensexternen Adressaten eine verlässliche und zugleich entscheidungsnützliche Informationsquelle zur Verfügung zu stellen, mittels derer die wirtschaftliche Lage, die zukünftige Entwicklung und die Risikoexposition des Unternehmens besser eingeschätzt werden können. Aus Corporate-Governance-Sicht folgt diese Zielsetzung dabei vor allem den Interessen der Anteilseigner bzw. Aktionäre, da bei börsenkotierten Aktiengesellschaften eine dominante Ausrichtung der externen Berichterstattung an den Informationsbedürfnissen dieser Gruppe besteht und weiterhin davon ausgegangen wird, dass hierüber implizit auch die Interessen weiterer Stakeholder befriedigt werden können. Diese Auffassung wird jedoch von den Vertretern der Stakeholder-Theorie als überholt bewertet, da auch andere Stakeholder über wichtige Ressourcen für das Unternehmen verfügen, weshalb die Risikoberichterstattung grundsätzliche Relevanz für alle Stakeholder besitzt. Allerdings ist im Hinblick auf die Stakeholder-Interessen an der externen Risikoberichterstattung festzustellen, dass die Interessen der Anspruchsgruppen in Abhängigkeit von der (Rechts-)Beziehung zum Unternehmen variieren:

  • Anteilseigner bzw. Aktionäre, welche ihr Kapital dem Unternehmen zur Verfügung stellen, sind vor allem daran interessiert, wie die das Unternehmen betreffenden Risiken zu beurteilen sind. Sie wollen einschätzen können, ob das Unternehmen fähig ist, eine Dividende auszuschütten. Um dies abzuschätzen, benötigen sie die entsprechenden Informationen aus Geschäfts- und Risikobericht.
  • Fremdkapitalgeber tragen das Risiko, bereitgestellte Darlehen vom Unternehmen inklusive Zinsen bei Fälligkeit nicht zurückzuerhalten. Um dieses Risiko zuverlässig bewerten zu können, benötigen sie genügend risikorelevante Informationen.
  • Die Mitarbeitenden richten ihren Blick auf die Stabilität und Rentabilität des Unternehmens. Sie wollen wissen, ob das Unternehmen fähig ist, die Löhne und Sozialversicherungsleistungen zu bezahlen und ob das Unternehmen auch in Zukunft die Arbeitsplätze bereitstellen kann.
  • Die Kunden der Unternehmung, hier vor allem diejenigen, welche an einer langfristigen Geschäftsbeziehung interessiert sind, erwarten detailliertere Informationen zur Fortführungsfähigkeit des Unternehmens.
  • Die Lieferanten und andere Gläubiger sind in der Regel kurzfristig orientiert und brauchen Informationen, ob das Unternehmen fähig ist, seine offenen Verbindlichkeiten zu begleichen.
  • Die öffentliche Verwaltung und ihre Institutionen sind an der Risikosituation der Unternehmen interessiert, um diese zu regulieren, die Steuerpolitik bzw. Subventionspolitik zu bestimmen und beispielsweise geeignete wirtschaftspolitische Massnahmen zu initiieren.

Wenngleich die Risikoberichterstattung von Unternehmen sich grundsätzlich sowohl an interne als auch an externe Adressaten richten kann, steht hier lediglich die externe Risikoberichterstattung im Mittelpunkt. Durch diese soll gewährleistet werden, dass die Stakeholder über risikorelevante Informationen verfügen und dass das Vertrauen in die Gesellschaft gesteigert werden kann. Die Begriffe Risk Reporting, Risikopublizität oder auch Risikooffenlegung werden weitgehend synonym zum Begriff der Risikoberichterstattung verwendet und beziehen sich ebenso auf die Darstellung von Risikoinformationen und Risikoparametern gegenüber unternehmensexternen Adressaten. Die Risikooffenlegung in Theorie und Praxis findet sachlogisch ihren Platz im Geschäftsbericht, da dieser für die externen Adressaten immer noch die zentrale Informationsquelle ist und folglich einen bedeutenden Teil der Unternehmenskommunikation ausmacht.

Theoretischer Bezugsrahmen

Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Risikoberichterstattung ist im Kontext der Corporate Governance von Unternehmen zu sehen und kann aus theoretischer Sicht unter Rückgriff auf die Prinzipal-Agent-Theorie sowie die Kommunikationstheorie gestützt werden.

Mit der Prinzipal-Agent-Theorie wurde die Kritik an den bis dahin verbreiteten traditionellen Governance-Modellen deutlich, da Anteilseigner einer Unternehmung ihre Interessen durch angestellte Manager schlecht vertreten sahen, weil diese ihre Handlungsweisen und Führungsentscheidungen primär am eigenen Nutzen orientierten. Als ursächlich hierfür wird das grundlegende Dilemma beschrieben, das sich in einem ungleichen Informationsstand (Informationsasymmetrie) zwischen einem Prinzipal (Auftraggeber) und einem Agenten (Auftragnehmer) widerspiegelt. Dieses Informationsungleichgewicht entsteht in einem Unternehmen vor allem dann, wenn die Anteilseigner bzw. Investoren (Prinzipal) das Verhalten und Vorgehen des Managements (Agent) in Bezug auf das Risikomanagement nicht hinreichend überwachen können und so zu keiner oder nur einer unvollständigen Risikoeinschätzung gelangen. Das Management verfügt dagegen selbst über Informationsvorteile hinsichtlich der tatsächlichen Risikosituation der Unternehmung, welche es opportunistisch zu nutzen weiss. Werden jedoch in der Risikoberichterstattung sowohl die aktuelle Risikosituation als auch diesbezügliche Prognosen offengelegt, kann das Management das Vertrauen des Prinzipals gewinnen, die Informationsasymmetrie beseitigen und die Effizienz der Kapitalmärkte verbessern. Dies führt dazu, dass in der Praxis ein Verwaltungsrat als zuständiges Leitungsorgan mittels der externen Risikoberichterstattung zu höherer Transparenz gegenüber den Anspruchsgruppen beitragen kann, was wiederum zur Senkung der Kapitalkosten führt, zumal die Investoren in Abhängigkeit vom individuellen Unternehmensrisiko eine Risikoprämie fordern.

Ferner wird durch die externe Risikoberichterstattung auch das Vertrauen aller Adressaten in die Leitungsorgane einer Unternehmung gestärkt, sofern im Risikobericht alle wesentlichen Risiken aufgeführt sind und deren Informationsgehalt verlässlich ist. Durch die Risikotransparenz kann die Unternehmensführung ebenfalls signalisieren, dass sie über ein fortschrittliches Risikomanagement verfügt.

Stakeholder-Anforderungen und Grundsätze

“Taxpayers bear the cost if things go wrong, but stockholders and executives get the benefits if things go right”. Dieses Zitat des US-amerikanischen Nobelpreisträgers Paul Krugman beschreibt das Dilemma einer ungleichen Risikoverteilung sowie der Folgen aus fehlendem oder unzureichendem Risikomanagement in Unternehmen, welches zuletzt in Zusammenhang mit der staatlich geförderten Bankenrettung infolge der Subprime-Krise auch in der Schweiz zum Thema wurde. Ein die Stakeholder-Interessen gleichermassen berücksichtigendes, zeitgemässes Risikomanagement in Unternehmen ist ein wichtiges Element guter Corporate Governance. Ziel muss es daher sein, dass die Stakeholder im Sinne einer guten Corporate Governance mittels Risikoberichterstattung vollständige und richtige Informationen über die Risikosituation des Unternehmens erhalten.

Ein auf Freiwilligkeit abstützendes, vom Fokus der formalen Bearbeitung von rechtlichen Richtlinien abweichendes Governance Reporting kann dazu führen, dass die Stakeholder einer Unternehmung ihre Risiken besser einschätzen und entsprechend anpassen können.

Um ein umfassendes, klares und zeitnahes Risikoberichtswesen zu gewährleisten, sind ein intaktes Risikomanagement sowie ein funktionsfähiger Risikomanagementprozess zwingend notwendig. Die Anforderungen an die Risikoberichterstattung aus Sicht der Adressaten ist zum einen der Abbau von Informationsasymmetrien. Zum anderen sollte der Lagebericht über die Risiken so ausgestaltet sein, dass die Lage der kapitalorientierten Unternehmen entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen eingeschätzt werden kann.

Unter Bezug auf die Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung wird im Folgenden kurz auf drei zentralen Grundsätze einer gewissenhaften und getreuen Offenlegung der Risiken in der Risikoberichterstattung eingegangen:

Grundsatz der Klarheit

Der erste Grundsatz setzt voraus, dass das Risk Reporting der Forderung nach Genauigkeit, Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit nachkommt. Dies ist erreicht, sobald die offengelegten Informationen für die Adressaten keinen weiteren Interpretationsspielraum gewähren. Unter Verständlichkeit wird verstanden, dass der Inhalt des Berichts so angepasst ist, dass es dem Wissensstand und der Aufnahmefähigkeit der Leser entspricht. Ferner ist zu beachten, dass der Bericht so aufgebaut wird, dass die gewünschten Informationen schnell erfasst werden können, zu einem besseren Verständnis beitragen und die Berichterstattungen von verschiedenen Zeitpunkten miteinander verglichen werden können. Auf die Erstattung von unwesentlichen Risiken ist zu verzichten.

Grundsatz der Vollständigkeit

Bei der Risikoberichterstattung ist von Bedeutung, dass alle relevanten Informationen, welche die Adressaten bei ihrer Entscheidung unterstützen, enthalten sind und dass über die wesentlichen Risiken der künftigen Entwicklung berichtet wird. Hier sind auch die Informationen mit einzubeziehen, welche die Unternehmensbranche betreffen. Es geht nicht darum, dass die Berichterstattung möglichst umfassend ist und Informationen enthält, welche unwesentlich sind, sondern dass sie qualitativ vollständig ist.

Grundsatz der Verlässlichkeit

Gemäss dem Grundsatz der Verlässlichkeit wird erwartet, dass die berichtende Person bzw. Institution das Reporting nach ethischer Norm und bestem Wissen und Gewissen ausgestaltet. Die Risikoberichterstattung sollte somit möglichst objektiv sowie neutral sein und darf durch eine spezielle Ausgestaltung die Entscheidung und Beurteilung des Adressaten nicht beeinflussen. Die Informationen können auf der Vergangenheit, Gegenwart oder der Zukunft beruhen, allerdings ist sicherzustellen, dass die vergangenheits- und gegenwartsbezogenen Berichte mit der Realität übereinstimmen und die zukunftsbezogenen Informationen plausibel und nachvollziehbar sind. Annahmen sind in solchen Fällen als solche kenntlich zu machen. Selbst in Krisenzeiten oder bei fortbestandsgefährdeten Unternehmen müssen die Informationen stets willkürfrei sein und der Wahrheit entsprechen. Sie dürfen weder verfälscht noch zurückgehalten werden.

Risikoberichterstattung aus Sicht der Rechnungslegung

Die Risikokommunikation und der Informationsaustausch zwischen Risikoeignern und Stakeholdern sind nicht nur Bestandteile des Risikomanagementprozesses, sondern ebenso das Ziel der Risikoberichterstattung, die regelmässig über das Medium der Jahresrechnung bzw. des Geschäftsberichts stattfindet. Die Risikoberichterstattung kann nach Wyss im Kontext der Rechnungslegung grundsätzlich implizit und/oder explizit erfolgen:

  1. Implizit in bilanziellen Ansatz-, Ausweis- und Bewertungsvorschriften und
  2. explizit in narrativen Publizitätsinstrumenten wie etwa im Lagebericht oder im Anhang.

Im Folgenden soll die Risikoberichterstattung und ihre Besonderheiten aus Sicht der unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen für Schweizer Unternehmen aufgezeigt werden.

Schweizer Rechnungslegungsrecht (OR)

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 21. November 2012 die Revision des Rechnungslegungsrechts als Teil des Schweizer Obligationenrechts (OR) beschlossen, welche auf den 1. Januar 2013, mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren für die Jahresrechnung bzw. drei Jahren für die Konzernrechnung inkraft getreten ist.

Aktuelle Regelung gemäss OR

Gemäss dem aktuellen Rechnungslegungsrecht gilt, dass die Art. 961 grösseren Schweizer Unternehmen rechtsformunabhängig einen Lagebericht zu erstellen haben, in welchem sie explizit über die Durchführung einer Risikobeurteilung berichten (Art. 961c Abs. 2 revOR).

Zur Lageberichterstattung verpflichtet sind nur grössere Unternehmen, sofern sie zu einer der folgenden Kategorien gehören und somit zugleich der ordentlichen Revision unterliegen:

  • Publikumsgesellschaften (Art. 727 Abs. 1 Ziff. 1 OR), welche (a) Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben oder (b) Anleihensobligationen ausstehend haben oder (c) mindestens 20 Prozent der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer Gesellschaft nach Buchstabe (a) oder (b) beitragen.
  • Wirtschaftlich bedeutende Unternehmen, d.h. Gesellschaften, die zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten:
  • Bilanzsumme von 20 Millionen Franken,
  • Umsatzerlös von 40 Millionen Franken,
  • 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.
  • Gesellschaften, die zur Erstellung einer Konzernrechnung verpflichtet sind.

Die Neuregelung der Risikoberichterstattung im Lagebericht schränkt allerdings nicht nur den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen im Vergleich zur alten Regelung des Art. 663b Ziff. 12 aOR merklich ein. Durch die Verschiebung der Angabepflicht in den Lagebericht – anstelle der bisherigen Angaben im Anhang – wird auch der Inhalt der Risikoberichterstattung berührt:30)

  • Durch den engen Bezug des Anhangs zur Jahres- bzw. Konzernrechnung und seine explizite Ergänzungsfunktion war durch die rechnungslegungspflichtigen Unternehmen primär auf die Fehlerrisiken in Jahres- bzw. Konzernrechnung Bezug zu nehmen.
  • Dagegen stellt der nicht zur Jahres- bzw. Konzernrechnung gehörende Lagebericht auf die Darstellung der gesamten Unternehmenslage ab mit der Folge, dass mit diesem gesamthaft über die relevanten Unternehmensrisiken zu berichten sein wird.

Allerdings bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen, wie die zukünftige Umsetzung der Neuregelung erfolgt. Dies betrifft zugleich die Frage, inwiefern weiterhin lediglich prozessorientierte Angaben betreffend der Durchführung einer Risikobeurteilung im Sinne der bisherigen Minimalvariante zu erwarten sind, oder ob sich allenfalls der Umfang und die Aussagekraft der Risikoberichterstattung erweitern wird.

Abschliessendes Fazit und Ausblick

Das Hauptziel einer Risikoberichterstattung wäre grundsätzlich, die Informationsasymmetrie abzubauen und daraus das Vertrauen der verschiedenen Stakeholder zu steigern, denn die ungleiche Verteilung von Risikoinformationen zwischen dem Management und den Stakeholdern eines Unternehmens bildet ein Problem, welches durch eine freiwillige und umfassende Risikoberichterstattung grundlegend reduziert werden kann und sich zugleich positiv auf das Unternehmen und seine Kapitalkosten auswirkt. So weist die Studie von Cormier et al. (2010) eine Reduktion der Kosten auf dem Aktienkapital (cost of equity capital) von 0,47 % bei der Publikation von Governance-Praktiken aus. Bei Firmen mit einem guten Corporate-Governance-Ranking erhöht sich diese Reduktion der Kapitalkosten sogar auf 1,26 %. Diese Angaben zeigen, dass es einen finanziell lohnenswerten Anreiz zu einer erweiterten Risikoberichterstattung durch Unternehmen gibt. Der “Mehr”-Wert einer Unternehmung zeigt sich somit nicht durch das Erfüllen von standardisierten Governance-Aspekten, sondern durch das erweiterte Aufzeigen von Prozessen dahinter. Diese Überlegungen beeinflussen deshalb nicht nur die nichtmessbaren Charakteristiken, sondern führen bei einem hohen Standard der Risikoberichterstattung zu einer Prämie auf den Aktienkurs.

Dass der nichtfinanzorientierten Berichterstattung eine zunehmende Relevanz zukommt, wird auch in einer Studie von Watts bestätigt, in der rund 40 % der Befragten (Institutionelle Investoren) den Miteinbezug solcher Reporte erwägen. Gemäss einer Studie der KPMG sind 80 % der befragten englischen Fondsmanager bereit, eine Prämie für Unternehmungen mit einer guten Governance zu bezahlen. Die Prämie, welche die Befragten zu bezahlen bereit wären, wurde im Durchschnitt mit 11 % beziffert.

Der Mehraufwand einer umfassenden Risikoberichterstattung wird sich kurzfristig kaum in finanziellem Erfolg messen lassen. Die Wahrnehmung der Stakeholder gegenüber der Unternehmung wird jedoch ändern und damit die Qualität des Images verbessern. Insbesondere der positive Einfluss auf die Reputation ist bei einer hohen Visibilität und Glaubwürdigkeit der Risikoberichterstattung zu erwähnen.

Eine umfassende Risikoberichterstattung erlaubt, dass die Stakeholder ihre Risiken besser einschätzen und anpassen können. Dieses Handeln der Anspruchsgruppen führt zu Konsequenzen für die Unternehmung, was wiederum disziplinierend wirkt. In Zukunft müssen Unternehmungen bedenken, wie sie einer Gruppe von Stakeholdern das Risiko verständlich und mit den relevanten Informationen offenlegen können. Aufgrund der Dynamik von Risiken gilt es zudem, sich Gedanken über die Kommunikation (Zeitpunkt, Form, Kommunikationsmittel, Updates) mit den Stakeholdern zu machen.

Die empirischen Einblicke am Beispiel von zwei Untersuchungen haben gezeigt, dass die Risikoberichterstattung im Kontext der Rechnungslegung aus Sicht der Stakeholder noch verbessert werden kann. Die Gründe, warum sich Unternehmen mit einer transparenten Unternehmensberichterstattung schwertun, sind vielfältig und lassen sich in drei Kategorien einordnen:

  • Mangelnde Fähigkeit zur Erhöhung der Informationstransparenz, d.h. keine zusätzlichen personellen Kapazitäten, keine finanziellen Ressourcen, kein Wissen über die wahren Informationsbedürfnisse des Marktes, deren Gewichtung und Unzufriedenheit mit der gängigen Unternehmensberichterstattung.
  • Heterogenität der Stakeholder und deren unterschiedlichen Vorbildung bzw. Informationsstand und Informationsbedürfnisse.
  • Mangelnde Bereitschaft zur Erhöhung der Informationstransparenz, d.h. Angst vor Weitergabe von Informationen, aus denen der Wettbewerb Nutzen ziehen könnte oder Angst vor Weitergabe von Informationen, die unsicher, nachteilig und/oder unqualifiziert sein könnten.

Zusammenfassend wird damit deutlich, dass Unternehmungen, welche mit ihrer Risikoberichterstattung die Erwartungen ihrer Stakeholder erfüllen, auf eine nachhaltige Wertgenerierung und strategische Vorteile setzen können. Diese beeinflussen Komponenten wie den Aktienpreis, die Reputation, den Kapitalzugang, die Mitarbeiterzufriedenheit, die Kundenloyalität sowie das Corporate Citizenship positiv.

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