Gefährliche Stoffe: Risiken und Sicherheitsaspekte im Betrieb

Ob es sich um Reinigungsmittel, Oberflächenbehandlung, Pflanzenschutzmittel oder Komponenten eines industriellen Prozesses handelt, gefährliche Stoffe sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Gefährliche Stoffe kommen bei unzähligen Betriebsprozessen zum Einsatz. Der Umgang mit diesen Stoffen birgt viele Risiken, sowohl bei der Verwendung als auch bei der Lagerung, und erfordert deshalb entsprechendes Know-how. Die Anforderungen an die Sicherheit von Personen, Gebäuden und Anlagen sind unbedingt einzuhalten.

10.09.2024 Von: Vincent Tissot-Dupont
Gefährliche Stoffe

Was sind gefährliche Stoffe?

Die Definitionen gefährlicher Stoffe sind so zahlreich wie die existierenden nationalen und internationalen Reglemente. Allgemein können sie als Stoffe (gasförmig, fest oder flüssig) mit Eigenschaften definiert werden, die das Leben oder die Gesundheit von Lebewesen (Menschen, Tiere, Umwelt) gefährden oder Sachschäden verursachen können. Zum Beispiel: die Lagerung von brennbaren Stoffen oder von Kohlenwasserstoffen in grossen Mengen, oder auch die Lagerung von Produkten, die separat gelagert ungefährlich sind, die aber, wenn sie in Kontakt mit inkompatiblen Stoffen kommen zu gefährlichen Reaktionen führen können (exotherme Reaktionen, schädliche Dämpfe). Bei diesen Stoffen müssen zahlreiche und komplexe gesetzliche Anforderungen beachtet werden.

Die Gefahrenpiktogramme auf den Behältern dienen zur ersten Information. Auch wenn sie von entscheidender Bedeutung sind, reichen die groben angegebenen Daten nicht aus, um alle Informationen für einen sicheren Umgang sicherzustellen. 

Welche Risiken sind mit der Lagerung, Verwendung und Entsorgung verbunden? 

Die mit unsachgemässer Verwendung und/oder inkompatibler Lagerung verbundenen Folgen sind fast so zahlreich wie die Kategorien der gefährlichen Stoffe. Es ist zu unterscheiden zwischen:

  • Physikalische Gefahren, die u. a. mit explosiven Stoffen, entzündlichen oder selbstentzündlichen Flüssigkeiten und Dämpfen verbunden sind. Diese können Brände oder Explosionen auslösen = Unfälle wie AZF in Toulouse im Jahr 2001.
  • Gesundheitsgefahren: Nach kurzen oder wiederholten Expositionszeiten können diese Stoffe die Gesundheit eines Menschen (Organe, Zellen, Blut, Fötus, Gameten, usw.) schädigen (dauerhaft oder nicht). Die Folgen können nach einer langen Latenzzeit auftreten
    = Unfälle und/oder Berufskrankheiten, z. B. Allergien, Silikose, Asbestose, Krebs...
  • Umweltgefahren: Gelangen diese Produkte in die Umwelt, sind schädliche Auswirkungen auf die Gewässer, den Boden, die Luft oder die Tierwelt zu erwarten.

    = schwerer Unfall im Sinne der StFV. Beispiel: Katastrophe von Schweizerhalle 1986.

Unfälle mit Chemikalien bilden etwa 7% der von der SUVA gemeldeten Berufsunfälle. All diese Folgen haben soziale, rechtliche, wirtschaftliche und sogar politische Auswirkungen, die niemand gerne tragen möchte.

Mein Unternehmen braucht und nutzt solche Stoffe – was ist zu tun?

Das Ausmass der Anforderungen variiert stark in Abhängigkeit von den gelagerten Mengen und des Gefahrenpotentials der Stoffe. Folgendes gilt jeweils:

  • Eine Chemikalien-Ansprechperson bezeichnen.

    Gemäss Artikel 25 des Chemikaliengesetzes (ChemG) muss «jeder Betrieb, in dem beruflich oder gewerblich mit gefährlichen Stoffen umgegangen wird, eine Ansprechperson ernennen». Die entsprechende Verordnung gibt keine Ausbildung vor. Ein gewisses Grundwissen in Chemie ist beim Verständnis des Chemikalienrechts vorteilhaft. Diese verantwortliche Person ist Bindeglied zwischen dem Betrieb und den Behörden und muss einen Überblick über den Umgang mit Stoffen und Zubereitungen im Betrieb haben.

  • Die Sicherheitsdatenblätter (SDB) aller Produkte sammeln und beachten. 

    Die vollständige Liste der Produkte sowie der gelagerten Mengen und ihres Lagerortes wird spätestens zum Zeitpunkt der Anschaffung der SDB erstellt. Die Abgabe der SDB ist im gewerblich-beruflichen Bereich obligatorisch (ChemV. Art. 21). Sie enthalten sehr wichtige Informationen, die auf den jeweiligen Behältern nicht beschrieben sind. Insbesondere wird genau beschrieben, welche Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung zu gewährleisten sind (z.B. Art der Ausrüstung, Material und Dicke der Handschuhe, maximale Tragezeit, usw..). 

  • Nutzer über Gefahren und Massnahmen instruieren.

    Sich Zeit zu nehmen, um den sicheren Umgang mit Produkten zu erklären, ist nicht nur wichtig, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben (VUV. Art. 6). Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Arbeitnehmenden über die korrekte Arbeit mit chemischen Produkten informiert und im richtigen Umgang angeleitet werden.

  • Sorgfaltspflicht erfüllen, nicht nur der Arbeitgeber.

    Die Sorgfaltspflicht gilt für alle, die Chemikalien anwenden. Jede(r) ist verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, die der Gefährlichkeit des Produkts entsprechen. Dabei sind die Informationen des Herstellers auf der Verpackung (Etikett und Gebrauchsanweisung) und im Sicherheitsdatenblatt zu berücksichtigen.

  • ASA-Spezialisten beiziehen.

    Spezialisten müssen beigezogen werden, wenn im eigenen Unternehmen das Wissen fehlt. Betriebe mit «besonderen Gefährdungen» nach Anhang 1 der EKAS-Richtlinie 6508 müssen ebenfalls einen Spezialisten beiziehen. Chemische und biologische Einwirkungen sowie Betriebe mit Brand- und Explosionsgefährdungen gehören zu «besondere Gefährdung».

  • Richtig lagern und entsorgen.

    Das am wenigsten gefährliche Produkt ist das, das man nicht hat. Deshalb erstmal aussortieren und überall wo möglich die Menge reduzieren oder durch ein weniger gefährliches Produkt ersetzen. Anschliessend muss ein Lagerkonzept erstellt werden, indem die Lagerklassen für die verschiedenen Produkte identifiziert werden. In diesem komplexen und wichtigen Schritt werden auch die baulichen, technischen, organisatorischen und/oder persönlichen Massnahmen zur Verringerung des Risikos festgelegt. Ein leeres Gebinde muss immer als gefährlich angesehen werden. Eine ordnungsgemässe Abfallentsorgung und -zwischenlagerung spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherheit von gefährlichen Stoffen.

    In regelmässigen Abständen ist zu überprüfen, ob die Massnahmen des Konzepts korrekt umgesetzt und eingehalten werden.

Weitere wichtige Punkte

  • Die Verwendung von gefährlichen Stoffen ist intraspezifisch mit Risiken verbunden, die leider unterschätzt und/oder falsch verstanden werden. Regelmässige Instruktionen und Schulungen sind von grösster Bedeutung.

  • Ähnlich wie bei Asbest vor einigen Jahrzehnten, verhindert der Mangel an Informationen über die Folgen einer Exposition gegenüber einer oder mehreren Chemikalien häufig, dass eine direkte und schnelle Verbindung zwischen der Exposition und einer Krebserkrankung, die erst 20 Jahre später ausbricht, hergestellt werden kann. Es ist weiterhin Vorsicht geboten. Die Anerkennung von Berufskrankheiten kann zu einem Hindernislauf werden.

  • Hier wird von der potenziellen Gefährlichkeit einzelner Produkte gesprochen. Bei chemischen Mischungen ist dies sogar noch mehr der Fall, da die Gefährlichkeit durch das Hinzufügen von Substanzen zunehmen kann.

  • Abhängig von den gelagerten Mengen und der Art der Stoffe, müssen zusätzliche Massnahmen, wie z. B. bei sehr grossen Mengen, ein Bericht nach der Störfallverordnung (StFV) erstellt werden.

  • Die vorgängig beschriebenen Vorkehrungen müssen bei der Planung von Bau-, Renovierungs- oder Erweiterungsarbeiten berücksichtigt werden. Eventuell sind bauliche Massnahmen erforderlich (Brandabschnittsbildung, Raumlüftung, antistatische Böden, usw.).

  • Die Ausarbeitung eines Lagerkonzepts berücksichtigt die Regelwerke mehrerer Bereiche (Brandschutz-Richtlinien, Explosionsschutz, Arbeitnehmerschutz, Umweltschutz) und erfordert eine übergreifende Sichtweise.

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