Green Controlling: Aktuelle Herausforderungen im Controlling

In den vergangenen Jahren hat das Thema Umweltschutz für Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Umweltschutz ist heute mehr als eine gesetzlich auferlegte Pflicht, sondern bietet Unternehmen neue wirtschaftliche Chancen bzw. Erfolgspotenziale. Aufgrund der veränderten Stellung der Ökologie im betrieblichen Kontext ergeben sich im Controlling neue Anforderungen, die zur Erreichung einer ökonomisch und ökologisch integrierten Unternehmenssteuerung zu erfüllen sind. Die Beschreibung und Analyse der Veränderungen im Controlling erfolgt auf Basis der zur Steuerung der Umweltschutzthematik verwendeten Instrumente. Dieser Beitrag soll einen Einblick in das Controlling der ökologischen Dimension der Unternehmenstätigkeit geben und Möglichkeiten zu deren Abbildung aufzeigen.

11.04.2023 Von: Wolf-Gerrit Benkendorff, Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Green Controlling

Einleitung

In den vergangenen Jahren hat die aktive Kommunikation von nachhaltigen Aktivitäten durch Organisationen deutlich zugenommen und bildet eine wichtige Ergänzung zur finanziellen Berichterstattung. Der Begriff “Green” bzw. “Grün” wird zumeist mit Umweltschutz assoziiert, ohne dass dessen Bedeutung genau abgrenzbar ist. In einem betrieblichen Kontext bedeutet er, dass ökologische Ziele die ökonomischen Unternehmensziele ergänzen und damit eine Ausrichtung der Unternehmenstätigkeit auf umweltorientierte Aspekte erfolgt. Wird also von einem grünen Unternehmen gesprochen, so sind jene Unternehmen gemeint, die den Schutz der natürlichen Umwelt in ihren Zielen und Strategien verankern sowie ihre Prozesse und Aktivitäten unter den Gesichtspunkt einer ökologischen Orientierung stellen. Wenn nachfolgend der Begriff Umwelt verwendet wird, so bezieht sich dies ausschliesslich auf die natürliche Umwelt (das gesamte Ökosystem der Erde mit Tieren, Pflanzen und Menschen).

Die Motive zum ökologischen Wirtschaften von Unternehmen sind unterschiedlich und bei gewinnorientierten Unternehmen nicht nur aber auch auf kurz-, mittel- und/oder langfristige ökonomische Vorteile gerichtet. Intern entstehende Beweggründe lassen sich unter anderem auf die Förderung finanzieller Erfolgsziele oder die soziale Verantwortung (Corporate Social Responsibility) von Unternehmen zurückführen. So lassen sich durch den effizienten Einsatz oder die Substitution von Materialien Kostensenkungen erzielen, da weniger Material verwendet wird oder nachhaltige Materialien günstiger sind. Darüber hinaus gelingt es Unternehmen neue Wettbewerbsvorteile zu generieren, indem sie in bestehenden und zukünftigen Märkten die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten bedienen.

Darüber hinaus sind gesetzliche Auflagen oder Forderungen anderer Interessengruppen (NGOs, Kunden, Endkonsumenten usw.) externe Treiber einer ökologischen Orientierung der Unternehmen. Das umweltpolitische Umfeld hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. So hat sich einerseits die Regulierung beim Umweltschutz deutlich verschärft und andererseits ist auch in der Öffentlichkeit ein gestiegenes Nachhaltigkeitsdenken und Umwelt(schutz)bewusstsein zu erkennen, das eine positive wie negative Erfolgswirkung für Unternehmen haben kann. Wird die Umweltthematik vernachlässigt, so ist zum einen mit direkten finanziellen Auswirkungen durch Schadensersatz- und Wiederherstellungsaufwendungen zu rechnen und zum anderen eine langfristig negative Wirkung durch den Reputationsverlust möglich.

Im April 2021 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) von 2014 ersetzen soll. Die Richtlinie soll bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt und erste Offenlegungsstandards bis am 31. Oktober 2022 verabschiedet werden. Grosse und kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen also bereits das Berichtsjahr 2023 nach CSRD offenlegen.

Am 18. August 2021 hat der Schweizer Bundesrat seinen Exekutiventscheid kommuniziert, wonach die Klimarisikooffenlegung als Pflicht in einer ergänzenden Verordnung hinsichtlich der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur KVI festzuschreiben ist.

Unabhängig von der Motivation einer ökologischen Ausrichtung (externer Zwang oder interner Nutzen) müssen jedoch relevante ökologische Informationen, welche die unterschiedlichen Umweltwirkungen eines Unternehmens transparent machen, bereitgestellt und in betriebliche Entscheidungen einbezogen werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist eine integrierte Steuerung des Unternehmens aus ökonomischer und ökologischer Sicht möglich. Verantwortlich für Informationsbereitstellung, Transparenz und Koordination im Unternehmen ist das Controlling. Da hier die entsprechenden Instrumente und Methoden vorhanden sind, sollte auch die ökologische Dimension der Unternehmenssteuerung vom Controlling abgebildet werden, obwohl die ökologisch relevanten Daten vorwiegend nichtfinanzieller, teilweise qualitativer Natur sind. Das Controlling hat bereits Erfahrung im Umgang mit dieser Art von Daten, da seit längerer Zeit nichtfinanzielle, qualitative Informationen zu Steuerungszwecken erfasst und aufbereitet werden.

Im folgenden Abschnitt wird dargelegt, was unter Green Controlling zu verstehen ist und wie sich die ökologische Orientierung in den Kontext der Nachhaltigkeit von Unternehmen einordnen lässt.

Green Controlling - Verständnis und Aufgaben

Das betriebliche Umweltmanagement befindet sich in den letzten Jahren im Wandel weg von einer Pflichtaufgabe aufgrund der Umweltgesetzgebung, hin zu einem operativ und strategisch bedeutsamen Thema, zu dem jeder im Unternehmen einen Beitrag leistet. Das bedeutet, dass Umweltaspekte in alle Entscheidungen im Unternehmen einzubeziehen sind und folglich ein Controlling der ökologischen Dimension der Unternehmenstätigkeit notwendig ist, um die ökologische Zielerreichung zu verfolgen. Für das Controlling ökologischer Aspekte gibt es unterschiedliche Bezeichnungen wie Öko-Controlling, Umweltcontrolling oder ökologieorientiertes Controlling. Im vorliegenden Beitrag soll zur Vereinheitlichung der Vielzahl an Begriffen die Bezeichnung Green Controlling verwendet werden, letztlich auch, um den Bezug zu den mit Green bzw. Grün betitelten Unternehmensaktivitäten herzustellen. Den unterschiedlichen Begriffen liegt das gleiche Aufgabenverständnis zugrunde - die Unterstützung der Unternehmensführung in Planung, Steuerung und Kontrolle zur Erreichung der ökologischen Ziele sowie die Bereitstellung entscheidungsrelevanter ökologischer Informationen.

Ein Verständnis von Green Controlling als Teil des Umweltmanagements, also der Führung des Unternehmens mit Rücksicht auf die natürliche Umwelt, ist unzureichend, weil das Umweltmanagement in der Unternehmenspraxis nicht als Führungsgrundsatz, sondern zumeist als ein Funktionsbereich im Unternehmen verstanden wird.

Durch die Eingliederung des Green Controllings in die Funktion Umweltmanagement ist dieses nicht mit der zentralen Steuerung des Unternehmens verbunden, sodass vorwiegend eine ökologische Planung, Steuerung und Kontrolle der Umweltmanagementabteilung erfolgt. Damit wird diese Organisationsform der Anforderung einer ökologisch integrierten Steuerung des gesamten Unternehmens nicht gerecht, weil der Umweltschutzgedanke und das damit verbundene Controlling in einer Funktion gebunden sind. Eine Integration in den eigentlichen Unternehmenssteuerungsprozess findet damit nicht statt und eine Wertschöpfungsketten übergreifende ökologische Koordination ist nicht gegeben.

Im vorliegenden Beitrag wird Green Controlling als Integration der ökologischen Dimension in das klassische Controlling verstanden, womit eine Erweiterung sämtlicher Teilprozesse des Controllings um eine ökologische Perspektive erfolgt (vgl. Abb. 1). Damit gilt für das Controlling, dass es einerseits ökologische Informationen in seine bestehenden Instrumente und Prozesse integriert und andererseits neue Methoden aufnimmt, um für das Management eine Basis zur ökologisch orientierten Steuerung des Unternehmens zu schaffen. Im dritten Abschnitt werden, anhand ausgewählter Instrumente, einige der Teilprozesse unter dem Aspekt der Integration der ökologischen Dimension analysiert.

Abb. 1: Integration ökologischer Aspekte in das Controlling-Prozessmodell

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe des Green Controllings nicht darin besteht und auch in Zukunft nicht darin bestehen wird, ökologisch relevante Daten (d.h. Daten über die Umweltwirkungen der Unternehmenstätigkeit) über das Unternehmen insgesamt, die Prozesse oder die Produkte zu generieren bzw. zu erfassen. Diese Aufgabe wird durch das Umweltmanagement ausgeführt und zukünftig durch eine entsprechende IT-Integration verstärkt automatisch, durch die vorhandenen Transaktions- und Informationssysteme, erfolgen. Das Green Controlling befasst sich vielmehr mit der Aufbereitung, der Darstellung und dem Reporting der vom Umweltmanagement erzeugten Daten und Kennzahlen für das Management. Dabei ist es möglich, dass zur Erfüllung der Anforderungen an das Management Reporting Daten verändert oder weiterführende Informationen aus dem Umweltmanagement benötigt werden. In dieser Hinsicht ist die Behandlung der Umweltthematik im Controlling vergleichbar zum Umgang mit Qualitätsinformationen und -kennzahlen. Auch in diesem Bereich wird die Datenerfassung nicht vom Controlling durchgeführt, die erzeugten Informationen und Kennzahlen jedoch zu Reporting-Zwecken im Controlling verarbeitet.

Während bisher Grössen wie Energie- und Wasserverbrauch oder der CO-Ausstoss nach Emissionsquellen (Scope 1, 2 und 3) im Mittelpunkt standen, müssen das Controlling neu analog zum klassischen Risikomanagement die finanziellen Auswirkungen eruieren, die mit unterschiedlichen Erreichungsgraden der Klimaziele und Massnahmen einhergehen. Auch die Auswirkung eines Unternehmens auf die Klimaerwärmung ('double materiality') ist zu berechnen, weil zum Beispiel eine Erhöhung der CO-Preise die ökonomische und kapitalmarktbezogene Position eines Unternehmens massgeblich beeinträchtigen kann.

Im Umweltmanagement ist die notwendige umwelttechnische Kompetenz und im Controlling die Methodenexpertise zur Umsetzung eines Green Controllings für eine ökologisch integrierte Unternehmenssteuerung vorhanden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer kooperativen Zusammenarbeit von Controlling und Umweltmanagement zur Kombination der komplementären Kompetenzen. Durch die Bereitstellung empfängergerechter und entscheidungsrelevanter Informationen können beide Funktionen zu einer stärkeren Verbreitung des Umweltschutzgedankens in der gesamten Organisation beitragen.

Im Konzept der Nachhaltigkeit (sog. “Triple Bottom Line”), mit den drei Dimensionen ESG – Environmental, Social, Governance bzw. Umwelt, Soziales und Unternehmensführun –, ist der Umweltaspekt nicht nur einer von drei Teilbereichen, sondern aufgrund seiner herausragenden Bedeutung als Bedingung zur Erreichung der beiden anderen Ziele der insgesamt wichtigste.8) Darüber hinaus ist festzustellen, dass bereits bevor der Begriff Nachhaltigkeit in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wahrnehmung an Bedeutung gewonnen hat, sich in vielen Ländern die Gesetzgeber, NGOs und Unternehmen mit dem Thema Umweltschutz befassten. Es lässt sich folglich festhalten, dass die heutige Nachhaltigkeitsdebatte eine Weiterentwicklung der Umwelt(schutz)betrachtung auf weitere gesellschaftlich relevante Themen darstellt.

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