Finanzierung: Factoring als Alternative

Die monatliche Bankenstatistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigte per Ende März 2022: Unternehmen mit einer Betriebsgrösse bis und mit neun Mitarbeitern beanspruchten Bankenfinanzierungen von rund CHF 270 Mrd. Nur gerade CHF 25 Mrd. oder 9,3% der Gesamtausleihungen von Banken an KMU genannter Grössenordnung waren ungedeckt. Nicht in der SNB-Statistik aufgeführt sind Finanzierungsalternativen wie Factoring oder Crowdlending. Diese Formen können einem Unternehmen zu einer ausgewogenen Finanzierung verhelfen.

16.06.2022 Von: Patrick Langenauer
Finanzierung

Grenzen einer Bankenfinanzierung

Von 2016 bis März 2022 nahmen gemäss SNB die Bankenfinanzierungen an KMU bis und mit 9 Mitarbeitenden um CHF 63.5 Mrd. zu, wobei das Wachstum auschliesslich mit gedeckten/besicherten Krediten generiert wurden. Die Unternehmensfinanzierung über Banken funktioniert grundsätzlich gut in der Schweiz. Kantonal-, Raiffeisen-, Regional- und Grossbanken sind sich ihrer Verantwortung gegenüber dem lokalen Gewerbe bewusst und suchen Finanzierungslösungen. Mit Schaffung von speziellen Gefässen können Finanzinstitute auch Jungunternehmen in der Startphase unterstützen. Folgendes gilt es bei Bankenfinanzierungen aber zu beachten:

  • Regulierungen und Eigenkapitalunterlegungsvorschriften setzen einer Bankfinanzierung Grenzen.
  • Der Initialprozess für die Aussetzung eines Kredits und die laufende Überwachung des Engagements durch die Bank ist aus Sicht vieler Gewerbetreibender mit hohen Aufwendungen verbunden (jährliche Einreichung von Jahresabschlüssen, Budgets, Liquiditätsplanung, Steuererklärungen etc.).
  • Übersteigt der Unternehmenskreditbedarf den «Kreditappetit» der Bank, sind zusätzliche – meist private Sicherheiten – zu liefern.
  • Klassische Bankkredite sind eher starr und passen sich nicht flexibel der Geschäftsentwicklung an.
  • Erfahrungsgemäss sind Bankfinanzierungen innert 4 bis 6 Jahren zu amortisieren, was die finanzielle Flexibilität und damit verbundene Unternehmensentwicklung erheblich limitiert.

Schränken die genannten Punkte das Unternehmen zu sehr ein, sind weitere Optionen zu prüfen. Zusätzliche Formen der Aussenfinanzierungen sind Factoring, Leasing oder Crowdlending, wobei die letzten beiden Finanzierungsarten sich tendenziell für Investitionsgüter eignen. Factoring als Instrument der Umlaufvermögensfinanzierung bzw. -bewirtschaftung ist weniger bekannt und spielt in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland eine untergeordnete Rolle.

Die Alternative Factoring kurz erklärt

Beim Factoring tritt eine Firma Forderungen gegenüber ihren Kunden/Abnehmern an ein spezialisiertes Finanzunternehmen – Factor genannt – ab. Der Factor bezahlt die ausstehenden Summen sofort bei Übernahme der Forderungen an die verkaufende Firma, übernimmt das Ausfallrisiko und erledigt das Debitoren-Management. Dafür werden eine Factoring-Gebühr und ein Zins verrechnet.

Chancen mit Factoring

Mit Factoring besteht in Situationen, in denen ein Bankkredit die Umlauffinanzierungsbedürfnisse des KMU nicht erfüllt, eine Alternative. Folgende Merkmale kennzeichnen das Factoring:

  • Die Ausgestaltung des Factorings richtet sich nach den unternehmerischen Möglichkeiten, unter Einhaltung von Standesregeln.
  • Gegenseitiges Kennenlernen sowie Vertrauen ist Basis für die Zusammenarbeit und damit die Einreichung gewisser Unterlagen für die erstmalige Prüfung unerlässlich. Läuft das Factoring, erhält das KMU vom Factor wertvolle Führungsinformationen zu seinen Debitoren.
  • Die Finanzierung erfolgt einzig über den Verkauf von Forderungen. Es sind keine weiteren Sicherheiten wie private Solidarbürgschaften oder Schuldtitel zu hinterlegen.
  • Das Factoring wächst automatisch mit dem Unternehmen mit.
  • Amortisationen sind keine zu leisten, die Debitoren sind dafür besorgt.
  • Die Finanzierungsabhängigkeit von Banken kann reduziert und der Fremdkapitalmix ausgewogener gestaltet werden.

Das Dienstleistungsspektrum von Factoring geht weit über die Finanzierung hinaus und bietet KMU einen echten Mehrwert, insbesondere bei der Entlastung von administrativem Aufwand und Minderung des Zahlungsausfallrisikos. Die Auslagerung der Debitorenbuchhaltung in Kombination mit der Finanzierung an einen professionellen Partner ist je nach Unternehmenssituation sinnvoll, da die Steuerung der Unternehmensliquidität zentraler Baustein der finanziellen risikogerechten Führung ist.

Fazit

Die Nutzung von Factoring schliesst eine parallele Bankfinanzierung nicht aus und kann Bestandteil einer ausgewogenen Finanzierung sein. Wird Factoring auf den Finanzierungsteil reduziert und mit Bankkrediten verglichen, kann es konditionell nicht mithalten und ist zu teuer. Die Unternehmensführung muss bei der Finanzierungswahl die Factoring-Mehrwerte den Kosten gegenüberstellen und im Sinne der zukünftigen Unternehmensentwicklung entscheiden.

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