Energiekrise: Was tun, wenn Margen und Liquidität wegschmelzen?

Die aktuellen Energiepreise stellen Unternehmen teils vor enorme Herausforderungen. PwC hat für Familienunternehmen und KMU einen Handlungskatalog zusammengestellt, der einen strukturierten Vorgehensansatz zum Umgang mit der Energiekrise vorstellt.

25.04.2023 Von: Hanspeter Rytz, Roland Schegg
Energiekrise

Ausgangslage

Verschiedenste Betriebe sind aktuell teils mit massiv erhöhten Energiekosten konfrontiert. Wer im freien Strommarkt bezieht, konnte in den letzten zehn Jahren häufig von günstigeren Preisen gegenüber der Grundversorgung profitieren. Momentan kaufen Unternehmen ohne frühzeitige Fixierung der Stromkontrakte jedoch den Strom zu einem mehrfach höheren Preis ein. Bei Erdgas und Erdöl liegen die Kosten heute ebenfalls deutlich höher als noch vor einem Jahr. Eine Normalisierung der Lage zeichnet sich derzeit nicht ab.

Wie gut die Betriebe mit den hohen Strom- und Energiepreisen umgehen können, hängt unter anderem davon ab, welchen Anteil die Strom- und Energiekosten von den Gesamtkosten ausmachen und wie gut die Betriebe vor dem Preisanstieg aufgestellt waren. Viele Unternehmen haben ihre Kosten- und Ertragsstrukturen auf die Strom- und Energiepreise der letzten Jahre ausgelegt und können den plötzlichen Kostenanstieg kurzfristig nicht abfangen. Selbst finanziell gut aufgestellte Unternehmen können dadurch gar in ihrer Existenz bedroht werden.

Je nach Fall ist unterschiedlich zu handeln. Welche Handlungsspielräume die Unternehmensleitung hat, zeigt die Abbildung hier.

Kurzfristige Handlungsoptionen: Cash is King und Quick-Wins

«Quick-Wins» und die Zahlungsfähigkeit stehen in kurzfristiger Sicht im Vordergrund. Wird die Liquidität knapp, ist rasches Handeln mit entsprechenden Massnahmen gefragt. Es gilt das altbekannte Motto: «Cash is King». Der Fokus ist zunächst mit aller Kraft auf die Geldmittelfreisetzung und -beschaffung zu legen (z.B. mit Liquiditätseinschuss Stillhalteabkommen mit Schlüsselgläubigern, Verkauf bestimmter Aktiven etc.). Damit verschafft sich die Unternehmensleitung Zeit, um weitere Massnahmen in einem mittel- bis langfristigen Zeithorizont angehen zu können. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll und erfordert strukturiertes, überlegtes Handeln.

Idealerweise erkennt eine verantwortungsvolle, finanziell nachhaltige Unternehmensführung eine Liquiditätskrise frühzeitig. Aus unserer Erfahrung eignen sich dazu integrale Finanzmodelle hervorragend, um finanzielle Spielräume (oder Lücken) zeitnah zu erkennen. Diese sind im Grundaufbau bewusst einfach gehalten, damit die Kernaussagen auch von «Nicht-Finanzexperten» gut verstanden werden. Da nebst Erfolgsrechnung und Bilanz auch die Mittelflussrechnung einbezogen wird, sind alle finanziell relevanten Faktoren berücksichtigt.

Praxistipp: Wird in Monaten oder Quartalen überlegt, können zudem unterjährige Schwankungen im Umlaufvermögen einbezogen werden. Dies ist zentral, um die absehbare Zahlungsfähigkeit einschätzen zu können.

Die «normale» Finanzbuchhaltung dient bewusst als Ausgangspunkt. Damit sind Abstimmungen zwischen Finanzplanung und realem Rechnungswesen jederzeit möglich. Es wird damit in einem geschlossenen System überlegt. Genau das ist erfahrungsgemäss bei klassischen Liquiditätsplanungen ein wesentlicher Schwachpunkt, da diese mit einer tabellarischen Abbildung von Zahlungsströmen arbeiten. Vielfach ist dann die Abstimmbarkeit nur umständlich oder nicht überzeugend schlüssig möglich.

Zukunftseinschätzungen sind häufig mit Unsicherheit behaftet. Folglich ist das Denken in unterschiedlichen Szenarien wertvoll für die Unternehmensführung. Je nach relevanten Faktoren und Massnahmen können Szenarien in einem weiteren Schritt im integralen Finanzmodell «gespiegelt» werden. Dank dieser finanziellen «9er-Probe» werden finanzielle Unterschiede u.a. beim freien Cashflow und der Finanzierung sehr transparent nachvollziehbar. Da Investitionszyklen z.B. im Maschinenpark häufig acht bis zwölf Jahre umfassen, kann eine Simulation über einen weiteren Zeitraum angezeigt sein. So können u.a. Tragbarkeiten von Investitionsszenarien nachvollziehbar dargestellt werden.

Mittelfristige Handlungsoptionen mit operativem Fokus

Im weiteren Horizont, also für die nächsten sechs bis 36 Monate, rücken Prozesseffizienz und Wertschöpfung, Kosten sowie Margen im Markt in den Fokus. Es geht darum, die Ertragsfähigkeit so sicherzustellen, dass keine sogenannte Ertragskrise droht. Dies ist dann der Fall, wenn im Markt realisierte Umsätze nicht ausreichen, um die Vollkosten decken zu können. In der Regel ist eine kurzzeitige Unterdeckung bei den Abschreibungen häufig dank Reserven bei Liquidität und Eigenkapital tragbar. Jedoch wird in dieser Lage ggf. nicht genügend Geld verdient, um Investitionskredite abbezahlen zu können. Weiter resultiert auch eine ungenügende Verzinsung des Eigenkapitals.

In einer solchen Situation helfen operative Massnahmen, den Betrieb mittelfristig zu stärken. Typischerweise ist dabei nach Möglichkeiten zur Erhöhung der Energieeffizienz zu suchen oder sind Effizienz- und Produktivitätssteigerungen in Produktion und Overhead-Bereich anzugehen, um Mehrkosten zu kompensieren. Gleichzeitig ist anzustreben, einen Teil der Mehrkosten über höhere Verkaufspreise abzuwälzen. Das funktioniert vor allem dann, wenn die eigenen Produkte und Leistungen sich gut im Markt differenzieren.

Langfristige Handlungsoptionen mit strategischem Fokus

Die Aufgabe, welche die Energiekrise uns stellt, ist definitiv alles andere als einfach. Jedoch hat die erste Eurokrise aber gezeigt, dass die damals erzwungene Agilität die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe nachhaltig gestärkt hat. Es braucht dazu eine breite und doch gezielte Auseinandersetzung – auch in langer Sicht.

Gerade Schweizer Familienunternehmen und KMU entwickeln sich vielfach in steten Schritten. Einzelne Betriebe hat das in ihrer Nische an die Weltspitze gebracht. Aber ein nachhaltiges Geschäftsmodell umfasst weit mehr als herausragende Produkte oder Dienstleistungen. Dazu gehören genauso die Betrachtung von internen Prozessen, Partnerschaften oder die Pflege und der Fokus auf die Zielkundschaft. Die im Markt erreichten Umsätze und Margen müssen wie gesagt so ausfallen, dass unter dem Strich genügend Mittel resultieren, damit Investitionen, Finanzierungen sowie eine angemessene Eigenkapitalverzinsung tragbar bleiben.

Die strategische Weiterentwicklung des Geschäftsmodells ist grundsätzlich eine Daueraufgabe der Geschäftsführung, im Sinne von Evolution statt Revolution. Es geht ganz simpel darum, die Dinge nicht nur richtig zu tun, sondern auch zu validieren, was die richtigen Dinge in der Zukunft sein werden.

Eine bewährte Hilfestellung dazu bietet der Canvas-Geschäftsmodell-Ansatz (siehe Abbildung hier). Im ersten Schritt wird das heutige Geschäftsmodell beschrieben. Es geht dabei bewusst nur um drei bis fünf Punkte pro Baustein (das Modell beinhaltet neun Bausteine, u.a. Wertangebot, Schlüsselaktivitäten, Kostenstruktur, Kundenbeziehungen etc.). Dabei wird klarer, ob der eigene Fokus z.B. auf optimierten Kostenstrukturen oder auf besonders innovativen Leistungen liegt. Klingt simpel, in der Praxis zeigt sich aber, dass schon eine fokussierte Diskussion über das bestehende Geschäftsmodell im Führungsteam teils unterschiedliche Schwerpunkte und Facetten aufzeigt. Ein Konsens zum heute vorliegenden Modell ist die Voraussetzung, um dann mögliche Alternativen und Zukunftsoptionen zu überlegen.

HINWEIS: Auch hier liegt ein grosser Mehrwert im Denken in Szenarien. Zur Entwicklung solcher Szenarien stehen wiederum verschiedene bewährte Ansätze und Kreativitätstechniken zur Verfügung. Auf diese Weise wird eine durchaus strategische Diskussion im Management möglich, die stets das eigene Geschäftsmodell im Fokus behält.

Zusammenfassung

Jede Krise birgt in sich auch eine Chance. Eine Chance, sich als Unternehmen neu zu positionieren, etablierte Strukturen und Prozesse aufzubrechen, Führungsinstrumente anzupassen oder als Team enger zusammenzuwachsen.

Die Auswirkungen der Energiekrise fallen bei Unternehmen unterschiedlich aus. Folglich gibt es im Umgang keinen «one fits all»- Ansatz, der die Problematik isoliert lösen könnte. Je nach Dringlichkeit hat die Unternehmensleitung kurz-, mittel- oder langfristige Massnahmen einzuleiten. Idealerweise ist das Dach dann zu sanieren, wenn die Sonne scheint. Sprich, im Sinne einer laufenden Geschäftsmodellentwicklung ist die eigene Position im Markt, das Leistungsangebot sowie interne Prozesse und Strukturen am einfachsten dann zu festigen, wenn der finanzielle Spielraum am grössten ist. Falls jedoch ein grosser Sturm Löcher im Dach aufreisst, sind diese kurzfristig zu sanieren. Wichtig bleibt dabei, die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit mit den geeigneten Instrumenten laufend im Blick zu haben und in Szenarien zu überlegen. Dadurch bleiben Unternehmen auf Eventualitäten gerüstet und sind idealerweise nicht gezwungen, kurzfristige Finanz- und Sanierungsmassnahmen zu ergreifen.

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