Verjährungsrecht: Verjährungsverzicht
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Verbot des Vorausverzichts im Verjährungsrecht
Die bisherige Regelung des «Verzichts auf die Verjährung» gemäss Marginalie zu Art. 141 OR handelt im Wesentlichen vom Verbot auf den «Vorausverzicht». Der historische Gesetzgeber wollte verhindern, dass der Schuldner bereits vor oder per Vertragsschluss auf das Institut der Verjährung verzichtet. Insofern wurde Abs. 1 von Art. 141 OR zu einem Grundrecht jedes Schuldners. Sobald der Vertrag geschlossen ist, kann über die Verjährung disponiert werden, dann greift dieses Verbot nicht mehr.
Selbstredend befasste sich dieses Verbot nur mit vertraglichen Forderungen, Schulden und Ansprüchen. Bei ausservertraglichen Ansprüchen kann es mangels vertraglicher Rechtsbeziehung gar keinen Vorausverzicht geben.
Warum ein «Verjährungsverzicht» ?
Nach Vertragsschluss und während der Dauer der Verjährung, in der Regel erst kurz vor Ende der Verjährungsfrist, muss sich der Gläubiger entscheiden, ob er eine Forderung oder einen Anspruch durchsetzen oder vergessen will.
Wichtiger Hinweis: Der Verjährungsverzicht interessiert in der Phase nach Vertragsabschluss bis zur Prozesseinleitung (oder vergleichsweisen Streiterledigung).
Während das Inkasso klarer Forderungen oft nicht zuwartet, sind Ansprüche aus Werkmängeln (wie Nachbesserung, Minderung oder Schadenersatz) aus fehlerhaften Abrechnungen, aus unsorgfältiger Planung und Bauleitung oder aus Mangelfolgeschäden bei Bauunfällen oft mit rechtlichen, technischen und prozessualen Fragen behaftet. Da wird zuerst versucht, auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu erreichen. Allenfalls sind diese im Quantitativ oder es sind die möglichen Parteien (Planer, Unternehmer, Subunternehmer, Zulieferer) noch nicht klar bekannt. Um in diesem Verfahrensstadium nicht vorschnell eine Betreibung oder Klage zur Unterbrechung der Verjährung einleiten zu müssen, gelangt der Gläubiger regelmässig an den/die Schuldner und fordert diese auf, einen «Verjährungsverzicht» zu erklären.
Dieser Verjährungsverzicht wird mit Art. 141 nOR teilweise neu geregelt.
Was ist ein «Verjährungsverzicht»?
Unter dem «Verjährungsverzicht» versteht man bisher, zusammen mit der höchstrichterlichen Praxis (vgl. BGE 99 II 185 ff.) gemeinhin die Verlängerung der Verjährungsfrist. Es wird dadurch also die gesetzliche Verjährungsdauer verlängert.
Dabei wird grundsätzlich nicht unterschieden, ob bloss prozessrechtlich auf die «Einrede» der Verjährung verzichtet oder ob tatsächlich die zwingende gesetzliche Verjährungsfrist einseitig (durch den Schuldner) verlängert wird.
Verwirkung vs. Verjährung
Unbestrittenermassen wird zwischen Verwirkung und Verjährung unterschieden. Während Verwirkung direkt den Rechtsverlust zur Folge hat, welcher auch von Amts wegen zu beachten ist, geht bei der Verjährung ein Anspruch (ein Recht, eine Forderung) nicht unter. Ein Anspruch wird nur in der Rechtsverfolgung derart erschwert, dass er gegen den erklärten Willen des Schuldners nicht mehr durchgesetzt werden kann. Insofern gibt die Verjährung dem Schuldner eine «Einrede» zur Hand. Diese kann er im Prozess für sich befreiend verwenden. Bei präziser Lesart muss der «Verjährungsverzicht» als ein Kürzel des «Verzichts auf eine prozessuale Einrede» verstanden werden.
Das Bundesgericht hat mit zitiertem Entscheid jedoch die dogmatisch stringente Herleitung verneint und zugunsten der Einfachheit, der Praktikabilität und der einheitlichen Anwendung der Rechtsordnung den Verjährungsverzicht gleichzeitig auch als Verlängerung der Verjährungsfrist qualifiziert. Bleibt dem so?
Die Differenzierung ist nicht unwesentlich, denn bei «fortgesetzten Verjährungsverzichten» wäre die Verjährung bereits eingetreten und nur der Einredeverzicht wird prolongiert.
Dann ist die Hemmung oder Unterbrechung einer bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr möglich. De lege lata ist der bereits älteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 99 II 185) zuzustimmen, welche anstelle des (prozessualen) Einredeverzichts grundsätzlich eine (materielle) Verlängerung der Verjährung erkennt.
Der Verjährungsverzicht kann bei vertraglichen, aber auch bei ausservertraglichen Schuldverhältnissen verwendet werden. Eine Einschränkung auf die Verjährungsfristen des OR, wie dies Art. 129 OR vorsieht, besteht bei Art. 141 OR u.E. nicht. Gerade im ausservertraglichen Haftpflichtrecht mit den bisher kurzen und nun auf drei Jahre verlängerten (relativen) Verjährungsfristen (vgl. Newsletter Bau- und Immobilienrecht 07/2019) oder im Regressverhältnis, also im Verhältnis zwischen Schuldner und dessen Versicherer, waren «Verjährungsverzichte» faktisch Usanz.
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Die Neuerungen in Art. 141 nOR
«Beginn der Verjährung»
«Der Schuldner kann ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten», so Abs. 1 von Art. 141 nOR.
Wann beginnt die Verjährung? Der Gesetzgeber bleibt grammatikalisch umgangssprachlich und unterscheidet nicht zwischen «Eintritt der Verjährungswirkung» oder «Beginn der Verjährungsfrist». Da die «Verjährung» einerseits eine Dauer hat und andererseits eine Wirkung, sollte der Gesetzgeber seine Postulate klarer formulieren. Gemeint wird wohl der Beginn der Verjährungsfrist sein (so auch Krauskopf, S. 47). Die Verjährungsfrist beginnt immer erst nach Entstehen einer Schuld oder eines Anspruchs und entspricht infolgedessen der bisherigen bundesgerichtlichen Regelung, wonach vorvertraglich keine Verjährungsverzichte eingegangen werden können. Das Verbot des Vorausverzichts bleibt gewahrt.
Wann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen? Massgebend ist da Art. 130 Abs. 1 OR: per Fälligkeit. Bei Darlehensschulden beginnt die Verjährung der einzelnen Zinsschuld mit deren Fälligkeit zu laufen. Das Kapital hingegen ist nicht fällig und damit unverjährbar, bis das Darlehen gekündigt (und damit auf den Ablauf der Kündigungsfrist fällig) wurde. Analog zu den Hypothekarzinsen verhält es sich zum Beispiel bei Mietzinsen.
Beginnt die Verjährungsfrist mit der Fälligkeit, so sind die besonderen Hemmungen zu beachten: Gemäss Art. 134 OR beginnt die Verjährung nicht, wenn bestimmte Umstände vorliegen. Insofern ist Art. 141 Abs. 1 nOR immer auch im Zusammenhang mit Art. 130 Abs. 1 OR und Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1–8 nOR zu lesen.
Dauer des Verzichts
Gesetzlich normiert wird die maximal zehnjährige Dauer eines Verzichts. Sofern keine Dauer oder kein Enddatum des Verjährungsverzichts vereinbart wird, endet der Verzicht mutmasslich nach zehn Jahren. Unbefristete Verzichte haben also Wirkung für zehn Jahre. Ebenso wird ein Verzicht, der länger als zehn Jahre dauern soll, wohl auf diese Maximalfrist gekürzt (so auch Botschaft, S. 262). Es lohnt sich deshalb allemal, ein bestimmtes Enddatum bzw. eine bestimmte Zeitdauer für jeden Verjährungsverzicht festzuhalten.
Ein Verjährungsverzicht auf «Widerruf» dürfte theoretisch ebenfalls möglich sein. In der Praxis ist ein widerrufbarer Verjährungsverzicht aber nicht sinnvoll, da die Rechtssicherheit unter den Parteien, die mit einem Verjährungsverzicht angestrebt wird, nicht gewährleistet wird. Der Schuldner könnte den Verzicht ja beispielsweise gerade dann widerrufen, wenn die aussergerichtlichen Gespräche gescheitert sind, womit der Gläubiger keine Möglichkeit hat, die Forderung oder den Anspruch etc. gerichtlich durchzusetzen.
Die Zehnjahresfrist ist nicht einmalig, kann also mit einem fortgesetzten Verjährungsverzicht wiederholt werden. In der Praxis werden Verjährungsverzichte regelmässig über sechs, zwölf oder 18 Monate gewährt. Längere Verjährungsverzichte werden als zweite (ff.) oder eben fortgesetzte Verjährungsverzichte vorgeschlagen und gegebenenfalls (schriftlich) erklärt.