Bauleiter: Was ist rechtlich zu beachten?
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Terminologie und Begriff
Vergebens sucht man den Begriff der "Bauleitung" in einem Gesetz. Der Bauleitervertrag ist ein Innominatvertrag. Der Bauleitervertrag ist nicht formgebunden und kann mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Erst dieser Vertrag definiert klare Leistungspflichten der Parteien.
Der Duden und damit der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet als "Bauleitung" die Leitung der Ausführung einer Baute. Darunter ist die Koordination, Anordnung, Instruktion und Kontrolle aller anfallenden Bauarbeiten auf der Baustelle zu verstehen. Das umfasst im Kern die Umsetzung der architektonischen und planerischen Vorgaben in die bauliche Realität. Das umfasst auch die Komponenten «Zeit», «Kosten» und «Qualität». Diese funktionale auf die Tätigkeit gerichtete Bezeichnung ist sachgerecht.
Gleichzeitig bezeichnet der Begriff "Bauleitung" auch einen Personenstand, nämlich den Kreis der Fachleute, die mit der Leitung der Ausführung einer Baute beauftragt sind. Dementsprechend gibt es beispielsweise einen Berufsverband «Organisation Bauleitung Schweiz» und spezifische Kursangebote bis hin zu Masterlehrgängen für Bauleiterinnen und Bauleiter. Dem Bauleiter obliegt die harte, aber auch konstruktive Arbeit, ein vorher nur in Papierform bestehendes Projekt in die Realität umzusetzen.
Von der ordentlichen Bauleitung zu unterscheiden ist eine "Fachbauleitung", welche fachtechnische Teilbereiche, z.B. Gebäudeanalgen, leitet. .
Keine «Bauleitung» ist die «Bauherrenvertretung» oder die «Bautreuhand», denn diese begleiten weniger das entstehende Werk, sondern agieren als Stellvertreter der Bauherrschaft oder nehmen fiduziarische Tätigkeiten des Bauherrn wahr.
Juristisch war die Zuordnung des Innominatvertrages «Bauleitervertrag» zu Auftrags- oder Werkvertrag zu definieren. Es ist inzwischen unstrittig, dass der Bauleitervertrag dem einfachen Auftrag (OR Art. 394 ff.) untersteht und nicht dem Werkvertrag. Nicht die physische Werkausführung und auch nicht ein objektiv messbares Resultat stehen beim Bauleiter im Vordergrund, sondern seine managenden Fähigkeiten und Erfahrung. Die Judikatur dazu ist reichhaltig und soweit erkennbar auch konsistent (vgl. dazu z.B. «Gauch», WV, 6. A. Rz 55 und dazu Fn140 und 141).
Der Bauleiter hilft dem Bauherrn
Der Bauherr kann eine oder mehrere Personen für die "Bauleitung" bezeichnen (SIA Norm 118 Art. 33 Abs. 1). Soweit der Vertrag nichts anderes bestimmt, vertritt die Bauleitung (die Bauleiterin, der Bauleiter) den Bauherrn gegenüber dem Unternehmer (Art. 33 Abs. 2 der SIA Norm 118). Folglich sind alle Willensäusserungen des Bauleiters, die das Werk betreffen, für den Bauherrn grundsätzlich rechtsverbindlich, insbesondere Weisungen, Anordnungen, Bestellungen, Bestätigungen und Planlieferungen. Gleichzeitig nimmt der Bauleiter Mitteilungen und Willensäusserungen (zum Beispiel Abmahnungen) des Unternehmers betreffend das Werk für den Bauherrn (als Adressat) rechtsverbindlich entgegen (vgl. auch Art. 35 der SIA Norm 118).
Zwischen dem Bauherrn und dem Bauleiter gibt es ein Vertragsverhältnis. Zwischen dem Bauleiter und dem ausführenden Unternehmer gibt es hingegen kein Vertragsverhältnis. Der Bauleiter hat wohl (u.a.) Weisungsrechte und Obliegenheiten gegenüber dem ausführenden Unternehmer aber der Unternehmer hat im Gegenzug keine vertraglichen Ansprüche gegen den Bauleiter. Die Ansprüche des Unternehmers richten sich gegen den Bauherrn, denn der ist sein Vertragspartner. Es liegt dann am Bauherrn, seinen Architekten und seinen Bauleiter in die Pflicht zu nehmen.
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Kernaufgaben der Bauleitung
Die Aufgaben des Bauleiters lesen sich in einem ersten Schritt aus dem individuellen Bauleitervertrag selbst ab. Wurde im Bauleitervertrag die Anwendung der SIA-Ordnung 102 vereinbart, so ist diese heranzuziehen. Falls nicht, so leiten sich die Aufgaben alleine aus dem Auftragsrecht gemäss OR und den situativ bedingten Umständen ab. Aus Sicht des Bauherrn gehen die Pflichten der Bauleitung aus SIA Norm 118 Art. 33 hervor, wobei diese SIA Norm regelmässig nur zwischen Unternehmer und Bauherr, nicht aber zwischen Bauherr und Bauleitung Vertragsbestandteil wurde. Damit sind die bezeichneten Aufgaben höchstens indirekt anwendbar – im Rahmen einer (allenfalls berechtigten) Erwartungshaltung.
Gemäss SIA Ordnung 102 Art. 2.1.3 «vertritt» der Bauleiter den Bauherrn im gesamten Informationsaustausch. «Er leitet, koordiniert und beaufsichtigt die Arbeiten auf der Baustelle». Aus diesem Grundsatz und aus der Natur und Stellung der Bauleitung lassen sich Aufgaben allgemeiner Art ableiten, welche die Bauleitung zu vollziehen hat: So muss der Bauleiter grundsätzlich alle Aufgaben erfüllen, die "geeignet und zweckmässig sind, den Auftragserfolg herbeizuführen". Das resultiert aus der Pflicht zur sorgfältigen / professionellen und getreuen Auftragserfüllung. Dementsprechend obliegt es dem Bauleiter, z.B. für die rechtzeitige Beschaffung der Pläne, für die konkrete Instruktion der Unternehmer, Handwerker und Zulieferer (Einweisung in die Arbeit), für die Aufsicht über die Ausführung der Arbeiten sowie für die Prüfung der Materiallieferungen, der Handwerkerrapporte und aller Rechnungen über das Bauwerk besorgt zu sein. Er hat den Bau (technisch und terminlich) zu koordinieren und dem Willen der Bauherrschaft und dessen Architekten auf der Baustelle Nachachtung zu verschaffen. Diese Aufgaben finden Niederschlag in einem Baujournal. Es ist davon auszugehen, dass der Bauleiter auch für die fachübergreifende Sicherheit auf der Baustelle und die Baustellenlogistik verantwortlich ist.
Gemäss SIA-Norm 118 fallen dem (Bauherrn und damit seinem) Bauleiter im Wesentlichen folgenden Aufgaben zu:
- rechtzeitiges Bereitstellen der Pläne und Baustofflisten (Art. 100 Abs. 1)
- rechtzeitiges Bereitstellen von Bau- und ggf. Installationsgrundstück und der nötigen Rechte (Wegrecht, Baubewilligung etc.) (Art. 94 Abs. 1)
- rechtzeitiges Erteilen der notwendigen Weisungen (Art. 99)
- Vornahme der Hauptabsteckung und Kontrolle der Hauptachsen zuhanden des Unternehmers (Art. 114 Abs. 1 und 2)
- rechtzeitige Meldung von Bestellungsänderungen und Bereitstellen der nötigen Ausführungsunterlagen (Art. 85 Abs. 1 und 2)
- rechtzeitige Koordination der verschiedenen Unternehmer (Art. 34 Abs. 3)
- Bewilligung von Regiearbeiten (Art. 45 Abs. 1) und von besonderen Lohnzuschlägen an die Arbeiter bei Erschwernissen wie Wasser, Schmutz etc. (Art. 51 Abs. 2)
- Unterstützung des Unternehmers bezüglich Arbeitssicherheit sowie Berücksichtigung derselben bei den eigenen Anordnungen (Art. 104); in erster Linie ist dies aber eine Aufgabe des Unternehmers!
- Prüfung der Unternehmerrechnungen (Art. 34 Abs. 1), insbesondere auch der Schlussabrechnung (Art. 154 Abs. 2) und Anerkennung derselben (Art. 154 Abs. 3)
- Prüfung des fertigen Werkes / Abnahme (Art. 158 Abs. 2 und 3)
Gemäss SIA-Ordnung 102 (2014) fallen dem Bauleiter im Wesentlichen folgenden Aufgaben zu:
- Gemäss Art. 2.1.3 «vertritt» der Bauleiter grundsätzlich den Bauherrn bezüglich Informationen und er hat alle Arbeiten der Realisierung des Bauwerkes vorzunehmen.
- Gemäss Art. 7.7, Teilleistungsphase 5, Ausführung 4.52 umfasst die Bauleitung 23% Teilleistungsprozente. Daraus lässt sich das Gewicht und die Bedeutung der Arbeit einerseits ableiten und andererseits der Bereich definieren, der für die Bauleitung reserviert ist:
- Realisierung, Ausführung Art. 4.52: Bereich «Bauleitung»: die 11 spezifischen Unterpunkte umfassen Leitung, Kontrolle, Anordnungen, Überwachen und Berichten.
Der Begriff der Bauleitung im SIA-Regelwerk
Die SIA-Ordnung 102 bezeichnet die "Bauleitung" einleitend in Art. 2.1.3 und dann differenziert in Art. 4.52 "Ausführung". Da wird unterschieden zwischen der "gestalterischen Leitung" welche beim Architekten verbleibt und der "Bauleitung" im engeren Sinne, also der Leitung der Baustelle während der Ausführung und Erstellung des Bauwerkes. Der Bauleiter übernimmt aber regelmässig weitere Leistungen als jene, die im Unterkapitel "Bauleitung" aufgeführt sind. So erbringt die Bauleitung auch Leistungen aus den Abschlussarbeiten der Realisierung (wie "Inbetriebnahme",, "Dokumentation» und oft auch die "Leitung der Garantiearbeiten" umfasst).
Die SIA-Ordnung 103 kennt für den Ingenieur ebenfalls Bauleitungs-Leistungen: vgl. dazu Art. 4.1.52 und Art. 4.1.53 der SIA-Ordnung 103.
Die SIA-Norm 118 regelt als vertragliche Norm die Rechte und Pflichten von Unternehmer und Bauherrn. Die Bauleitung wird da dem Wirkungskreis der Bauherrschaft zugerechnet (Art. 3 Abs. 3 mit Verweis auf Art. 33 ff.) und agiert damit als Stellvertretung des Bauherrn auf der Baustelle – analog dem Architekten. Aus Werkverträgen unter der SIA Norm 118 kann der Unternehmer Ansprüche auf verschiedenen Mitwirkungspflichten des Bauherrn ableiten. Bringt der Bauherr, vertreten durch die Bauleitung, diese Mitwirkungspflichten nicht, so entsteht ein "Annahmeverzug" seitens des Bauherrn. Insofern statuiert die SIA Norm 118 (über die Zahlungspflicht des Werklohnes hinaus) echte Mitwirkungspflicht des Bauherrn gegenüber dem Unternehmer.
Auch wenn der Bauleiter Kontrollen am in Entstehung begriffenen Werk vornimmt, was er für den Bauherrn tut, so hat der Unternehmer doch keinen Anspruch darauf, dass der Bauleiter (alle) Schritte des Unternehmers prüft und ihn damit in seiner fachmännischen Ausführungspflicht unterstützt.
Die Bauleitungsaufgaben sind in der SIA Norm 118 und den SIA Ordnungen 102, 103 und 108 nicht kongruent geregelt. Es gibt innerhalb der vertraglichen Regelwerke der SIA Lücken oder Divergenzen und damit Abstimmungsbedarf.
Achtung: Die SIA Norm 118 ist auf direkte Bauwerkverträge zugeschnitten, bei denen Handwerker und Unternehmer einem Bauherrn und dessen Architekten und Bauleiter gegenüber stehen. Auf GU- oder TU-Verhältnisse ist die SIA Norm 118 nicht vollständig ausgerichtet. General- und Totalunternehmer erbringen begriffsspezifisch mehr eigene planende Leistungen, die ein nur ausführender Unternehmer nicht erbringt. Wird folglich ein Bauwerk einem General- oder Totalunternehmer übertragen, so erbringen diese GU oder TU erhebliche Leistungen der üblichen "Bauleitung". Der Leistungskatalog verschiebt sich, was die Vertragsgestaltung fordert.
Je nach dem, wer auf einer Baustelle der Bauleiter ist, treten Baumängel, Verzüge, Mehrkosten, Schäden bis hin zu Unfällen «eher» oder «weniger» auf. Der Bauleiter hinterlässt bei jedem Bau einen unverkennbaren Fingerabdruck. Oft schlimm sind die Folgen, wenn «keine» Bauleitung den Bau leitet. Darauf kann ein Bauleiter stolz sein. Gleichzeitig trifft den Bauleiter oft eine «Mit»-Haftung, wenn tatsächlich Baumängel, Verzüge, Kostenüberschreitungen entstehen oder Unfälle passieren. Die Versicherung der Bauleitung ist deshalb immer dabei, wenn es um Bauschäden geht.
Praxis
- Urteil des BGer vom 30. September 2013, 4A_238/2013
- Urteil des BGer vom 11. April 2013, 6B_543/2012
- BGE 109 II 466
- Vgl. zum Ganzen «Planerverträge», Stöckli / Siegenthaler, Zürich, 2019, ; Locher § 10 Die Bauleitung; «Der Werkvertrag», Gauch, 6. Auflage. Rz 55 und dazu Fn140 und 141