Architekten: Die Verantwortlichkeiten des Architekten

Bauen ist Vertrauenssache. Meist bewegt der Bauherr sich auf ungewohntem Terrain und fühlt sich unsicher. Wer wäre besser geeignet, dem hilfesuchenden Bauenden beizustehen als ein Architekt? Kann man sich getrost zurücklehnen, sobald ein vertrauenswürdiger Architekt gefunden wurde? Was jedoch, wenn der Bau plötzlich Planungsmängel aufweist oder die Schlussrechnung doppelt so hoch ausfällt wie die Kostenschätzung?

01.02.2022 Von: Pascal Caduff
Architekten

Rechtlichen Grundlagen

Das Bundesgericht qualifiziert den Gesamtvertrag des Architekten als gemischten Vertrag. Diese Einordnung erlaubt es, je nach konkreten Umständen eine sachgerechte Lösung nach Massgabe des Auftrags- oder Werkvertragsrechts zu finden. Im konkreten Einzelfall wird geschaut, welche Leistungen die Parteien im entsprechenden Vertrag vereinbart haben. Projektierungsarbeiten, die in einem Werk ihren Niederschlag finden, wie zum Beispiel das Erstellen von Ausführungsplänen, unterliegen den Bestimmungen über den Werkvertrag, während bei Bauleitungsarbeiten die Regelungen des Auftragsrecht zur Anwendung gelangen.

Fehlerhafte Pläne

Erst durch die Erstellung von Plänen kann ein Bauwerk gebaut werden. Pläne unterliegen gemäss bundesgerichtlicher Praxis grundsätzlich den Regeln des Werkvertrages. Ein Planungsfehler stellt daher einen Werkmangel dar, welcher seinerseits wiederum zu einem Mangel am Bauwerk führen kann.

In den meisten Fällen wird zuerst der Baumangel entdeckt und erst bei entsprechender Untersuchung festgestellt, dass der Mangel und der damit einhergehende Schaden auf fehlerhafte Pläne des Architekten zurückzuführen ist. Der aus dem Mangel am Bauwerk erwachsende Schaden stellt in Bezug auf die mangelhaften Pläne einen sogenannten Mangelfolgeschaden dar. Wichtig dabei zu beachten ist, dass der Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens voraussetzt, dass der Bauherr den Schaden verursachenden Planmangel rechtzeitig rügt. Tut er dies nicht, so verliert er seinen Anspruch. Die Frist zur Rüge beginnt dabei mit Entdeckung des Mangels zu laufen, wobei erst die zweifelsfreie Feststellung des Mangels als Entdeckung qualifiziert.

    Verantwortlichkeit

    Ein fehlerhafter Plan führt nicht automatisch zu einem ersatzfähigen Schaden. Vielmehr muss im konkreten Fall geprüft werden, ob das Vermögen des Bauherrn durch den Planfehler negativ beeinflusst wurde. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Bauobjekt weniger Wert hat oder der Bauherr zusätzliche Mittel zur Behebung der Mängel in die Hand nehmen muss. Darüber hinaus müssen auch die weiteren Haftungsvoraussetzungen wie Widerrechtlichkeit (Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Architekten), Kausalzusammenhang (Entstehung des Schadens durch Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen) und Verschulden (unsorgfältiges Verhalten des Architekten) gegeben sein.

    Fazit

    Sobald der Mangel zweifelsfrei feststeht, muss umgehend gerügt werden. Tut der Bauherr dies nicht, so verwirkt er seine Rechte. Doch auch bei Vorliegen eines Schadens muss nicht zwingend Schadenersatz geschuldet sein. Vielmehr sind alle Voraussetzungen für die Haftung genau zu prüfen.

    Mangelhafte Bauleitung

    Übernimmt der Architekt die Bauleitung, so kommen die Bestimmungen zum Auftragsrecht zur Anwendung. Die Pflichten des Bauleiters richten sich grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Der Architekt hat die ihm übertragenen Aufgaben getreu und sorgfältig zu besorgen. Dabei muss er folgende Pflichten im Auge behalten:

    Informationspflicht

    Als Bauleiter muss der Architekt den Bauherrn laufend über alle relevanten Tatsachen informieren, damit dieser die erforderlichen oder gewünschten Entscheide in voller Kenntnis der Sachlage treffen kann.

    Beratungspflicht

    Der beauftragte Architekt hat dem Bauherrn bei der Wahl der geeigneten Massnahmen und Materialien behilflich zu sein, Empfehlungen abzugeben und Vorschläge zu unterbreiten, damit dieser wiederum in voller Kenntnis der Sachlage und der Konsequenzen seine Entscheide treffen kann.

    Aufklärungspflicht

    Der Architekt ist verpflichtet, den Bauherrn umgehend über allfällige Risiken der geplanten Arbeiten aufzuklären.

    Abmahnungspflicht

    Aufgrund seiner Fachkunde hat der Architekt unaufgefordert und unmissverständlich bautechnisch oder wirtschaftlich unzweckmässige Weisungen des Bauherrn abzumahnen.

    Überwachungspflicht

    Als weitere Pflicht obliegt dem Architekten die Überwachung der Baustelle, insbesondere auch in Bezug auf die Kosten. Der bauleitende Architekt hat die Baustelle regelmässig zu besuchen und sich zu versichern, dass die Arbeiten zuverlässig ausgeführt werden. Es ist aber nicht die Aufgabe des Architekten, dauernd auf der Baustelle anwesend zu sein und sämtliche Arbeitsschritte selbst zu beaufsichtigen.

    Sorgfaltspflicht

    Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht ergibt sich zudem, dass der Architekt die allgemein anerkannten Regeln der Baukunde einzuhalten hat.

    Treuepflicht

    Der Architekt ist aufgrund seiner allgemeinen Treuepflichten verpflichtet, den Bauherrn über Umstände aufzuklären, welche zur Wahrung der Interessen des Bauherrn relevant sein könnten, auch wenn die Abklärung dieser Risiken nicht zum vertraglichen Aufgabenbereich des Architekten gehört.

    Verantwortlichkeit

    Verletzt der Architekt schuldhaft eine der oben ausgeführten Pflichten als Bauleiter und entsteht dem Bauherrn daraus einen Schaden, so kann der Architekt hierfür haftbar gemacht werden.

    Fazit

    Eine aktive Kommunikation des Architekten gegenüber dem Bauherrn ist Pflicht. Allfällige Herausforderungen am Bau sind umgehend zu kommunizieren und es empfiehlt sich, diese Informationen schriftlich festzuhalten.

      Überschreitung eines Kostenvoranschlags

      Mittels eines Kostenvoranschlags gibt der Architekt dem Bauherrn Auskunft über die voraussichtlichen Kosten eines Bauprojekts. Der Kostenvoranschlag dient dem Bauherrn somit zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der geplanten Arbeiten. Bei der Erstellung eines Kostenvoranschlages hat der Architekt äusserste Sorgfalt anzuwenden. Dabei geht es nicht nur um die Kosten aus der Tätigkeit als Architekt, sondern hauptsächlich um die Kosten aus den Arbeiten von beim Bau beizuziehenden Handwerkern. Aus diesem Grund kann der beauftragte Architekt kein objektiv messbares Ergebnis garantieren, weshalb der erstellte Kostenvoranschlag nicht als Werk im rechtlichen Sinne gilt.

      Toleranzgrenze

      Der Toleranzgrenze kommt bei der Frage der unsorgfältigen Arbeit eines Architekten eine entscheidende Rolle zu. Bei der Erstellung eines Kostenvoranschlages ist dem Architekten grundsätzlich eine gewisser Toleranz einzuräumen, innerhalb dessen sich die finalen Kosten bewegen können. Nach den Normen der SIA 102 ist zum Beispiel ein Genauigkeitsgrad von +/- 15 % geschuldet.

      Wurde im Vertrag kein konkreter Genauigkeitsgrad vereinbart, so galt nach früherer Praxis eine Toleranzgrenze von +/– 10%. Diese Faustregel wurde durch das Bundesgericht in neueren Entscheiden relativiert, indem die Nichtnennung eines Genauigkeitsgrades eine Pflichtwidrigkeit des Architekten darstellen kann, welche die Anwendung einer Toleranz sogar ganz ausschliessen kann.

      Eine mögliche Toleranz kommt zudem nur dann zur Anwendung, wenn keine Kostenlimite vereinbart wurde. Bei Vereinbarung einer Limite kann der Bauherr auf die absolute Einhaltung des vorgelegten Kostenvoranschlages vertrauen. Es liegt dann in der Pflicht des Architekten, die Einhaltung der Kostenlimite laufend zu überprüfen. Bei drohender Überschreitung der Kostenlimite muss er die Arbeiten einstellen, Abklärungen treffen und den Bauherren orientieren, damit Massnahmen getroffen werden können.

      Zusatzleistungen und ausserordentliche Umstände

      Mehrkosten infolge ausserordentlicher Umstände sowie Sonder- und Änderungswünsche, welche während des laufenden Baus vom Bauherrn eingebracht werden, bilden nicht Gegenstand der vom Architekten zu vertretenden Kostenüberschreitung.

        Verantwortlichkeit

        Wird der Kostenvoranschlag überschritten, so bedeutet dies wiederum nicht automatisch, dass ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, da durch die Zusatzkosten auch ein Mehrwert des Bauobjekts vorliegen kann. Gemäss Bundesgericht ist jedoch der Vertrauensschaden, den der Bauherr erlitten hat, weil er in die Verlässlichkeit der Kosteninformationen vertraut und dementsprechend seine Dispositionen getroffen hat, zu ersetzen.

        Fazit 

        Die Pflichten des Architekten sollten stets schriftlich in einem Vertrag geregelt werden. Dabei sollte auch festgehalten werden, ob für die zu erstellende Kostenschätzung eine Toleranzgrenze zur Anwendung gelangt oder nicht. Die Höhe der zulässigen Toleranz (z.B. +- 10%, +- 15%) sollte ebenfalls im Vertrag geregelt werden. Im Zweifelsfall kann eine Kostenlimite verabredet werden, wobei der Architekt anlässlich der Vertragsunterzeichnung nochmals explizit auf die Einhaltung derselben hingewiesen werden sollte.

        Strafrechtliche Verantwortlichkeit

        Neben der zivilrechtlichen Haftung kann ein Architekt auch strafrechtlichen Verantwortlichkeiten ausgesetzt sein. Art. 229 StGB kommt nicht nur dann zur Anwendung, wenn eine Person wegen Nichteinhaltens der Regeln der Baukunde verletzt wurde, sondern bereits bei Gefährdung von Leib und Leben von Mitmenschen. Eine Bestrafung kann dabei aufgrund unsachgemässen Handelns oder durch Unterlassen gebotener Schutzmassnahmen erfolgen.

        Gesamtfazit

        Vertrauen ist gut, Vorsorge ist besser.

        Darum:

        • Regel sie alle wichtigen Punkte in einem schriftlichen Vertrag. Falls sie unsicher sein sollten, ziehen sie einen Fachmann bei.
        • Fordern sie während den Bauausführungen regelmässige schriftliche Updates ein und fragen sie nach, falls etwas unklar sein sollte.
        • Zeigen sie allfällige Mängel umgehend nach Entdeckung allen involvierten Parteien schriftlich an und ziehen sie bei Bedarf einen Rechtsberater bei.    
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