Architekturwettbewerbe: Architektenvertrag und -wettbewerb
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Einleitung
Über die Ziele und die entsprechenden formellen Anforderungen eines solchen lösungsorientierten Konkurrenzverfahrens wurde schon viel geschrieben. Die nachfolgenden Zeilen sollen sich einer spezifischen Schnittstelle widmen, welche immer wieder zu Problemen und Fragen führt und die ein Denkanstoss sein kann, allenfalls das Planerwahlverfahren des Wettbewerbs und des entsprechend damit in Aussicht gestellten Anspruchs des Gewinners auf einen Folgeauftrag zu modifizieren.
Lösungs- und leistungsorientierte Beschaffungsverfahren
Das lösungsorientierte Beschaffungsverfahren eignet sich sowohl bei privaten wie auch öffentlichen Beschaffungen von Architekturleistungen für die Evaluation der besten architektonischen Lösungen für das geplante Vorhaben.
Das Wettbewerbs- und das Studienauftragsverfahren
Der Wettbewerb und auch ein Studienauftragsverfahren grenzen sich als lösungsorientierte Beschaffungsformen von der leistungsorientierten Beschaffungsform stark ab. So hat etwa der Projektwettbewerb das Ziel, den besten Lösungsvorschlag zu ermitteln und nicht den Planer mit dem besten PreisLeistungs-Verhältnis zu finden.
Entsprechend sieht auch die SIA-Ordnung 142 für Planungswettbewerbe keinen Preiswettbewerb vor. Beim Wettbewerbsverfahren werden die besten Lösungen gekürt. Allfällige Vergütungsmodalitäten des in Aussicht gestellten Folgeauftrags sind nicht Teil der Jurierung und fliessen nicht ins Ergebnis bzw. die Beurteilung ein.
Ziel ist der Folgeauftrag
Da die Planer für Wettbewerbsbeiträge jedoch stark in Vorleistungen gehen und die Preisgelder (welche ohnehin nur an die bestplatzierten Teilnehmer überhaupt ausgerichtet werden) die Aufwände eines Wettbewerbsentwurfs meist nicht annähernd decken können, ist der entsprechende Folgeauftrag das eigentliche Ziel der Wettbewerbsteilnahme. Somit ist der Architektenwettbewerb zu einem grossen Teil ein – wenn auch sehr aufwendiges – Akquise-Instrument der Architekten.
«The winner takes it all» – eine Wettbewerbsteilnahme lohnt sich (zumindest finanziell) für den Planer meist überhaupt nur dann, wenn eine Beauftragung für das Vorhaben folgt. Es ist Teil des Konzepts, dass die Vorleistungen und Aufwendungen für den Wettbewerbsbeitrag durch den Auftrag der Projektierung und Ausführung des Projekts sozusagen «quersubventioniert» werden.
Entsprechend ist bei einem Projektwettbewerb nach SIA 142 vorgesehen, dass die Wettbewerbsgewinner im Normalfall einen Anspruch auf einen vollen Folgeauftrag, d.h. einen Architektenvertrag für 100% Teilleistungen nach SIA für die Planung und Realisierung des Vorhabens, erhalten.
Regelungen zum Folgeauftrag fehlen
Der Wettbewerbsordnung der SIA 142 regelt aber nur das Verfahren des Wettbewerbs bis hin zur Jurierung und den Ansprüchen des Wettbewerbsgewinners. Die Konditionen des Folgeauftrags, d.h. des eigentlichen Architektenvertrags, werden mit dem Wettbewerb nicht ermittelt oder bereits verhandelt. Dies betrifft nicht nur die Vergütungshöhe, sondern auch andere grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Parteien überlassene Parameter eines Architektenvertrags wie Vergütungsmodalitäten, Verantwortlichkeiten, Pflichtenheft, Haftungsklauseln, aber auch die Fragen betreffend den Beizug von Subplanern.
Diese Lücke führt immer wieder zu Diskussionen und teilweise auch zu Streitigkeiten.
Zur Frage der Honorierung
Es wäre in anderen Branchen kaum vorstellbar, bei der Auswahl des zukünftigen Vertragspartners die Vergütungs- und Vertragsfrage offenzulassen und erst dann, wenn die Auswahl erfolgt ist, sich darum zu kümmern und die Konditionen der Zusammenarbeit zu regeln. Auch im Bereich der Architekturwettbewerbe hat diese Praxis bislang vereinzelt zu Unklarheiten geführt.
Entsprechend empfi ehlt auch die KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren) aus Gründen der Transparenz und zur Vereinfachung der Vertragsverhandlungen die objektspezifi schen Kennwerte bereits im Wettbewerbsprogramm festzulegen und die Teilnehmer zum Akzept der Bedingungen zu verpflichten.
Diese Praxis birgt aber ebenfalls Probleme und kann zu einseitig diktierten Verträgen führen, welche auch unter dem Aspekt der Marktmacht der öffentlichen Auftraggeber kritisch zu betrachten ist.
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Bisher wenig Wettbewerb
Dass Diskussionen über die Höhe und das Modell der Vergütung im Nachgang zu Wettbewerbsverfahren bei den Vertragsverhandlungen doch noch eher selten vorkommen, liegt daran, dass bisher im Bereich von Architektenverträgen bei der Vergütung und auch den Vertragsmodellen der Planer nur sehr wenig Wettbewerb bestand. Auch wenn die langjährig verwendeten SIA-Verbandtarife seit Jahren nicht mehr publiziert werden, lässt auch das aktuell am meisten verwendete Preismodell mit der Kalkulationshilfe der Berechnung des Honorars nach aufwandbestimmender Bausumme faktisch keinen Wettbewerb bei den Vergütungsmodellen zu.
Wichtiger Hinweis: Es ist somit zumindest nicht auszuschliessen, dass zukünftig das Vergütungsmodell nicht einfach mehr als Standardformel über die Baukosten festgelegt werden kann und damit die Vertragsverhandlungen mit dem Wettbewerbsgewinner betreffend die Vergütung und das dafür anzuwendende Modell einige Fragen mehr aufwerfen.
Der SIA hat auf Druck der WEKO die neue Leistungs- und Honorarordnungen, Ausgabe 2020 angepasst und das Modell der Honorarberechnung nach den Baukosten entfernt (Art. 5.3 SIA LHO 2020) und empfi ehlt nur noch die Honorierung nach effektivem Zeitaufwand, die Pauschale und die Globale.
Entsprechend ist zumindest nicht auszuschliessen, dass zukünftig das Vergütungsmodell nicht einfach mehr als Standardformel über die Baukosten festgelegt werden kann und damit die Vertragsverhandlungen mit einem Wettbewerbsgewinner über die Vergütung und das dafür anzuwendende Modell einige Fragen mehr aufwerfen. Dies wird die entsprechende Problematik sicher nicht entschärfen.
Fragen in Bezug auf das Planerteam
Stärker als die offene Vergütungsfrage führen jedoch insbesondere die Frage der Zusammensetzungen und Anforderungen an das Planerteam zu Diskussionen zwischen Wettbewerbsgewinner und Aufraggeber. Grund dafür ist die entsprechende Anonymität des Architekturwettbewerbs. Diese ist ein wesentliches Merkmal des Verfahrens.
Vor- und Nachteile der Anonymität
Das Preisgericht soll explizit nur die Lösungsvorschläge beurteilen – ungeachtet der Person bzw. Qualifikation des Entwerfers. Dadurch wird sichergestellt, dass die Preisgerichte unvoreingenommen die Entwürfe bewerten. Herkunft, Ausbildung, Renommee und Erfahrung der Teilnehmer sollen die Beurteilung nicht beeinflussen. Die Anonymität ist gerade vor dem Hintergrund der Nachwuchsförderung von grosser Bedeutung. Ohne diese wäre die Schwelle für den Einstieg junger Architekturbüros in den Markt ungleich höher.
Trotz all dieser Vorteile beinhaltet das anonyme Verfahren jedoch auch gewichtige Nachteile. Denn die Erfahrung und die fachlichen Qualifikationen des Gewinnerteams werden nicht bewertet. Diese Aspekte werden jedoch spätestens bei der Ausführung wichtig. Mit einem Architekturwettbewerb lassen sich Kreativität, Architektursprache und Konzept des Entwurfs und der entsprechenden Fähigkeiten des Planers beurteilen und bewerten, nicht aber planerische und organisatorische Erfahrung und Fähigkeiten.
Doch beim SIA-Leistungsmodell 102 und den 100% Teilleistungen machen die technische Ausführungsplanung, Ausschreibung von Unternehmerleistungen, die Bauleitung und Kostenkontrolle sowie die Inbetriebnahme 61,5% der Teilleistungen aus. Diese Leistungen sind insbesondere auch für die Wirtschaftlichkeit eines Bauprojekts von grosser Bedeutung.
Wichtiger Hinweis: Überspritzt formuliert wird somit der «grössere» Teil (zumindest prozentmässig) der von einem Planer geforderten Fähigkeiten bei einer Auftragserbringung über 100 % Teilleistungen nach SIA bei der Evaluation mit einem rein lösungsorientierten Planerwahlverfahren nicht abgedeckt.
Mit einem Architekturwettbewerb können somit zwar ein hochstehendes Projekt und entsprechende Planer für die gestalterischen und architektonischen Aspekte gefunden werden. Dass die betreffenden Sieger des Projekts genügend Erfahrung und Fähigkeiten im Bereich der Ausführungsplanung, Ausschreibung und Bauleitung aufweisen, wird damit aber nicht geprüft.
Frage der Weitergabe an Subplaner
Entsprechend kommt es zwischen den Siegerbüros und dem Auftraggeber auch immer wieder zu Diskussionen über die Zusammensetzung des Planerteams und der Frage, ob und welche Teilleistungen (insbesondere im Bereich der Bauleitung und Kostenkontrolle) die Architekten an Subplaner weitergeben und inwieweit der Auftraggeberin da ein Mitspracherecht zukommt. Diese Diskussionen können sich auch über den Projektstart hinziehen.
Es gibt auch Fälle, in welchen die Meinungsverschiedenheiten so gross sind, dass es zu einer Kündigung des Architektenvertrags kommt. Der Wettbewerbsgewinner hat zwar nach Art. 142 SIA Anspruch auf einen Folgeauftrag, vertragsrechtlich kann dieser Auftrag jederzeit vom Auftraggeber gekündigt werden (Art. 404 OR).
Möglichkeiten von Teilaufträgen
Angesichts dieser vielschichtigen Problematik ist die weitläufige Praxis, dem Wettbewerbsgewinner einen Folgeauftrag über 100 % Teilleistungsprozenten in Aussicht zu stellen, zumindest zu hinterfragen. Es ist durchaus möglich, dem Gewinner eines Wettbewerbs auch nur einen Teilauftrag in Aussicht zu stellen. Diese Möglichkeit sieht auch die Wettbewerbsordnung SIA 104 ausdrücklich vor. Sie hält gleichzeitig jedoch fest, dass bei entsprechender Reduktion der Teilleistungen dem Gewinner des Wettbewerbs eine zusätzliche Entschädigung zusteht (Art. 27.1 lit. b SIA 142).
Dies zeigt, dass der Folgeauftrag mit 100 Teilleistungsprozenten somit nach Regelung der SIA einen Teil der Entschädigung für die Aufwände des Gewinners im Wettbewerbsverfahren ist. Der Auftrag ist damit Teil des Preisgelds, und darin liegt die Krux. Denn grundsätzlich ist die im Architektenvertrag festgelegte Vergütung pro Teilphase für die entsprechenden Leistungen kalkuliert. Es macht vertragsrechtlich eigentlich keinen Sinn, dass etwa ein Teil des Honorars für die Phase Bauleitung und Kostenkontrolle Entschädigung für die Aufwendungen im Wettbewerbsverfahren darstellen soll. SIA 142 und den entsprechenden Regelungen folgend ist das aber genau der Fall.
Modelle ungeachtet der SIA-Ordnungen
Entsprechend würden die einem Wettbewerbsverfahren nachgelagerten vertraglichen Diskussionen und Lücken bereits um einiges entschärft, wenn SIA und die entsprechenden Vertrags- und Vergütungsmodelle eine klare Trennung zwischen Preisgeld, Entschädigung für Urheber- und Verwendungsrechte sowie eine sachgerechte Vergütung der einzelnen Leistungen in den entsprechenden Teilphasen vorsehen würden. Ein solches Modell kann auch ungeachtet der bestehenden SIA-Ordnungen in einem Vertrag festgelegt werden.
Dies würde es den Auftraggebern auch ermöglichen, die Leistungen der Entwurfs- und Projektierungsleistungen von den Teilleistungen der Bauleitung und Kostenkontrolle abzugrenzen, und weil diese Leistungsfelder unterschiedliche Fähigkeiten, Spezialisierungen und Erfahrungen voraussetzen, getrennt zu vergeben. So könnte ein Auftraggeber einen Architekturwettbewerb mit Folgeauftrag für die Projektierungs- und Bewilligungsphase durchführen, die Teilleistungen der Ausführungsphasen jedoch in einem leistungsorientierten Verfahren an entsprechende Spezialisten vergeben. Damit kann auch sichergestellt werden, dass die latenten Interessenkonflikte, welchen ein Architekturbüro, welches die Projektierung und Bauleitung/Kostenkontrolle gesamthaft erbringt (sei dies alleine oder mittels Subplaner), im Laufe eines Baus immer wieder ausgesetzt wird, verhindert werden können.
Fazit
Eine solche Trennung der Architekturleistungen ist somit mit Sicherheit aus Sicht der Auftraggeber ein prüfenswerter Ansatz. Dabei muss jedoch klar sein, dass die entsprechenden Leistungen, zu welchen auch die grossen Aufwendungen im Wettbewerbsverfahren gehören, phasen- und sachgerecht entschädigt werden müssen. Phasengerechte Entschädigungsmodelle sollten aber sowohl aus Sicht der Planer als auch der Auftraggeber dem bisherigen Modell vorgezogen werden. Denn dieses bietet nicht nur viele ungelöste Fragen, sondern setzt auch falsche Anreize und verhindert oft ein sachgerechtes Nebeneinander von lösungsorientierten und leistungsorientierten Evaluationsinstrumenten bei der Vergabe von Planerleistungen.