Berichte: Tipps und Tricks im Finanzreporting
Passende Arbeitshilfen
Ein Bericht für alles - der Jahresabschluss wird immer umfassender
(von Andreas Barckow)
Einem Jahresabschluss werden gemeinhin drei Aufgaben oder Funktionen zugewiesen:
- die Aufzeichnung des in einer Periode Geschehenen (Dokumentationsfunktion)
- die Information Unternehmensangehöriger und Aussenstehender über diese Geschehnisse (Informationsfunktion)
- die Festlegung von Überschussgrössen zum Zweck des Zugriffs bestimmter Anspruchsberechtigter auf diesen Grössen (Zahlungsbemessungsfunktion)
Seit einigen Jahren ist ein deutlicher Trend erkennbar, der Informationsfunktion ein immer grösseres Gewicht einzuräumen – und zwar jenseits der klassischen Finanzberichterstattung: Unternehmen sollen über ihre Lage berichten und unter Erläuterung ihrer wesentlichen Risiken einen Ausblick gewähren (Lagebericht); sie sollen darlegen, wie die Personen, die Leitungsaufgaben im Unternehmen wahrnehmen, entgolten werden und welche Abhängigkeiten zu ihnen oder Dritten bestehen (Vergütungs- und Abhängigkeitsbericht); sie sollen Auskunft geben, ob, wo und an wen sie ihre Abgaben entrichten (länderbezogene Berichterstattung); und sie sollen darlegen, wie sie sich gesellschaftspolitisch gerieren (Nachhaltigkeits- und Corporate-Social-Responsibility-[CSR]Bericht). Einige der exemplarisch vorstehend angeführten Berichtsinhalte stehen der klassischen Rechnungslegung näher, andere sind weiter von ihr entfernt.
Der Jahresabschluss als primäre Informationsquelle?
Traditionell ist der Jahresabschluss (und bei grösseren Unternehmen der Geschäftsbericht) das vorherrschende Informationsmedium, wenn es um testierte, vergangenheitsorientierte Daten geht. Die systematische Aufzeichnung und Verdichtung aller Transaktionen in einem geschlossenen Zahlenwerk nach vorgegebenen Regeln, das der Überprüfung durch einen unabhängigen Abschlussprüfer unterliegt, verleiht einem Abschluss seit jeher eine Güteaussage, die anderen Informationsmedien nicht nur fehlt, sondern in den meisten Rechtskreisen auch noch sanktionsbewehrt ist. Auf der anderen Seite kommen diese geprüften Informationen spät – und für viele Adressaten zu spät: Der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird das Zahlenwerk nämlich erst mehrere Monate nach dem Ende des Geschäftsjahrs, über das Rechenschaft abgelegt wird. Das entwertet zwar die Prüfungsgüte nicht und schafft einen verlässlichen Startpunkt für weitergehende Analysen; es bedeutet aber, dass prognostische Aussagen nur begrenzt, im schlechtesten Fall gar nicht möglich sind. So sind beispielsweise sämtliche Saldenabzüge der Bilanzkonten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abschlusses bereits längst durch die Realität überholt. Das mag für längerfristige Positionen wie Sachanlagen oder Pensionsverpflichtungen weniger ins Gewicht fallen; für das Umlaufvermögen und kurzfristig zu begleichende Schulden jedoch schlägt dieser Umstand deutlich negativ ins Kontor. Und auch die Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) als Stromgrössenrechnung lässt lediglich Aussagen darüber zu, was im abgelaufenen Jahr passiert ist, aber nicht, wann genau es passiert ist. Das wäre für kurz- bis mittelfristige Trendaussagen allerdings durchaus bedeutsam.
Nun kann man den Abschluss als solchen für diese Defizite kaum sinnvoll kritisieren: Es wäre zu viel verlangt, wenn man das Konvolut aus Bilanz, GuV und Kapitalfl ussrechnung als Allzweckwaffe zur Befriedigung eines jeden Informationsanspruchs hochstilisieren wollte. Man stelle sich ein Unternehmen vor, das an einem normalen Tag 500 Geschäftsvorfälle verzeichnet; bei gerundet 250 Arbeitstagen im Jahr wären das bereits 125 000 Transaktionen – ist es da wirklich verwunderlich, dass deren Verdichtung zu je 15 Zeilen Aktiva, Passiva und GuV wenig Einblick ermöglicht? Theoretisch könnte der Anhang das Defizit lindern helfen, weil Unternehmen gehalten sind, bestimmte Sachverhalte zu erläutern, tabellarisch aufzureissen und/oder in Beziehung zu anderen Grössen des Abschlusses zu setzen. Faktisch aber entpuppt sich der Anhang in vielen Fällen als eher lästiges Compliance-Übel, das eben zu erstellen ist, aber nicht durch Schönheit glänzen soll. Vor allem aber hat die Informationsfunktion des Abschlusses dort ihren natürlichen Nullmeridian, wo die Transparenz unangenehme Nachfragen Dritter nach sich ziehen könnte.
Die Zukunft der Rechnungslegung
Die Rechnungslegung steht vor den grössten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte; immer wieder wird ihr ein Verlust an Relevanz unterstellt, der sich aus verschiedenen Umständen speist:
- Die Rechnungslegungsvorschriften sind im Kern auf das produzierende Gewerbe zugeschnitten, bei dem Input-Faktoren einer Verarbeitung unterliegen und mit einem Wertsprung abgesetzt werden. Je weiter sich die Geschäftsmodelle von diesem «Idealtypus» von Unternehmen entfernen – genannt seien Unternehmen des tertiären Sektors, speziell aber solche mit einem hohen Anteil an intellectual property –, desto grösser sind die Friktionen und Abbildungsdefi zite.
- Die Vorstellung von einer (nur) jährlichen Information über das Unternehmensgeschehen über einen Jahresbericht erscheint im Internetzeitalter überholt. Zwar besitzt der Jahresabschluss aufgrund standardisierter Prüfungshandlungen eine besondere und gegenüber anderen Informationsquellen präferenzielle Stellung; diese Güteeigenschaft verliert aber angesichts bereits unterjährig vorliegender Daten für viele Adressaten zumindest relativ an Wert.
- Die Darreichungsform der Unternehmensinformationen wird zu einem massgeblichen Faktor. Die Vielzahl an Informationen und ihre parallele Vermittlung an eine Vielzahl von Adressaten lässt Fragen an der Sinnhaftigkeit eines Produkts «Jahresbericht» aufkommen. Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, vorhandene Daten neuartig aufzubereiten und an eine plurale Stakeholder-Schar weiterzureichen.
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