Finanzplanung für Unternehmen: So erstellen Sie eine belastbare Planung

Die Zukunft ist ungewiss. Umso wichtiger ist deren Planung. Eine Finanzplanung ist ein auf der Vergangenheit aufbauender Blick in die Zukunft. Dieser soll helfen, die Auswirkungen von Veränderungen wie beispielsweise Wachstumspläne, Preiserhöhungen, Margendruck oder ein geplantes Investitionsprogramm auf Gewinn und Liquidität zu sehen.

17.07.2023 Von: Prof. Dr. Tobias Hüttche, Fabian Schmid
Finanzplanung für Unternehmen

Einleitung

Im Unterschied zur Bilanz und Erfolgsrechnung zeigt die Finanzplanung nicht Vermögen, Finanzierung und Erfolg einer Unternehmung, sondern bildet den Geldfluss ab. Eine solche zahlungsstromorientierte Optik wird nicht nur von Investoren und Banken verlangt, sondern stellt auch bei einer Unternehmensbewertung die Grundlage dar. Ferner gehört eine Finanzplanung gemäss Gesetz (Art. 716a OR) zu den zentralen Aufgaben eines Verwaltungsrats. Die drei Instrumente einer Finanzplanung sind dabei, wie in Abbildung 1 dargestellt, miteinander verknüpft.1 Im Folgenden wird erläutert, wie ausgehend vom aktuellen bzw. von den vergangenen Jahresabschlüssen eine belastbare, zukunftsorientierte Finanzplanung für Unternehmen erstellt werden kann.

Vorgehen

  1. Bilanz und Erfolgsrechnung der vergangenen Jahre aufbereiten und die Entwicklungen und Werttreiber analysieren.
  2. Geldflussrechnung aufstellen und vollständig mit Bilanz und Erfolgsrechnung verknüpfen.
  3. Umsatz als Treiber für zahlreiche Erfolgsrechnungs- und Bilanzpositionen planen.
  4. Erfolgsrechnung bis auf Stufe EBITDA planen.
  5. Bilanz planen, insbesondere das operative Umlaufvermögen (Debitoren, Vorräte, Kreditoren), das Anlagevermögen (Investitionen und das Fremdkapital (Finanzierung).
  6. Erfolgsrechnung bis auf Stufe Gewinn vervollständigen, also konkret die Abschreibungen, Zinsen und Steuern planen.
  7. Allfällige Ausschüttungen planen.
  8. Bilanz vervollständigen und – falls nicht schon gemacht – die flüssigen Mittel aus dem Saldo der Geldflussrechnung ableiten.

Falls die Finanzplanung vollständig verknüpft und integriert ist, so sollte Folgendes gelten:

  1. Aktiven und Passiven in der Bilanz sind ausgeglichen.
  2. Der Gewinn in der Erfolgsrechnung entspricht dem Gewinn in der Bilanz (als Teil des Eigenkapitals bzw. der Reserven).
  3. Die Veränderung der Liquidität in der Bilanz zum Vorjahr entspricht dem Saldo der Geldflussrechnung.

Umsatz(-wachstum)

Der Startpunkt einer jeden Planung dürften die Annahmen zum Umsatz bzw. dessen zukünftigem Wachstum sein. Dies deshalb, weil der Umsatz typischerweise einen der Haupttreiber von Gewinn und Liquidität darstellt und sich zahlreiche Positionen der Bilanz und Erfolgsrechnung direkt oder indirekt daraus ableiten.2

Die Planung der Umsatzerlöse erfordert Annahmen zu deren Bestimmungsgrössen, also der Menge und des Preises. So ist es denkbar, dass die Umsätze zunehmen, weil höhere Preise verrechnet werden können. Auch eine gleichzeitige Veränderung beider beider Grössen – also Menge und Preis – ist möglich, abhängig von deren Elastizität.

Um zu verstehen, was den Umsatz in der Vergangenheit getrieben hat und in der Zukunft womöglich treiben wird, empfiehlt es sich, den Gesamtumsatz in die einzelnen Geschäftsbereiche/Segmente bzw. die verschiedenen Produktkategorien und Dienstleistungsangebote zu unterteilen. Dies hat den Vorteil, dass anschliessend ggf. auch der Material- und Warenaufwand und somit die Margen differenziert geplant werden können.

Die Umsätze können entweder absolut oder relativ (als Wachstumsrate im Vergleich zum Vorjahr) geplant werden. Ersteres wird dann angezeigt sein, wenn vom Management konkrete Budgets und Umsatzplanungen vorgelegt werden. Letzteres wird dann zum Zug kommen, wenn entweder keine explizite Zukunftsplanung vorliegt oder die Umsatzentwicklung nur grob abgeschätzt werden kann. Liegt keine Zukunftsplanung vor, so kann allenfalls die durchschnittliche Wachstumsrate der Vergangenheit, das erwartete Wachstum der Branche, das Wachstum von Vergleichsunternehmen oder das BIP-Wachstum als Schätzwert herangezogen werden.

Praxistipp: Angesichts der Verwerfungen der letzten Jahre (Corona, Ukraine etc.) wird es sinnvoll sein, eher mehr Vergangenheitsjahre als Basis beizuziehen als weniger.

Aufwände und Margen

Der Material- und Warenaufwand ist typischerweise eine variable Grösse und wird bei der Planung in aller Regel umsatzabhängig festgelegt. Eine solche relative Planung hat – nebst der ökonomischen Logik – auch den Vorteil, dass sich einfach analysieren lässt, wie sich veränderte Umsätze auf die Gewinngrössen (Bruttogewinn, EBITDA etc.) und die Liquidität durchschlagen.3 Handelt es sich um vollständig variable Aufwände, so bleibt die Marge konstant. Auch wenn dies in der Praxis wohl nur selten perfekt zutrifft, dürfte ein Anbinden des Material- und Warenaufwands an den Umsatz durchaus vertretbar sein.

Der Personalaufwand kann – je nach Branche und Geschäftsmodell – fix oder variabel sein. Nach unten dürfte der Personalaufwand bis zu einem gewissen Grad oftmals fixen Charakter haben (Mitarbeitende werden bei Umsatzrückgängen nicht sofort entlassen), nach oben einen weitgehend variablen (mehr Umsätze lassen sich – bei angenommener Vollauslastung – nur mit mehr Personal bewältigen).4 Geht man für die Zukunft von einem Wachstum aus, so dürfte es angezeigt sein, auch höhere Personalaufwände zu planen. Ausnahmen dieser Regel können stark kapitalintensive Geschäftsmodelle sein (hier wird das Wachstum weniger durch Personal realisiert, sondern vielmehr durch Investitionen) oder solche, die eine hohe Skalierbarkeit aufweisen.

Der übrige Betriebsaufwand dürfte in weiten Teilen fix oder sprungfix sein. So wird sich der Raum- und Verwaltungsaufwand in der Regel nicht eins zu eins erhöhen, wenn der Umsatz zunimmt. Dennoch muss bei Wachstum davon ausgegangen werden, dass früher oder später auch die Räumlichkeiten und/oder die Administration Schritt halten müssen. Eher variablen Charakter aufweisen dürfte hingegen der Werbeaufwand, vor allem die internetbasierten Marketingmassnahmen, die in Abhängigkeit der nachgefragten bzw. verkauften Produkte resp. der Umsatzerlöse anfallen. Aus der Vergangenheitsanalyse können wertvolle Schlüsse gezogen werden, ob die Position eher fix (absoluter Betrag bleibt bei verändertem Umsatz konstant), sprungfix (sprunghafter Anstieg bei Überschreiten einer bestimmten Umsatzschwelle) oder variabel (Aufwand bleibt im Verhältnis zum Umsatz konstant) ist.5 Die Planung sollte dann in der entsprechenden Logik fortgeführt werden.

Nachdem der Material- und Warenaufwand, Personalaufwand und übrige Betriebsaufwand geplant sind, gilt es, die daraus resultierenden Margen (Bruttogewinn I, Bruttogewinn II und EBITDA) zu analysieren. Ein Vergleich mit der Vergangenheit, der Branche und Vergleichsunternehmen hilft, die Planungsannahmen zu plausibilisieren. Grössere Abweichungen und allfällige Strukturbrüche sollten erklärbar sein. Ansonsten ist eine Überarbeitung der Planungsprämissen angezeigt.

Nettoumlaufvermögen

Das operative Nettoumlaufvermögen – im Wesentlichen die Debitoren, Vorräte und Kreditoren – stellt nicht nur einen wichtigen Teil der Bilanz dar, sondern fliesst als Veränderung auch in die Ermittlung der Geldflüsse und somit der Liquidität ein. Eine Zunahme des Nettoumlaufvermögens bindet Geld, während eine Abnahme Geld freigibt.

Es zeigt sich, dass sich das Nettoumlaufvermögen häufig im Verhältnis zum Umsatz entwickelt. Diese Quoten können sich durch Veränderung der Produktionsprozesse («just in time»), der Zahlungsprozesse, der «Cash Collection» oder der Qualität der Schuldner jedoch rasch und sprunghaft verändern. Bei der Modellierung bietet es sich – sofern keine eindeutigen Trends zu erkennen sind – daher an, von einem langfristigen Durchschnitt auszugehen, sodass temporär niedrige oder hohe Bestände (weil beispielsweise ein bestimmter Grosskunde im Dezember des letzten Jahres die Rechnung ausnahmsweise noch nicht bezahlt hat) geglättet werden.6

Aufschlussreich kann es sein, die Debitoren, Vorräte und Kreditoren nicht als Prozentsatz des Umsatzes bzw. des Material- und Warenaufwands zu planen, sondern mittels Fristen (Debitorenfrist, Lagerfrist, Kreditorenfrist). Dadurch werden die erwarteten Zahlungsfristen nicht verdeckt fortgeschrieben, sondern transparent gemacht, ob sich Veränderungen der Debitoren, Vorräte und Kreditoren auf eine veränderte Umsatz- bzw. Kostenbasis zurückführen lassen oder ihren Grund in geänderten Zahlungsfristen haben.

Investitionen und Abschreibungen

Da sich die Abschreibungen aus den Investitionen ergeben, wird sinnvollerweise mit der Planung Letzterer begonnen. Dabei geht es konkret um die Planung der Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen. Liegt eine detaillierte Investitionsplanung vor, so können die Investitionen ins Anlagevermögen hart eingesetzt bzw. übernommen und die Abschreibungen entsprechend gerechnet werden.

In vielen Fällen dürften konkrete Investitionspläne jedoch nur für ein paar wenige Jahre oder gar nicht vorliegen. Bei einer homogenen Anlagestruktur kann vereinfachend angenommen werden, dass der aktuelle Stand des Anlagevermögens gleich gehalten wird, sich die zukünftigen Investitionen und Abschreibungen also entsprechen. Dazu können die Abschreibungen der Vergangenheit fortgeschrieben und in gleicher Höhe Investitionen unterstellt werden. Dies bedeutet jedoch, dass nur Ersatzinvestitionen geplant werden und davon ausgegangen wird, dass sich die Preise der Investitionsgüter seit der letzten Beschaffung nicht verändert haben.

Alternativ können die Investitionen auch so geplant werden, dass unterstellt wird, dass das Anlagevermögen in Prozent des Umsatzes unverändert bleibt, dieses bei angenommenem Wachstum also ebenfalls ansteigt (Investitionen grösser als Abschreibungen). Diese Planungslogik berücksichtigt auch die Tatsache, dass Wachstum nicht gratis ist, sondern in vielen Fällen zusätzliche Investitionen nach sich zieht bzw. voraussetzt.

Finanzierung und Ausschüttungen

Die Finanzierung wird in der Regel absolut geplant, das heisst, die Bestände an kurz- und langfristigen Finanzverbindlichkeiten unter Berücksichtigung allfälliger Kreditlimiten und Amortisationspläne Jahr für Jahr modelliert. Beim Zinsaufwand in der Erfolgsrechnung bietet es sich hingegen an, diesen nicht absolut zu planen, sondern als Prozentsatz der Finanzverbindlichkeiten, also als Fremdkapitalkostensatz. Dadurch passt sich der Zinsaufwand automatisch an, wenn Krediterhöhungen oder -rückzahlungen erfolgen.

Liegt keine konkrete Ausschüttungsplanung vor, so lassen sich die Ausschüttungen (Dividenden) beispielsweise in Abhängigkeit des Gewinns planen. Bei vielen Unternehmen, insbesondere KMU, zeigt sich, dass oftmals nur zurückhaltend ausgeschüttet wird. Besteht das Ziel der Finanzplanung darin, möglichst das effektiv Beabsichtigte zu modellieren, so dürfte es angebracht sein, die in der Vergangenheit gewählte Ausschüttungspolitik auch für die Zukunft fortzuschreiben. Soll die Finanzplanung hingegen als Grundlage einer Unternehmensbewertung dienen, so dürfte eine Vollausschüttung der Gewinne eine plausiblere Annahme darstellen. Dies entspricht auch dem Kerngedanken der als Best Practice geltenden Discounted-Cashflow-Methode (DCF), die davon ausgeht, dass die Free Cashflows (Summe aus operativem und investivem Cashflow) – unter Vernachlässigung allfälliger Fremdkapitalamortisationen – vollständig ausgeschüttet werden oder zumindest ausgeschüttet werden könnten.

Liquidität

Die flüssigen Mittel müssen bei einer Finanzplanung für Unternehmen nicht explizit geplant werden, sondern sind das eigentliche Ergebnis der Übung. Setzt man den Saldo der Plan-Geldflussrechnung in die Bilanz ein und addiert den Vorjahresbestand der flüssigen Mittel hinzu, so resultiert der erwartete Liquiditätsbestand. Geht die Bilanz anschliessend auf, deutet vieles darauf hin, dass die Finanzplanung vollständig integriert ist, also alles korrekt verknüpft wurde.

Hinweis: Fällt der Liquiditätsbestand in einem oder mehreren zukünftigen Jahren negativ aus, so gilt es zu überlegen, wie diese Lücke geschlossen werden kann.

Entweder werden die Ausschüttungen reduziert, zusätzliche Finanzierung geplant (z.B. durch Kreditaufnahmen oder den Rückgriff auf einen Kontokorrentkredit), Investitionen vertagt, Kosten reduziert oder ggf. die Wachstumsambitionen (die eben entsprechend Geld binden) gedrosselt. Eine negative Liquidität kann – ohne Auffangbecken wie beispielsweise einen Kontokorrentkredit oder eine Überbrückungsfinanzierung in Form eines (Aktionär-) Darlehens – nicht stehen gelassen werden, da dies ansonsten faktisch einer Zahlungsunfähigkeit bzw. einem Konkurs gleichkäme.

Fazit

Eine Finanzplanung für Unternehmen ist ein äusserst wertvolles Instrument, um die Geldflüsse einer Unternehmung sichtbar zu machen und zu überprüfen, inwiefern sich die Zukunftspläne wie Wachstum, Investitionen etc. auf Gewinn und Liquidität auswirken. Mit dem Erstellen eines Finanzplans kann ein echter Mehrwert geschaffen werden, da mit dem Kunden nicht über die unveränderbare Vergangenheit gesprochen wird, sondern über die zwar unsichere, aber gestaltbare Zukunft. Wichtig dabei ist, dass die verfügbare Zeit gezielt und richtig eingesetzt wird; idealerweise eben in die kritische Diskussion und Plausibilisierung der Zukunftsannahmen und nicht vollständig in die reine Finanzmodellierung, die sich mit entsprechenden Vorlagen und Tools ja weitestgehend automatisieren lässt.

 

FUSSNOTEN
1 Vgl. Blattner/Hugentobler/Köhle/Schmid (2020), Finanzmanagement, in: Schaufelbühl/Hugentobler/Blattner (Hrsg.), Integrale Betriebswirtschaftslehre, S. 371.
2 Vgl. Hüttche/Schmid (2023, in Druck), Unternehmensbewertung in der Schweiz, S. 89.
3 Vgl. Hüttche/Schmid (2023, in Druck), Unternehmensbewertung in der Schweiz, S. 90.
4 Vgl. Hüttche/Schmid (2023, in Druck), Unternehmensbewertung in der Schweiz, S. 90.
5 Vgl. Hüttche/Schmid (2023, in Druck), Unternehmensbewertung in der Schweiz, S. 91.
6 Vgl. Schmid (2019), Bewertung eines KMU mittels DCF-Methode: Schritt für Schritt, in: Mathis/Nobs (Hrsg.), Jahrbuch Treuhand und Revision 2019, S. 39.

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