Schimmelbefall: Rechtsgrundlage bei Schimmelbefall bei Immobilien

Nach dem Kauf oder dem Bau einer Liegenschaft stellen Sie als Käufer bzw. Besteller einen Schimmelbefall fest. Was nun? Schimmelbildung ist eine Folgeerscheinung, die gänzlich unterschiedliche Ursachen haben kann. Einerseits kann der Schimmelbefall Folge von Baumängeln sein, andererseits kann sich die Schimmelbildung auch aufgrund einer falschen Bewirtschaftung ergeben. Es ist folglich nicht immer eindeutig, welche Partei für die Schimmelbildung verantwortlich und haftbar ist. Klar ist hingegen, dass Schimmelpilz gesundheitsgefährdend ist und giftige Sporen absondert. Es muss daher schnell und fachkundig gehandelt werden. Schimmelpilzsanierungen sind nicht durch Private, sondern durch spezialisierte Fachleute auszuführen.

28.04.2021 Von: Matthias Streiff
Schimmelbefall

Rechtliche Zuordnung

Schimmelbefall kann sowohl im Geltungsbereich des Kaufvertrags, also zwischen Käufer und Verkäufer, als auch beim Werkvertrag, im Verhältnis Besteller und Unternehmer, zum Thema werden. Andererseits kann auch das Mietverhältnis betroffen sein, wenn es um Schimmelbefall in einem Mietobjekt geht. Schliesslich kann wegen mangelhafter Bewirtschaftung u.a. auch ein Facility Manager verantwortlich werden. Vorab ist folglich (naturwissenschaftlich, ursächlich) immer zu klären, wer verantwortlich und welches Vertragsverhältnis einschlägig ist. Je nachdem gelangen unterschiedliche Parteien und andere Bestimmungen zur Anwendung.

Summarische Rechtslage gemäss Kaufrecht

Im Kaufrecht hat der Verkäufer grundsätzlich Gewähr für die Ablieferung einer mangelfreien Kaufsache zu leisten (OR 197 ff., sog. Sachgewährleistung). Die Sachgewährleistungspflicht des Verkäufers besteht zusammengefasst unter folgenden Voraussetzungen:

  • Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs (OR 197)
  • Ablieferung des Kaufgegenstands
  • rechtzeitige Prüfung der Kaufsache durch den Käufer (sog. Prüfungsobliegenheit, OR 201)
  • rechtzeitige Mängelrüge durch den Käufer (sog. Rügeobliegenheit, OR 201)
  • keine Genehmigung der Kaufsache durch den Käufer
  • keine Kenntnis des Mangels (OR 200)
  • keine Wegbedingung der Gewährleistung (OR 199)
  • keine Verjährung

Tritt Schimmelbildung im Kaufobjekt auf, ist in einem ersten Schritt folglich zu klären, was die Ursache hierfür ist bzw. ob die Ursache für die Schimmelbildung in einem Sachmangel besteht, welchen der Verkäufer zu vertreten hat. Ein Sachmangel ist u.a. zu bejahen, wenn das Kaufobjekt (Istzustand) vom vertraglich geschuldeten Zustand (Sollzustand) abweicht, weil eine für den Gebrauch vorausgesetzte Eigenschaft fehlt, die den Wert oder die Tauglichkeit der Sache erheblich mindert oder aufhebt, was bei Schimmelbildung der Fall sein kann (OR 197 Abs. 1).

Im Zusammenhang mit der nach dem Kauf eintretenden Schimmelbildung können dies beispielsweise undichte Leitungen, Kältebrücken, ungenügende Isolationen (Kondensat) oder eine nicht funktionsfähige Lüftungsanlage sein. Der Sachmangel kann aber auch darin bestehen, dass das Mauerwerk oder einzelne Stellen im Kaufobjekt bereits zum Kaufzeitpunkt von Schimmel befallen waren. In diesem Fall wäre mithin zu prüfen, ob der Käufer zum Zeitpunkt des Kaufs tatsächlich keine Kenntnis vom bestehenden Schimmelbefall hatte (vgl. OR 200).

Ein Sachmangel muss bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs zumindest im Keim vorhanden sein, damit der Verkäufer hierfür einzustehen hat. Entsteht ein Mangel erst später und/oder hat der Käufer diesen verursacht bzw. zu vertreten, haftet der Verkäufer nicht. Damit ist im Fall der Schimmelbildung die unsachgemässe Verwendung bzw. Bewirtschaftung des Kaufobjekts durch den Käufer angesprochen. Wenn z.B. der Käufer eines Neubaus Bilder an den Wänden seiner Wohnung anbringt und sich hinter den Bildern Schimmel bildet, hat der Käufer die Schimmelbildung i.d.R. zu verantworten. Das Mauerwerk von Neubauten benötigt zwei bis drei Jahre zur vollständigen Austrocknung; dies sollte allgemein bekannt sein. Der Verkäufer hat für das Verhalten des Käufers nicht einzustehen; zumindest dann nicht, wenn er den Käufer vorab über die Eigenschaften eines Neubaus aufgeklärt hat.

Davon abgesehen müssen für die Haftung des Verkäufers weitere formelle Abläufe beachtet werden. Stellt der Käufer einen Mangel fest, muss er seine Rügeobliegenheiten in Form einer Mängelrüge an den Verkäufer wahrnehmen. Dies muss unverzüglich nach Abschluss der Prüfung (Erkennen des Mangels) bzw. für verstreckte Mängel sofort nach ihrer Entdeckung erfolgen (OR 201 Abs. 1 und Abs. 3). Die Fristen hierfür sind kurz (eine Woche) und (beweisbar, also per Einschreiben) einzuhalten; andernfalls droht Rechtsverlust.

Liegt ein Fall der Gewährleistung wegen Sachmängel vor, so hat der Käufer die Wahl, Wandelung oder Minderung zu fordern (OR 205 Abs. 1). Dem Richter steht es aber nach OR 205 Abs. 2 frei, trotz Anhebung der Wandelungsklage bloss Ersatz des Minderwertes zuzusprechen, sofern die Umstände es nicht rechtfertigen, den Kauf rückgängig zu machen.  Sind dem Käufer (weitere) Schäden entstanden, so können diese Schadenersatzansprüche ebenfalls geltend gemacht werden (OR 97 und 208).

Zu beachten sind ferner die Verjährungsregeln. Gerade Schimmelbefall tritt oftmals erst nach einer bestimmten Zeit auf. Für unbewegliche Sachen beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre und beginnt bei Grundstücken mit dem Eigentumserwerb zu laufen (OR 219 III). Die Verjährungsfrist läuft, selbst wenn der Mangel für den Käufer zunächst noch nicht erkennbar gewesen ist.

Rechtslage gemäss Werkvertragsrecht

Betrifft der Schimmelbefall ein (neu) erstelltes Werk, kommt grundsätzlich Werkvertragsrecht zur Anwendung (OR 363 ff.). Auch im Werkvertrag besteht eine sog. Gewährleistung (OR 367 ff.). Der Unternehmer hat einen bestimmten Leistungserfolg zu erbringen und für jede Beeinträchtigung dieses Erfolgs einzustehen. Die Gewährleistungspflicht des Unternehmers besteht unter folgenden Voraussetzungen:

  • Mangelhaftigkeit oder vertragswidrige Ausführung des Werks zum Zeitpunkt der Ablieferung
  • rechtzeitige Mängelrüge durch den Besteller (sog. Rügeobliegenheit, OR 367)
  • keine Verantwortlichkeit des Bestellers (OR 369)
  • keine Genehmigung des Werks durch den Besteller (OR 370)
  • keine Wegbedingung der Gewährleistung

Betreffend die einzelnen Voraussetzungen kann sinngemäss auf die obigen Ausführungen zum Kaufvertrag verwiesen werden, wobei gewisse werkvertragsspezifische Regelungen zu beachten sind, untere anderem:

Beim Werkvertrag fällt die Gewährspflicht des Unternehmers u.U. dahin, wenn der Besteller die Mangelhaftigkeit des Werks durch Weisungen (während der Bauphase) oder anderweitig verschuldet und der Unternehmer hiervon ausdrücklich abgemahnt hat (OR 369).

Die Gewährleistungsrechte des Bestellers bestehen nicht nur aus der Wandelung (OR 368 Abs. 1) oder Minderung (OR 368 Abs. 2); alternativ kann der Besteller auch die Nachbesserung geltend machen (OR 368 Abs. 2). Bei Immobilien fällt Wandelung in der Regel weg.

Rechtslage im Mietverhältnis

Die obigen Erläuterungen beziehen sich auf das Verhältnis vom Käufer zum Verkäufer (Kaufvertrag) bzw. vom Besteller zum Unternehmer (Werkvertrag). Gänzlich anders gestaltet sich die Rechtslage im Verhältnis vom Vermieter zum Mieter, welche an dieser Stelle nur summarisch dargestellt werden soll:

Grundsätzlich hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und zu erhalten. Der Vermieter haftet für Mängel, die der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat (sog. kleiner Unterhalt, OR 259) und die der Vermieter kennt. Dabei stehen dem Mieter unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung: Mängelbeseitigung, Mietzinsherabsetzung, a. o. Kündigung, Ersatzvornahme etc.; OR 259a ff.. Je nach Verantwortung, Schwere des Mangels und Zeitpunkt der Mangelentstehung gestaltet sich die Rechtslage unterschiedlich.

Betreffend die Verantwortung des Mieters gilt es im Zusammenhang mit einem Schimmelbefall auf die mieterseitigen Pflichten zum sorgfältigen Gebrauch der Mietsache (OR 257 f. Abs. 1) und die Unterhaltspflichten des Mieters (OR 259) hinzuweisen. Dazu zählt das regelmässige Lüften und Reinigen. Auch eine unsachgemässe Möblierung oder eine anderweitige Verhinderung der Luftzirkulation kann ursächlich für die Schimmelbildung sein. Daher liegt bei Schimmelbefall der Vorwurf des Vermieters nahe, der Mieter habe das Mietobjekt nur ungenügend gelüftet, gereinigt oder sonst unsachgemäss gebraucht und den Schimmelbefall dadurch zu verantworten.

Zu beachten ist ferner, dass der Mieter verpflichtet ist, Mängel dem Vermieter rechtzeitig zu melden (OR 257g Abs. 1). Kommt der Mieter seiner Meldepflicht nicht oder nicht rechtszeitig nach, wird er selber schadenersatzpflichtig (OR 257g Abs. 2 i.V.m. OR 97 ff.). Wenn sich also Feuchtigkeit oder gar schon Schimmel im Mietobjekt zeigt, muss der Mieter dies umgehend dem Vermieter mitteilen. Tut er dies nicht und vergrössert sich der Schaden, haftet der Mieter hierfür.

Der Vermieter haftet im Grundsatz nur, wenn er den Mangel zu verantworten hat und schuldhaft nichts unternimmt. Diesbezüglich bestehen allerdings unterschiedliche Ansichten.

Technisches

Schimmelpilz ist giftig und bildet Sporen. Wer Schimmelpilz behandelt oder Schimmelpilzsanierungen ausführt, ist gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt. Der Beizug eines Fachmanns ist daher unabdingbar. Siehe dazu z.B. die Informationen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) oder der Suva (Broschüre "Schimmelpilzsanierungen in Innenräumen – Sind Ihre Mitarbeitenden wirksam geschützt?"). Des Weiteren hat das BAG in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverband (MV), dem Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) und dem Schweizerischen Verband für Immobilienbewirtschaftung (SVIT) eine umfassende Broschüre mit dem Titel "Vorsicht Schimmel" herausgegeben.

Schimmelsporen sind immer und überall in der Luft, das ist unvermeidbar. Entscheidend ist, die Schimmelbildung auf feuchten Untergründen zu verhindern.

Newsletter W+ abonnieren