Nachbesserungskosten: Limitierung der Mängelrechte bei Übermässigkeit

Weist ein abgeliefertes Bauwerk Mängel auf, kann der Bauherr nach OR grundsätzlich wählen, ob er unentgeltliche Nachbesserung oder eine Reduktion des Kaufpreises wünscht. Das Nachbesserungsrecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn dadurch übermässige Kosten im Vergleich zum Nutzen verursacht werden.

16.07.2024 Von: Maja Baumann
Nachbesserungskosten

In der Praxis kommt es immer wieder zu Fällen, wo Mängel in (Bau-)Werken, die nach der Abnahme entdeckt werden, ihre Ursache in verbauten Teilen haben, deren Reparatur oder Ersatz zugleich den Rückbau zahlreicher weiterer Werkteile erfordert. Der Besteller wünscht, dass alles wie bestellt funktioniert; der Unternehmer macht geltend, dass eine Nachbesserung zu unverhältnismässig hohen Kosten für ihn führen wird.

Dieser Artikel gibt zum Einstieg zunächst einen Überblick über die Mängelrechte des Bestellers im Schweizer Werkvertragsrecht, um sich sodann vertieft des Themas der Nachbesserung und der Limitierung dieses Mängelrechts bei übermässigen Kosten anzunehmen. Verschiedene Praxisfälle und Gerichtsentscheide zeigen auf, welche Kriterien für die Beurteilung der Übermässigkeit relevant sind.

Die Mängelrechte nach Werkvertragsrecht im Allgemeinen

Gemäss Art. 368 OR muss der Unternehmer unabhängig von seinem Verschulden für Werkmängel einstehen. 

Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelrechten durch den Besteller sind: 

  1. die Mangelhaftigkeit des Werks (d.h., Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit);
  2. frist- und formgerechte Prüfung und Mängelrüge durch den Besteller (ansonsten wird eine stillschweigende Genehmigung fingiert);
  3. keine Verursachung des Mangels durch den vom Besteller gelieferten Stoff oder seinen Baugrund, sofern der Unternehmer seiner entsprechenden Anzeigepflicht nachgekommen ist;
  4. keine unsachgemässen Instruktionen des Bauherrn, sofern der Unternehmer ihn diesbezüglich abgemahnt hat;
  5. keine ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung des Mangels durch den Bauherrn;
  6. keine vertragliche Wegbedingung des Mangels (innerhalb der Schranken von Art. 100 und 199 OR); und
  7. keine Verjährung des Mangels (nach 2 oder 5 Jahren, vgl. Art. 371 OR).

Das Werkvertragsrecht sieht vier verschiedene Rechtsbehelfe des Bestellers vor: Die Wandlung, die Minderung, die Nachbesserung und, kumulativ zu den ersten dreien beim Vorliegen eines Verschuldens des Unternehmers, Schadenersatz.

Die Wandlung bedeutet eine Rückabwicklung, d.h. das Werk ist zu entfernen und der Werklohn wird rückerstattet. Sie ist nur in extremen Fällen, in welchen das Werk einen so grossen Mangel aufweist, dass unbrauchbar ist bzw. die Annahme dem Besteller nicht zugemutet werden kann, anwendbar. Bei Bauwerken kommt die Wandlung sehr selten zur Anwendung, da der Besteller sie nur verlangen kann, wenn dies keinen unverhältnismässigen Nachteil für den Unternehmer bedeutet.

Die Minderung stellt eine Werklohnreduktion im Umfang des Minderwerts des abgelieferten (mangelhaften) Werks dar. Die prozentuale Wertdifferenz zwischen dem mangelhaften Werk im Vergleich zum mängelfreien Werk wird umgerechnet in eine gleiche prozentuale Kürzung des Vergütung für das Werk. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt die (widerlegbare) Vermutung, dass die Wertdifferenz mit den Kosten für die Mängelbeseitigung durch einen Dritten identisch ist. Zudem ist das Minderungsrecht auf Fälle, in denen der Werkmangel «minder erheblich» ist, ausgerichtet. Das Gesetz enthält keine formelle Untergrenze, doch kann im Normalfall der Minderwert nicht höher sein als die Kosten für die Mangelbeseitigung. Ist das Werk völlig wertlos, greift nicht die Minderung, sondern die Wandlung.

Für minder erhebliche Mängel steht dem Besteller neben der Minderung auch die Nachbesserung als Rechtsbehelf zur Verfügung. Auf das Nachbesserungsrecht wird im nächsten Teil vertieft eingegangen.

Zusätzlich zur Wandelung, Minderung oder Nachbesserung kann der Besteller vom Unternehmer Ersatz des Mangelfolgeschadens verlangen, sofern ein Verschulden des Unternehmers vorliegt.

Das Nachbesserungsrecht im Besonderen

Meist wünscht der Bauherr einfach, dass das Werk dem entspricht, was er bestellt hat, d.h., alle Abweichungen von diesem Soll-Zustand sind durch den Unternehmer zu beheben. Dieses sogenannte Nachbesserungsrecht des Bestellers besteht in der unentgeltlichen Verbesserung des Werks durch den Unternehmer. Es geht somit um einen Anspruch auf Realerfüllung.

Sofern die Parteien die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart haben, ist der Besteller gar verpflichtet, dem Unternehmer zunächst Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. Erst wenn dieser gar nicht nachbessert (weil er dies nicht will oder nicht kann) oder nicht so, dass der Mangel behoben ist, kann der Bauherr auch Minderung oder Wandlung wählen (oder weiter auf der Nachbesserung beharren).

Voraussetzung für die Ausübung dieses Mängelrechts ist, dass die Nachbesserung objektiv rechtlich und tatsächlich möglich ist und dass dem Unternehmer durch die Nachbesserungsarbeiten keine übermässigen Kosten entstehen. Eine subjektive, d.h. in der Person des Unternehmers liegende, Unmöglichkeit (mangelnde Fähigkeiten, Zeit, etc.) schliessen dieses Recht nicht aus, sondern führen zu einem Nachbesserungsverzug des Unternehmers.

Verhältnismässigkeit der Kosten als Limitierung des Nachbesserungsrechts

Der Ausschluss des Nachbesserungsrechts im Fall übermässiger Kosten geht zurück auf den Grundsatz von Treu und Glauben und soll den den Unternehmer vor unzumutbaren Forderungen schützen. Das Bundesgericht hat den im Gesetz nicht weiter umschriebenen Umstand der Übermässigkeit in verschiedenen Fällen konkretisiert.

Primär relevant ist das Interesse des Bestellers an der Nachbesserung. In einem Gerichtsfall ist es daher sehr wichtig, dass der Bauherr substantiiert darlegt und beweist, welchen Nutzen diese Nachbesserung für ihn hat. Dabei kann es zum einen um den materiellen Nutzen der Mängelbeseitigung gehen, wie bspw. Stromeinsparung bei besserer Isolation. Zum anderen sind aber gemäss Bundesgericht auch immaterielle Interessen des Bestellers mitzuberücksichtigen, wenn bspw. die Fassade nicht überall im gleichen Farbton gestrichen ist. Bei rein ästhetischen Mängeln sind jedoch die Verbesserungskosten eher übermässig als wenn es um die Gebrauchstauglichkeit des Werks geht.

BGE 111 II 173 (9. Juli 1985)

Die Nachbesserungskosten sind dann gemäss Bundesgericht übermässig, wenn sie in einem Missverhältnis zum Nutzen stehen, den die Mängelbeseitigung dem Besteller bringt. Bei der Abwägung von Kosten und Nutzen können auf seiten des Bestellers nicht nur wirtschaftliche, sondern auch nichtwirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden.

Das Interesse des Bestellers wird ins Verhältnis gesetzt zu den Nachbesserungskosten, die dem Unternehmer entstehen. Diese umfassen sowohl die Kosten der effektive Mängelbeseitigung, inkl. Material, als auch die Kosten für Vorbereitung, Räumung des Werkplatzes (bspw. Möbel verschieben) und Wiederherstellung (bspw. bei eingebauten Werken, die Wiederherstellung der Wand) sowie Weg- und Transportkosten. Nicht relevant ist hingegen die Marge bzw. der Gewinn des Unternehmers.

Ursprünglich hat das Bundesgericht einzig das Bestellerinteresse als Referenzpunkt genommen und den ursprünglichen Werklohn und dessen Verhältnis zu den Nachbesserungskosten als nicht massgebend bezeichnet. In seinem Urteil vom 6. August 2020 (BGer 4A_78/2020) hielt das Bundesgericht jedoch neu fest, dass der Umstand, dass die Nachbesserungskosten ein Vielfaches des Werklohns betragen, ein Indiz für die Übermässigkeit der Nachbesserungskosten sein könne. Somit werden die Nachbesserungskosten doch in einem gewissen Ausmass mitberücksichtigt.

BGer 4A_78/2020 (6. August 2020)

Die Nachbesserung einer Deckenbeleuchtung, die einen Sternenhimmel darstellen sollte und CHF 13'024 kostete, hätte Kosten von CHF 46'695 verursacht. Der Umstand, dass die Nachbesserungskosten ein Vielfaches des Werklohns betragen, ist gemäss Bundesgericht ein Indiz für Übermässigkeit.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem Besteller eines Werks sowohl nach OR als auch nach der SIA-Norm 118 grundsätzlich das Recht zusteht, bzw. er nach der SIA-Norm gar verpflichtet ist, die unentgeltliche Nachbesserung von Werkmängeln vom Unternehmer zu verlangen. Sofern die Mängelbeseitigung jedoch zu übermässigen Kosten für den Unternehmer im Verhältnis zum Nutzen des Bestellers führt, darf der Besteller keine Nachbesserung verlangen bzw. darf der Unternehmer diese zu recht vermeiden, da die Nachbesserung unzumutbar wäre. Dem Besteller bleibt in der Praxis dann nur noch die Minderung, eventuell kombiniert mit der Beauftragung eines Dritten zur Herstellung des gewünschten Zustands auf eigene Kosten.

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